W.E. Fthenakis, R. Niesel& R. Oberndorfer
starren Besuchsregelungen. Sie beinhalten die Gefahr, daß die Vater-Kind-Beziehung über die Zeit hinweg allmählich inhaltsleer wird, was für beide eine schmerzliche Erfahrung darstellt(Fthenakis 1986).
Keshet& Rosenthal(1978) haben den Prozeß beschrieben, in dem sich die Rolle des nichtsorgeberechtigten, aber dennoch engagierten Vaters gestaltet: Die Unveränderlichkeit des ehelichen Scheiterns muß akzeptiert werden; damit wächst allmählich die Unabhängigkeit vom Partner und die Beziehung zum Kind gewinnt eine neue Qualität. Elemente des neuen Lebensbereiches und des täglichen Lebens nach der Scheidung werden in das Zusammensein mit dem Kind einbezogen, so daß die Erfahrung der eigenen Kompetenz im Umgang mit dem Kind ein neues Selbstverständnis fördert. D.h. der Vater entwickelt Fähigkeiten, die ihm in der traditionellen Sozialisation teilweise nicht vermittelt wurden. Die mit der Betreuung und Versorgung verbundenen praktischen Probleme treten in den Hintergrund, und die Qualität der Vater-Kind-Beziehung gewinnt an Bedeutung.
Der physische und psychische Rückzug des nichtsorgeberechtigten Vaters aus dem Leben seiner Kinder geht, wie Wallerstein& Kelly(1980) eindrucksvoll berichten, einher mit einem verringerten Selbstwertgefühl der Kinder, mit Trauer und Sehnsucht, mit der Idealisierung des abwesenden Vaters und irrealen Wiedervereinigungsphantasien, aber auch mit der Entwicklung eines negativen Vaterbildes. All diese Reaktionen auf den Rückzug des Vaters können die Entwicklung des Kindes nachhaltiger und langfristiger beeinträchtigen als die Scheidung per se(Fthenakis 1985b; Fthenakis& Oberndorfer 1987; Fthenakis, Niesel& Kunze 1982).
Die weitere Präsenz und Beteiligung des nichtsorgeberechtigten Vaters kann darüber hinaus eine„Pufferfunktion“ gegenüber unangemessenem Erziehungsverhalten der sorgeberechtigten Mutter erhalten. In der Nachscheidungssituation fällt die Erziehungsqualität gerade der sorgeberechtigten Mütter aufgrund der vielfältigen Probleme, denen sie sich meist
Die Bedeutung des Vaters in geschiedenen und wiederverheirateten Familien
gegenübersehen, verständlicherweise ab; sie steigt aber etwa ein Jahr nach der Scheidung wieder an. Sorgeberechtigte Mütter neigen besonders Söhnen gegenüber dazu, inkonsistent und weitgehend ineffektiv autoritär zu werden. Andererseits ist es auch möglich, daß gerade jugendliche Kinder zum Vertrauten des sorgeberechtigten Elternteils werden, was sie vielfach überfordert. Auch Überbehütung ist häufig zu beobachten, was die Gefahr in sich birgt, daß Kinder notwendige Entwicklungsschritte nicht machen können. Wenn sich Väter nicht aus der elterlichen Verantwortung zurückziehen, kann eine gute Vater-Kind-Beziehung verhindern, daß sich ein unangemessenes Erziehungsverhalten der sorgeberechtigten Mutter unvermittelt auf die Kinder auswirkt(Wallerstein& Kelly 1980).
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß geringe Konflikte in kindbezogenen Fragen zwischen den geschiedenen Eltern, das Unterlassen von gegenseitigen Abwertungen, die Anerkennung der Bedeutung des anderen für die Entwicklung des Kindes und die weitere Verfügbarkeit des nichtsorgeberechtigten Elternteils gute Voraussetzungen für die Bewältigung der Scheidungserfahrung durch das Kind schaffen.
Die konstruktive Reorganisation und der Erhalt der Kontinuität der elterlichen Verantwortlichkeiten sowie die Kooperation zwischen den Eltern, die darauf gerichtet ist, das Wohl der Kinder zu gewährleisten, bilden die größte Herausforderung für geschiedene Eltern(Fthenakis 1986).
Der sorgeberechtigte Vater
Wenn Väter die alleinige Sorge für ihre Kinder erhalten, ist dieser Regelung meist eine atypische Ehe vorangegangen. Vielfach erhalten Väter die alleinige Sorge nur dann, wenn die Mutter aus den unterschiedlichsten Gründen diese nicht übernehmen will oder kann(Orthner, Brown& Ferguson 1976). Es sind immer noch wenige Väter, die aktiv die alleinige Sorge für ihre Kinder beantragen, obwohl ihre Zahl auch in der Bundesre
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988
publik Deutschland ständig zunimmt. So betrug die Anzahl der alleinerziehenden Väter im Jahre 1971 69.000, im Jahre 1982 aber bereits 145.000(Schaub& Schaub-Harmsen 1984).
Ähnlich wie alleinerziehende geschiedene Mütter geben alleinerziehende geschiedene Väter an, durch ihre Aufgabenfülle stark belastet zu sein. Dabei scheinen die größten Schwierigkeiten in der Vereinbarung von Erwerbstätigkeit mit Familientätigkeit zu entstehen. Alleinerziehende Väter fühlen sich darüber hinaus noch isolierter als alleinerziehende Mütter. Wegen ihrer geringen Zahl haben sie weniger Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zu gegenseitiger Hilfe. Dagegen haben alleinerziehende Väter weniger finanzielle Sorgen als alleinerziehende Mütter. Es ist ihnen eher möglich, den Haushalt zu technisieren oder auf bezahlte Hilfe zurückzugreifen.
Vielfach wird angenommen, daß Väter in ihrer Funktion als alleinerziehender Elternteil weniger gut zurechtkommen als alleinerziehende Mütter. Diese Annahme wird durch die vorliegende Forschungsliteratur nicht gestützt. Vielmehr weisen Untersuchungsergebnisse darauf hin, daß sie nach einer Übergangszeit gut zurechtkommen. Es hat sich jedoch gezeigt, daß Väter, die sich aktiv um das Sorgerecht bemühen, weniger Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgaben haben, die sich mit der Alleinerzieherrschaft stellen, als Väter, die die elterliche Sorge übernahmen, weil keine andere Möglichkeit bestand(Mendes 1976).
Es ist zunächst auch bei ihnen, wie bei alleinerziehenden Müttern, ein Abfall in der Erziehungskompetenz zu verzeichnen, der allerdings eher in Richtung Permissivität geht. Im zweiten Jahr nach der Scheidung berichten die Väter dann, ähnlich wie die Mütter, über eine Abnahme der Probleme mit den Kindern (Fthenakis 1985; Hetherington& Hagan 1986). Berichte über eine schnellere Anpassung alleinerziehender Väter sind möglicherweise auf die günstigeren ökonomischen Verhältnisse zurückzuführen oder auch darauf, daß Väter eher ältere Kinder betreuen(zu 90%), die ihrerseits über größere Kompetenzen verfügen, um
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