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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Ulrike Petermann»

Sonderschulen für verhaltensgestörte Kinder

Tabelle 3: Sonderschule für Erziehungshilfe. Terminologie der einzelnen Bundesländer*

(Speck 1989, 206f.).

Schleswig-Holstein: Hamburg:

Bremen: Niedersachsen: Nordrhein-Westfalen: Hessen: Rheinland-Pfalz: Saarland: Baden-Württemberg: Bayern:

Berlin:

Sonderschule für Verhaltensgestörte

Sonderschule für Verhaltensgestörte

Sonderschule für entwicklungsgestörte Kinder

Sonderschule für schwererziehbare und gemeinschaftsschwierige Kinder Schule für/zur Erziehungshilfe

Sonderschule für Verhaltensgestörte

Sonderschule für Verhaltensbehinderte

Sonderschule für Kinder mit gemeinschaftsschwierigem Verhalten Sonderpädagogische Sonderschule

Schule für/zur Erziehungshilfe

Beobachtungsklassen als Klassen für schwierige Schüler

* bezogen auf die alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland

kräften stellen Martikke und Heuer(1986) einen ausgeprägten Mangel an Lehrkrä­ften fest. Als Folge dieser Mangelsitua­tion wird die Aussicht der Schüler auf eine Rückschulung erschwert, da der An­schluß an das Leistungsniveau der Re­gelschule nicht erreicht werden kann. Rodeck-Madsen und Gebbardt(1987) beurteilen die personelle Ausstattung als unbefriedigend: Nur 66% ausgebildete Sonderpädagogen unterrichten an der Schule für Lernbehinderte im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Bei Schulen für Ver­haltensgestörte in freier Trägerschaft fin­den Hohwieler et al.(1992) eine durch­schnittliche Versorgung mit Sonderschul­lehrern von nur 40%. Hohwieler(1986) sowie Herz(1988) plädieren für die Ver­wirklichung des Klassenlehrerprinzips in der Schule für Verhaltensgestörte. Als Begründung wird die Vermeidung von Orientierungsschwierigkeiten genannt (Herz 1988).

3. Schülerbetreuung

3.1 Unterrichtsorganisation

Als Leitgedanken für die Strukturierung formuliert Herz(1988) Kriterien wie emotionale Wärme, Ruhe, Gelassen­heit, Überschaubarkeit, klare, einfache Strukturen sowie Beständigkeitund Kon­sequenz(S.675). Von Bedeutung ist eine gleichbleibende Tagesorganisation (Saueressig 1987; Beschluß der Kultus­ministerkonferenz vom 17.11.1977) so­wie der Einsatz von Ritualen und eindeu­tig formulierten Regeln(Herz 1988). Rituale, wie z.B. das Einnehmen einer

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bestimmten Sitzhaltung bei Unterrichts­beginn, besitzen Signalfunktion für wiederkehrende Situationen, mit denen bestimmte Verhaltenserwartungen ver­bunden sind(Herz 1988). Beachtet wer­den muß, daß solche Verhaltenserwar­tungen und Regeln besonders in der Einübungsphase jeweils zuvor wieder­holt werden, klare Verhaltensanweisun­gen beinhalten(Herz 1988) und von den Schülern verstanden werden sollten (Benner 1987).

Handlungsanweisungen für die Unter­richtsstruktur geben die Modelle desAp­titude Treatment Interaction und des Mastery Leaming(vgl. Böhm 1986). Das ATI-Konzept liefert zu spezifischen Persönlichkeitseigenschaften differen­zierte Unterrichtsmethoden. Es empfiehlt beispielsweise für ängstliche Schüler ei­nen hoch strukturierten Unterricht, für wenig Leistungsmotivierte eine klare, detaillierte Unterrichtsstrukturierung und für Schulleistungsschwache zur Vermeidung von Verwirrung den Ver­zicht auf irrelevante Informationen. Al­lerdings ist fraglich, ob in einer Schule derartig unterschiedliche Lerngruppen gebildet werden können(Böhm 1986). Hinsichlich des Verstehens von Sachver­halten bzw. der Durchführung von Pro­blemlösungen benötigen lernschwache

Schüler mehr Zeit als leistungsstarke

(Sander 1988). Aufwendigere Lehrme­

thoden sowie häufige Wiederholung des

Lernstoffes sind notwendig. Regeln zur

Lern- und Wiederholungsplanung fin­

den sich bei Petermann(1990)(vgl. Ta­

belle 4).

In dem Konzept desMastery Learning

wird die individuelle Lernzeit des Schü­

lers berücksichtigt(vgl. Böhm 1986).

Der Lehrstoff wird in klare Sequenzen

unterteilt und durch individuell not­

wendige Überprüfungs- und Wiederho­lungsphasen unterbrochen.

Zur Steigerung der Leistungsmotivation

ist es sinnvoll, Lernfortschritte nicht mit

dem zeitlichen Querschnitt, sondern mit den bisherigen Leistungsresultaten des­selben Schülers zu vergleichen(intra­individuelle Bezugsnorm)(Masendorf

1988). Leistungskommentierungen soll­

ten inhaltlich strukturiert und aufgaben­

spezifisch sein(Faber 1990). Weitere

Maßnahmen zum Aufbau der Leistungs­

motivation führt Saueressig(1987, 572)

auf:

die Forderung täglicher Mindestlei­stungen, der Einsatz klar gegliederten Arbeits­materials und persönlicher Arbeits­mappen, das Einführen dosierter Schwierig­keitsstufen,

Schwerpunktsetzung,

Interessensdifferenzierung,

individuelle Lernangebote und

Förderunterricht.

Kriterien für die Unterrichtsplanung und

-gestaltung finden sich auch bei Richter

(1987, 43):

erfaßbare und lösbare Aufgabenstel­lungen,

Arbeitsformen mit Kooperationsmög­lichkeit bei Vermeidung von Konkur­renzverhalten,

motivierende Arbeitsmittel,

Tabelle 4: Regeln zur Lern- und Wiederholungsplanung(Petermann 1990, 77f.).

. Wiederholungen planen

. Ökonomisch wiederholen, d.h. nicht zu früh, aber auch nicht zu spät und vor allem nicht massiert

wiederholen . Regelmäßig wiederkehrende Wiederholungen

. Häufig kurze Lernpausen bei einem Lernvorgang machen

. Ähnliches nicht hintereinander lernen .. Lernstoff auffteilen und zeitlich verteilen

. Kurz vor Prüfungen keine neuen Lerninhalte lernen

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993