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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Ulrike Petermann*

für Schüler mit abweichendem Lern- und Sozialverhalten kurzfristige gezielte För­dermaßnahmen. Geeignet sind beispiels­weise Trainings zum Abbau sozial unsi­cheren Verhaltens(vgl. Petermann& Petermann 1992b) oder aggressiven Ver­haltens(vgl. Petermann& Petermann 1993). Bedeutsam ist daher ein enger Kontakt der Sonderschule zu psycholo­gischen Beratungsstellen(Helbig 1988). Sonderpädagogische Angebote wie das Initiieren von Freizeitaktivitäten eignen sich zudem zur Förderung der sozialen Integration(Saueressig 1987).

4. Elternarbeit

Elternarbeit gilt in der Literatur als not­wendige Maßnahme zur Förderung ver­haltensgestörter Schüler(Rodeck-Mad­sen& Gebbardt 1987; Havers 1981; Hoh­wieler 1986; Quenstedt 1988).Die El­tern entwickeln zunehmend ein Negativ­

Bild ihrer Kindes; sie trauen ihnen nichts

mehr zu und resignieren ebenso wie die

Kinder(Saueressig 1987, 570). Ziel der

Elternarbeit ist u.a.

Veränderung des negativen Selbst­wertgefühles(Saueressig 1987),

Hilfe zur Selbsthilfe(Saueressig 1987),

Vermittlung eines Einblicks in den Schulalltag(Hohwieler 1986),

Entwicklung von Verständnis für die Situation ihres Kindes(Hohwieler 1986),

Motivation zuraktiven Mitarbeit in erzieherischen und schulischen Be­langen(Hohwieler 1986 166).

Elternarbeit kann in Form von Eltern­

runden, Wochenendseminaren, Lehrer­

und Elterntreffs stattfinden(Saueressig

1987). Nach den Erfahrungen eines Kol­

legiums für Erziehungshilfe(1981) wer­

den häufig Elternabende, Hausbesuche oder teilweise nur Telefongespräche ge­führt. Hausbesuche sind als Maßnahme zum Vertrauensaufbau besonders für El­tern geeignet, die nicht zu Gesprächen in die Schule kommen(Rodeck-Madsen&

Gebbardt 1987). In einem von Havers

(1981) erwähnten Training werden El­

tern zu Therapeuten oder Kotherapeuten

ausgebildet. Als Folge dieses Trainings

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Sonderschulen für verhaltensgestörte Kinder

konnten Veränderungen im Verhalten der Schüler beobachtet werden.

5. Hinweise zur architektonischen Gestaltung

Zur Vermeidung von Orientierungs­schwierigkeiten empfiehlt Herz(1988) kleinere Schulen. Im Rahmen einer Un­tersuchung zum offenen Unterricht un­terteilen Goetze und Jäger(1991, 31f.) die Räumlichkeiten in fünf Zonen: Bewegungsspiele im Flur, ruhige, entspannende Aktivitäten(z.B. Lesen) im Gruppenraum, Stillarbeitszone, Mal- und Bastelzone sowie Experimentierzone im Klassenraum. Havers(1981) plädiert für eine klare Aufteilung in Arbeits- und Spielphase, Rodeck-Madsen und Gebbardt(1987) für eine schülerkommuninkative Sitzord­nung zur Förderung von sozialem Ler­nen. Saueressig(1987) schlägt für den Klassenraum von verhaltensgestörten Schülern folgende Möglichkeiten der Raumeinteilung vor: Kuschelecke mit Polstern und Stoff­tieren, Arbeitskabine für Einzelarbeit, Spielecke mit Spielangeboten, Gruppenbereich für das gemeinsame Frühstück. Hierbei ist zur Vermeidung von Reiz­überflutung und damit von Kon­zentrationsstörungen auf eine sukzes­sive Einführung derartiger Angebote zu achten(Saueressig 1987). Hinsichtlich der Wohngegendempfiehlt Helbig(1987) eine ruhige Lage im Grünen, während Rodeck-Madsen und Gebbardt(1987) den Vorzug dem Wohnfeld des Schülers geben, damit Kontaktmöglichkeiten zu Gleichaltrigen auch außerhalb der Schu­le möglich sind.

6. Rahmenbedingungen der Studie

Ziel der Studie war eine Bestandsaufnah­me zur strukturellen, organisatorischen und didaktischen Kennzeichnung von Sonderschulen für Verhaltensgestörte/ Erziehungshilfe. Zu diesem Zweck wur­

Tabelle 6: Verteilung der Schulen für Erziehungs­hilfe auf die einzelnen Bundesländer*.

Bundesländer Anzahl der Schulen

für Erziehungshilfe

Gesamtzahl Rücklauf

Schleswig-Holstein: 10 4 Hamburg: 0 0 Bremen: 8 1 Niedersachsen: 21 11 Nordrhein-Westfalen: 57 22 Hessen: 17 12 Rheinland-Pfalz: 5 3 Saarland: 5 3 Baden-Württemberg: 61 46 Bayern: 41 14 Berlin: 1 1 Summe: 226 114

* bezogen auf die alten Bundesländer der Bun­desrepublik Deutschland

de ein Fragebogen entworfen, der Infor­mationen zur Struktur, zur personellen Ausstattung, zur Schülerbetreuung, zur Elternarbeit und zur architektonischen Gestaltung der Verhaltensgestörten­Schule erfaßt. Im Zeitraum August 1991 bis Januar 1992 wurden Fragebogen an 226 Schulen für Verhaltensgestörte im westlichen Teil der Bundesrepublik Deutschland versandt. Der Rücklauf be­trug 114 Fragebogen und gilt mit ca. 50% als zufriedenstellend. Eine Übersicht über die Verteilung der Befragung auf die einzelnen Bundesländer gibt Tabelle 6.

7. Empirische Ergebnisse 7.1 Strukturelle Kennzeichnung

Die durchschnittliche Schülerzahl der Schule für Verhaltensgestörte beträgt etwa 70 Schüler. In einzelnen Schulen werden auch über 150 Schüler unterrich­tet(vgl. Tabelle 7).

Die Mehrzahl der Schulen verfügt über keine Mindestaufnahmedauer. Im Durch­schnitt bleiben die Schüler ca. zwei Jahre an der jeweiligen Schule. Die Frage der Sonderschulbedürftigkeit wird vorwie­gend durch das jeweilige Kollegium (93.9%) geklärt; die zusätzliche oder aus­schließliche Begutachtung durch entspre­chende Fachdienste erfolgt in weniger als 30% der Schulen. Ca. 80% der Schu­len verfügen über keine Ausschlußkri­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993