W.E. Fthenakis, R. Niesel& R. Oberndorfer
ders die nichtsorgeberechtigten Väter sahen im Rahmen des von ihnen übernommenen Modells bessere Chancen zur Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung.
Beratungs-, Hilfs- und Stützungsangebote für die Zeit nach der Scheidung sollen hier nur kurz nach ihren inhaltlichen Schwerpunkten charakterisiert werden. Neben den„rein“ therapeutischen Angeboten der Nachscheidungsphase besteht eine weite Palette von Gruppenangeboten, deren Inhalte geprägt sind von dem Bemühen der Betroffenen, den neuen Anforderungen gerecht zu werden und sich an den neuen Lebensstil anzupassen. Die Berichte aus der angloamerikanischen Literatur lassen sich unterscheiden in Angebote zur Krisenintervention, vielfältige Angebote zur Kompetenzerhöhung(Granvold& Welch 1977; Thiessen, Avery& Joanning 1980) durch Programme mit praktischen Übungen(zum Beispiel Kommunikationstraining) und praktischen Informationen(z.B. zum Arbeitsmarkt und zur Arbeitssuche, vgl. Emery, Hetherington& DiLalla 1984), des weiteren pädagogische Gruppen zur geschiedenen Elternschaft(Porter& Chatelain 1981; Warren& Amara 1984) sowie Selbsthilfe- und Selbsterfahrungsgruppen(Coche& Goldman 1979).
Auch diese eher an Einzelthemen orientierten und sich an einzelne Familienmitglieder wendenden Interventionsformen(dazu gehören auch Angebote speziell für Kinder, wie z.B. Hammond 1981) können wichtige Funktionen im gesamten familialen System in der Nachscheidungssituation erfüllen, da das Verhalten jedes einzelnen Mitgliedes alle anderen mehr oder weniger stark beeinflußt. So fällt es einer geschiedenen Mutter, der durch die Erlernung neuer Kompetenzen ein erfolgreicher Einstieg in einen neuen Beruf gelingt, möglicherweise leichter, die Rolle des Vaters des gemeinsamen Kindes gelassener und kindzentriert zu betrachten. Dadurch entspannt sich die Situation im Umfeld der Umgangsregelung, so daß es Vater und Kind eher gelingen kann, eine sinnvolle Beziehung zu erhalten oder zu entwikkeln.
Stiefväter und Stieffamilien
Mit dem Beginn einer neuen Partnerbeziehung und der Wiederheirat eines geschiedenen Elternteils setzt eine neue komplexe Phase des Umstrukturierungsprozesses ein, der mit der Ehescheidung eingeleitet wurde.
Die Struktur einer so entstehenden Fa
milie kann z.B. folgendermaßen ausse
hen: Ein geschiedener Vater, dessen
Kind bei der Mutter lebt, heiratet in
zweiter Ehe eine ebenfalls geschiedene
Frau mit zwei Kindern. Nach einiger
Zeit wird in der neuen Ehe ein weiteres
Kind geboren.
Die wichtigsten Merkmale auf der Struk
turebene, die eine auf diese Weise ent
standene Familienkonstellation kennzeichnen, sind:
— Ein neues Partnersubsystem bildet sich und grenzt sich gegenüber dem Subsystem der Kinder ab. Die Erwachsenen sind durch die Aufnahme einer neuen Beziehung für die Kinder nun weniger verfügbar.
Unter den Kindern entstehen neue Subsysteme und Koalitionen.
Die Beziehung im Elternteil-KindSubsystem sind stärker ausgeprägt als die Beziehungen zwischen dem neu hinzukommenden Erwachsenen, da diese Beziehung sich erst entwickeln muß(vgl. dazu Griebel 1989).
Strukturunterschiede können sich auch
durch jeweils unterschiedliche Phasen
im individuellen Lebenszyklus der ein
zelnen Familienmitglieder, im Partner
schaftszyklus und im Familienzyklus ergeben. Das ist z.B. dann der Fall, wenn nur einer der Partner bereits verheiratet war oder die Geburt des gemeinsamen
Kindes für einen Ehepartner das erste
Kind, für den anderen aber bereits das
dritte Kind ist. In jedem Fall werden
unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungen wirksam. Das Passungsgefüge in diesen Zyklen ist also nicht in ähnlichem Maße gegeben, wie in Kernfamilien(Carter& McGoldrich 1980; Kompara 1980; Sager, Brown, Crohn et al.
1983).
Das wichtigste Strukturmerkmal der
Stieffamilie ist jedoch, daß-.es für die
Kinder außerhalb des Haushaltes, in
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988
Die Bedeutung des Vaters in geschiedenen und wiederverheirateten Familien
dem sie leben, einen weiteren Elternteil gibt und umgekehrt, daß Eltern häufig noch Kinder haben, die außerhalb ihres Haushaltes leben.
Welche Aufgaben beziehungsweise Entwicklungsaufgaben müssen die Stieffamilien leisten?(Bohannan& Erickson 1978; Carter& McGoldrick 1980; Goetting 1982; Messinger& Walker 1981; Whiteside 1982).
Die Integration der Mitglieder der Stieffamilie als zentrale Aufgabe(Garfield 1980; Kirby 1981; Messinger& Walker 1981; Ransom, Schlesinger& Derdeyn 1979) umfaßt folgende Bereiche:
1. Festigung der neuen Partnerschaft: Eine feste Partnerschaft stellt einen der wesentlichen Faktoren für das Funktionieren der Stieffamilien dar (Kleinmann, Rosenberg& Whiteside 1979; Prosen& Farmer 1982; Sager, Brown, Crohn et al. 1983).
. Konstruktive Gestaltung der Beziehungen der Kinder zum außerhalb des Haushalts lebenden Elternteil: Der zweite wesentliche Faktor für die Stabilisierung des Gesamtsystems der Stieffamilie(Garfield 1980; Greif 1982; Messinger& Walker 1981; Visher& Visher 1982).
. Verhinderung von rigiden Dreieckskonstellationen, die gerade in der komplexen Struktur der Stieffamilie mit den unterschiedlichen Grenzziehungen der Subsysteme besonders häufig zu Problemen führen(zum Beispiel die neuen Partner gegenüber dem zweiten Elternteil; Kind und zweiter Elternteil gegenüber dem neuen Partner usw.)(Carter& McGoldrick 1980).
. Neu-Definition elterlicher Rollen von Stiefeltern gegenüber den Kindern: Zu den neuen Rollen von Stiefeltern siehe Burgoyne& Clark(1982), GilesSims(1984), Rallings(1976), zur Problematik von Rollenunsicherheit und ihren Folgen Cherlin(1978) und Fast & Cain(1966). Die Entwicklung neuer Rollen unter therapeutischem Gesichtspunkt greifen Garfield(1980), Kosinski(1983), Walker& Messinger (1979), Whiteside& Auerbach(1978) auf.
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