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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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gen von vornherein ganz offensichtlich benachteiligt, lehnen viele Sehbehinder­tenpädagogen dessen Anwendung bei sehbehinderten Kindern ab. Geht es um die Einschätzung der allgemeinen Intel­ligenz, die It. Wechsler(zit. bei Titze& Tewes 1987) als eine aus mehreren Kom­ponenten im additiven Sinne zusam­mengesetzte Fähigkeit verstanden wird, scheint aber eine Einschätzung der intel­lektuellen Fähigkeiten Sehbehinderter ausschließlich auf der Grundlage verba­ler Leistungen nicht gerechtfertigt. Müs­sen sich sehbehinderte Kinder doch im Alltag visuell orientieren und unter visu­eller Kontrolle handeln.

Die Untersuchung, über die hier zu be­richten ist, soll zunächst überprüfen, ob sehbehinderte Kinder in der revidierten Form des HAWIK(1983) ähnliche Er­gebnisse in den einzelnen Untertests er­zielen, wie sie mittels des HAWIK(1956) nachgewiesen wurden. Da sich die Revi­sion ja vor allem auf Veränderungen von Aufgaben innerhalb der Untertests sowie die neue Normierung bezog, ist anzuneh­men, daß sich zumindest parallele Pro­filverläufe feststellen lassen.

Im Mittelpunkt des weiteren Interesses steht vor allem der Handlungsteil des HAWIK-R und die Frage, inwiefern er für sehbehinderte Kinder sinnvoll ein­setzbar ist bzw. welche Informationen er bei vorliegender Sehbehinderung über die Intelligenz des betreffenden Kindes liefern kann. Zu diesem Zweck soll auch jeder Untertest des Handlungsteils da­nach beurteilt werden, inwieweit er für die Bewältigung des Alltags sehbehin­derter Kinder repräsentative Anforde­rungen stellt, also inhaltliche Validität besitzt.

Zum anderen soll untersucht werden, ob es zwischen verbaler und handlungs­praktischer Intelligenz bei sehbehinder­ten andere Zusammenhänge gibt als bei nichtbehinderten Schülern. Aus den In­terkorrelationsanalysen des HAWIK-R an nichtbehinderten Kindern läßt sich ein als g-Faktor im Sinne Spearmans zu in­terpretierender Faktor ermitteln(Kubin­ger& Wurst 1985). Für sehbehinderte Kinder wird dagegen eine größere Unab­hängigkeit zwischen den Untertests des Verbalteils und denen des Handlungsteils

Karla Hofmann: Die Anwendung des HAWIK-R bei sehbehinderten Kindern

erwartet, zumal die bei ihnen herabge­setzte Sehfähigkeit handlungspraktische Fähigkeiten in weitaus stärkerem Maße beeinträchtigt als verbale.

Eine weitere Fragestellung der Untersu­chung bezieht sich auf Zusammenhän­ge zwischen den einzelnen Untertest­Ergebnissen und der Sehschärfe als ei­nem Merkmal des Sehbehinderten sowie Schulleistungen in einzelnen Unter­richtsfächern. Außerdem soll der Frage nachgegangen werden, obes Unterschie­de in den intellektuellen Fähigkeiten und den Schulleistungen zwischen den Schü­lern gibt, die täglich nach Unterrichts­schluß oder nach Ende des Schulhortes am Nachmittag nach Hause gehen(im weiteren als Stadtkinder bezeichnet) und denjenigen, die am Schulort während der Woche internatsmäßig untergebracht sind und nur die Wochenenden und die Ferien im Elternhaus verbringen(im weiteren als Internatskinder bezeichnet). Vermuten 1äßt sich hier ein die intellek­tuelle Leistungsfähigkeit allgemein de­privierender Effekt langjähriger Inter­natsunterbringung.

Untersuchungsdurchführung

Mit dem HAWIK-R wurden insgesamt 47 Schülerinnen und Schüler 3. und 4. Klassen der Sehbehindertenschule Ost­berlins untersucht. Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum Dezember 1989 bis Januar 1991. Zur weiteren Kennzeich­nung der Stichprobe sei erwähnt, daß von den 27 Jungen und 20 Mädchen insge­samt 14 Schüler(29.8% der Stichprobe) ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt waren, bzw. Klassen bereits wiederholt hatten, also altersmäßig in höhere Klas­senstufen gehörten. Die Angaben zum Fernvisus(Variationsweite 1/20 bis 1/3) bzw. Nahvisus(Variationsweite Nieden 1 bis Nieden 12) wurden durch die für die Schule zuständige Ophthalmologin er­hoben und den Schülerakten entnom­men.

Die Untersuchung mit dem HAWIK-R erfolgte für jedes Kind zu zwei Termi­nen, im Abstand von jeweils einer Wo­che. Diese Durchführungsvariante ist im Rahmen derAllgemeinen Durchfüh­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993

rungsbedingungen für den Test(Titze

& Tewes 1983) vorgesehen. Eine Bean­

spruchung der Kinder über die Dauer

einer Unterrichtsstunde(45 Minuten) hinaus konnte so vermieden werden.

Die Schüler wurden während der Un­

terrichtszeit(1. bis 4. Unterrichtsstunde)

in einem separaten Raum innerhalb des

Schulgebäudes untersucht. Sie arbeite­

ten unter Benutzung ihrer individuellen

Sehhilfen und bei zusätzlicher Arbeits­

platzbeleuchtung(1000 lux).

Folgende Veränderungen der standardi­

sierten Durchführungsbedingungen des

HAWIK-R wurden vorgenommen:

Beim Untertest Bilderergänzen(BE) wurde die Zeitgrenze für jedes Bild von 15 auf 45 sec verlängert. Diese Modifikation erschien notwendig, da insbesondere eine stärkere Visusmin­derung eine Verlängerung der visuel­len Wahrnehmungsgeschwindigkeit zur Konsequenz hat(vgl. Litwak 1989).

Die Zeitbegrenzung für die Bearbei­tung jeder einzelnen Aufgabe des Untertests Bilderordnen(BO) wurde aus 0.g. Gründen verdoppelt(von 60 auf 120 sec). Das Material dieses Un­tertests mußte allerdings von vornher­ein als ungeeignet für Sehbehinderte angesehen werden.

Für den Zahlen-Symbol-Test(ZS) stand eine vergrößerte Vorlage zur Verfügung. Die Kinder konnten selbst entscheiden, mit welcher Vorlage (Original oder Vergrößerung) sie ar­beiten möchten.

Ergebnisse

Zur Analyse des HAWIK-R Wertpunkte-Profils über die einzelnen Untertests

Die Signifikanzprüfung mittels t-Test für unabhängige Stichproben erfolgte bei den Untertests des Verbalteils und beim MT bei zweiseitiger, sonst bei einseitiger Fragestellung, da Klauer(1962) in die­sen Untertests des HAWIK überdurch­schnittliche Werte für sehbehinderte Kin­der feststellte. Tabelle 1 enthält keine Angaben zum Gesamt-IQ, um einer in dieser Population ungerechtfertigten Ni­

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