Der Interviewleitfaden und Anmerkungen zur Interviewdurchführung
Die Untersuchung wurde als themengeleitetes Interview durchgeführt Da u.W. in der Literatur noch kein Fragebogen vorhanden ist, mit dem Einstellungen nichtbehinderter Kinder zu körperbehinderter Kindern erfaßt werden können, wurden Fragen aus verschiedenen Fragebögen zum Thema der Einstellungen gegenüber behinderten Menschen für das Interview mit den Kindern übernommen (u.a. von: Jansen(1972), Esser(1975), Stürmer(1977), Stangl(1984).Diese Fragen dienten als Interviewleitfaden, wobei— in Abweichung von den Originalfragen— teilweise eine kindgemäße Umformulierung vorgenommen werden mußte.
Der Ablauf des Interviews
Das Interview wurde mit den Kindern als Einzelbefragung durchgeführt, auf Kassette aufgezeichnet und anhand der Kassettenaufzeichnungen später ausgewertet. Als Glücksfall erwies sich der Umbau der Grundschule, da die Kinder nun auf vier verschiedene Klassenräume im Ort verteilt waren. Durch diese räumliche Trennung war zwischen den Klassen ein„Wissensaustausch“ zu den Fragen in den„Pausen“ nicht möglich. Die Befragung der einzelnen Klassen wurde während des Unterrichts in einem abgetrennten Raum durchgeführt, um auch hier einen Austausch zu minimieren. Allerdings war es der Minderheit, der noch nicht befragten Schüler, möglich, sichmit der Mehrheit der befragten Schüler in der„Pause“ zu treffen. Nach unserer Eigenbeobachtung zogen sie aber das gemeinschaftliche Spiel vor.
Die genaue Instruktion an die Kinder lautete:
„Ich mache eine Untersuchung und möchte wissen, wie Schüler über behinderte Kinder denken. Mit den folgenden Fragen möchte ich Deine Meinung über körperbehinderte Kinder erfahren: Auch
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Alfred Fries& Ralf Gollwitzer+ Kinderantworten zur Körperbehindertenproblematik
wenn Du noch nicht oft darüber nachgedacht hast, äußere bitte zu meinen Fragen ganz frei Deine Meinung. Alles was Du sagst, ist richtig, falsche Antworten gibt es nicht. Ich freue mich sehr, daß Du mir die Fragen, so gut und ehrlich Du kannst, beantwortest.“
Nach der zweiten Frage wurden den Kindem zwei Bilder von körperbehinderten Kindern gezeigt(Bild 1: Kind im Rollstuhl, Bild 2: Kind mit Krücken). Diese Bilder lagen während des gesamten Interviews vor den Kindern. Beide Bilder sollten visuell eine Vorstellung von Körperbehinderung vermitteln, damit während der Fragen Körperbehinderung nicht mit anderen Behinderungen verwechselt werden konnte. Als Vorlagen für die Kinderbilder dienten Abbildungen, wie sie von Richardson et. al.(1976) und Baier & Gebauer(1972, 21) in ihren Untersuchungen verwendet wurden. Allerdings wurden die von uns verwendeten Bilder in Details leicht verändert, ohne aber die Charakteristika zu beeinträchtigen(z.B. wurde das Kind mit Krücken ohne Beinprothese dargestellt, um nicht den Eindruck eines gebrochenen, sondern den eines fehlenden Beines zu erwecken).
Ergebnisse der Untersuchung
Faktisches Wissen über Behinderung allgemein und über den Begriff'Körperbehinderung'
Faktisches Wissen allgemein
Frage 1 lautete:„Welche Behinderungen kennst Du?“
Wir geben im folgenden eine Übersicht über die Antworten der Kinder,und zwar nach Klassen getrennt. Die Kinder der 1. Klasse äußerten sich zu Frage 1 wie folgt(in Klammern jeweils: Anzahl der Nennungen.Die Kindern gaben zum Teil mehrere Antworten):
„Fuß gebrochen“(1),„Arm gebrochen“ (1),„mit Krücke laufen“(1),„Rollstuhl“ (2),„schlecht schreiben können“(1), „Handbehinderung“(1),„Beinbehinderung“(1),„nicht Ski fahren können“(1), „Nicht schwimmen können“(1),„herumhupfen“(1),„Lähmung“(1). Weiter wur
den als Antworten gegeben:„Blindheit“, „taub“,„redet so komisch“. 14 der 22 Kinder der 1. Klasse wußten zu dieser Frage keine Antwort zu geben. Die Kinder der 2. Klasse führten an:„Querschnittslähmung“(3),„Lähmung“(4), „Handbehinderung“(2),„Fuß“(3),„Körper“(1),„Hals“(1),„Arme nicht bewegen“(2),„nicht laufen“(1). Weitere Antworten waren:„Augenbehinderung‘“ (2),„nicht sehen“(1),„nicht hören“(1), „nicht sprechen“(1). Fünf der 17 Kinder der 2. Klasse äußerten sich zu Frage 1 nicht.
Die Kinder der 3. Klasse führten an:„Mit dem Laufen“(5),„mit den Armen“(3), „Kopf nicht bewegen können“(2),„Fuß gebrochen“(1),„Arm gebrochen“(1), „Fuß nicht bewegen können“(1),„gelähmt“(1),„Lähmungen“(1),„Rollstuhl sitzen“(2),„nicht schreiben können“(3),„bißchen humpeln“(1),„auf Krücken laufen“(1),„Fußbehinderung‘“ (3),„Handbehinderung“(4),„Hals“(1), „körperlich behindert“(1),„mit den Schultern“(1).
Weitere Antworten waren:„Blind“(1), „schief aus den Augen schauen“(1), „nicht gut schauen(1),„mit den Augen“ (1),„nicht gut reden können“(2),„nicht gut lesen können“(1),„Sprechungen“ (1),„nichts hören“(1),„geistig behindert“(1),„Schwerbehinderte“(1),„Unfallbehinderte‘“(1),„Geburtsbehinderte‘“ (1). Von den 18 Kindern der 3. Klasse gaben nur 2 Kinder zu Frage 1 keine Antwort.
Die Kinder der 4. Klasse gaben zur Antwort:„Körperbehinderung“(4),„Fußbehinderung“(4),„Rollstuhl“(1),„Kopf nicht bewegen können“(1),„Armbehinderung“(2),„Handbehinderung“(1), „Kinderlähmung“(5),„Körperlähmung“ (1),„Querschnittslähmung“(4),„gelähmt“(2),„sich nicht in der Hüfte drehen können“(1).
Als weitere Antworten wurden gegeben: „Geistige Behinderung“(10),„Sehbehinderung“(1),„nicht mehr zuhören können“(1). Alle Kinder dieser Klasse konnten sich zu dieser Frage äußern. Bei der Analyse der Antworten zu Frage 1 fällt, neben der bereits erwähnten Tatsache, daß die Zahl der fehlenden Antworten mit fortschreitender Klassenzahl sinkt,
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993