weniger oft eindeutig„gut‘“, sondern eher„anders‘ oder„komisch“. In der 2. Klasse haben 29,41% der Kinder negative Gefühle, wenn sie einem körperbehinderten Kind begegnen.
Die Kinder der 3. Klasse konnten ihr „Sich anders fühlen“ schon genauer ausdrücken, z.B. als„Halt anders, mitleidig‘;„Schlecht, weil,wenn man des sieht, dann wird es mir grausig‘“;„Unsicher“‘; „Erschrocken“.Insgesamt haben 38,88% der Kinder negative Gefühle.
Die Kinder der 4. Klasse äußern nun schon vereinzelt den Grund, warum sie sich„anders fühlen“, wie z.B.„Ist halt ein komisches Gefühl, wenn man sieht, wie die aussehen und so‘;„Da bin ich froh, daß ich nicht behindert bin“; „Schlechter, weil da muß man an des Kind denken, wie schlecht es dem geht, daß es nicht mehr laufen kann und so“. In der 4. Klasse haben nun schon über die Hälfte der Kinder ein„anderes Gefühl“, wenn sie einem körperbehinderten Kind begegnen.
Zu den Antworten zu Frage 10 kann festgehalten werden: Mit fortschreitender Klassenzahl können die Kinder ihre Gefühle besser thematisieren und eher umschreiben. Während nur 18,18% der Kinder der 1. Klasse negative Gefühle empfinden, geht die Entwicklung des „Sich anders fühlen“ deutlich nach oben (2. Klasse: 29,41%; 3. Klasse: 38,88%; 4. Klasse 52,63%; vgl. auch Tabelle 5).
Antizipierte Reaktionen der Umwelt: Beurteilung des Verhaltens anderer Kinder
In Frage 11 sollten die Kinder eine Fremdbeurteilung abgeben und sich zum Verhalten anderer in einer bestimmten Situation äußern.
Frage 11 lautete:„Du bist zu einem Geburtstag eingeladen und bringst ein körperbehindertes Kind mit zu dem Geburtstag. Was sagen die anderen Kinder?“
Die Antworten der Erstkläßler sind vielschichtig. Sie reichen von der krassen Ablehnung„Schaff des weg“, bis zu „Schön“. Ein Kind hat entweder die Frage nicht verstanden, oder hält es viel
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Alfred Fries& Ralf Gollwitzer: Kinderantworten zur Körperbehindertenproblematik
leicht ein körperbehindertes Kind für ein „günstiges Geburtstagsgeschenk“(„Daß es schön ist was ich dabei hab. Weil, ich war schon einmal auf einem Geburtstag und da hab ich von einem Mädchen, des ist in meiner Klasse, die hat Geburtstag gehabt, aber es war die Schwester gell, da hab ich einen Zahnputzbecher gebracht, eine Seife, Seifendose und dann nichts mehr. Des reicht, sonst muß die Mama soviel bezahlen‘‘).
Ein anderes Kind dagegen zeigt sich sehr engagiert:„Die täten sagen: Nein, die läßt man nicht rein. Wenn, dann tät ich sagen: Ihr könnt auch mal behindert sein, dann braucht ihr nicht die Behinderten verspotten. Und wenn sie immer noch nicht ja sagen, dann sag ich halt, dann möcht ich sehen, ob die anderen Kinder euch verspotten auch“.
Viele Kinder hat diese Frage sehr erregt, besonders diejenigen, die sich ablehnend äußerten, hatten eine gewisse ‚„Entrüstung“ in ihrer Stimme. Prozentual gesehen äußerten sich 36,36% der Kinder ablehnend.
Auch die Antworten der Zweitkläßler zeigen zu dieser Frage eine große Bandbreite. Sie reicht von„Die täten sich vielleicht freuen“ über„Vielleicht ganz normal“,„Da tät man halt wie bei einem anderen Kind auch„Grüß Gott“ sagen“ bis hin zu offener Ablehnung(„Ich soll sie raustun und heimschaffen‘“). Die Antizipation einer Ablehnung betrug in der 2. Klasse 29,41%.
Auch bei den Drittkläßlern ist der Spielraum der Antworten ähnlich groß wie in den vorangegangenen Klassen. Interessant ist, daß, wie auch in den anderen Klassen, oft die Möglichkeit, daß ein körperbehindertes Kindeingeladen wird, in Frage gestellt wird(„Jetzt bringt der sogar ein behindertes Kind mit, obwohl
iches garnicht eingeladen hab“). Neu ist, daß sich ein Kind in Begleitung eines körperbehinderten Kindes minderwertig fühlt(„Ich bin doof“).
Eine Ablehnung konnte bei 55,5% der Kinder festgestellt werden.
Viele Kinder(7) der vierten Klasse haben sich bei dieser Frage Gedanken über die mögliche Spielfähigkeit eines körperbehinderten Kindes gemacht:„Mit dem kann man gar nicht spielen“;„Daß sie nicht mitmachen darf“;„Die wollen es nicht so, vielleicht. Was machen wir denn mit dem, werden sie vielleicht sagen“;„Daß ich des nicht mitbringen gsollthätt, weil sie vielleicht was anderes spielen wollten“;„Daß es nicht mitspielenkann“;„Die sagen, obdes mein Freund ist, ob des irgendwas mitspielen kann, oder ob es—“;„Die lassen ihn bestimmt mitspielen“. Insgesamt antizipierten 52,6% der Kinder eine ablehnende Haltung.
Zuden Antworten der Kinder zu Frage 11 kann zusammenfassend festgehalten werden(vgl. Tabelle 6):
Auf die Frage, wie andere Kinder wohl auf ein körperbehindertes Kind bei einer Geburtstagsfeier reagieren würden, antizipieren sehr viele Kinder ablehnende, teilweise sehr schroffe Reaktionen der Umwelt. Die Einschränkung der Spielmöglichkeiten wird von vielen Kindern als nähere Begründung angeführt. Die Antizipation einer Ablehnung empfanden in der 1. und 2. Klasse etwa jeweils ein Drittel der Kinder(1. Klasse 36,36%; 2. Klasse 29,41%), in der 3. und 4. Klasse etwa jeweils die Hälfte der Kinder(3. Klasse 55,5%; 4. Klasse 52,6%).
Ein interessante Aussage ergibt sich, wenn man die Prozentangaben der negativen Umweltantizipationen mit den Prozentangaben vergleicht, die sich in
Tabelle 6: Zusammenfassung der Antworten zum antizipierten Verhalten anderer Kinder(Frage 11)
Kategorien 1. Klasse (22)
Antizipiertes 9
negatives Verhalten
Antizipiertes positives 8
oder neutrales Verhalten
„Weiß nicht“ S
2. Klasse 3. Klasse 4. Klasse (17)(18)(19) S 10 10 9 5 8 3 3 1
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993