gie. Ihr liegt eine Serie von sechs oder sieben Untersuchungen an denselben Kindern zugrunde, so daß sie eine Variante von Längsschnittuntersuchungen realisiert. Die unterschiedlichen Fragestellungen konzentrieren sich auf die Entwicklung lautsynthetischer Prozesse bei Kindergartenkindern und in den ersten Grundschuljahren.
Der wesentliche Vorteil der Arbeit besteht in der gründlichen Aufarbeitung linguistischer wie psycholinguistischer Kategorien und Theorien im entwicklungspsychologischen Kontext. Hier hat der Verfasser erhebliche Mühe mit gutem Erfolg investiert. Das erscheint um so bedeutsamer, als es gerade diese disziplinübergreifende integrative Betrachtungsweise ist, von der Fortschritte zu erwarten sind. Die linguistikferne psychologische Forschung zum Spracherwerb früherer Jahre ist seit langem obsolet geworden, obwohl sich das noch nicht überall herumgesprochen hat.
So anerkennenswert die empirischen Untersuchungen im einzelnen auch angelegt sind, so bleibt das methodologische Vorgehenauf's Ganze gesehen nicht ohne Bedenken. Reine Längsschnittstudien haben eben doch substantielle Nachteile. Alleine wenn man berücksichtigt, wie erfahren die kleinen Versuchspersonen im Laufe der Zeit geworden sind, an solchen Untersuchungen teilzunehmen, wird man von externer Validität der Versuchsanordnung nicht mehr sprechen wollen. Hinzu kommt die Fülle der auch noch abgestuften Signifikanztests, die kein Verständnis dafür offenbart, daß Signifikanzen auch zufällig auftreten können, je mehr desto eher.
Unabhängig davon bleibt die Arbeit aber eine Fundgrube für alle, die ähnliche Fragestellungen untersuchen wollen. Das gilt im Hinblick auf die herangezogenen Theorien als auch im Hinblick auf die verwendeten psycholinguistischen Verfahren.
Prof. Dr. K.J. Klauer, Aachen
Walter Hussy: Denken und Problemlösen. Grundriß der Psychologie, Band 8. Urban Taschenbücher, Band 557. Kohlhammer Verlag Stuttgart 1992, DM 28,—.
Wenn ein Forscher von hohem wissenschaftlichen Rang und internationalem Ansehen ein weiteres Lehrbuch über sein Spezialgebiet
schreibt, darf man große Erwartungen hegen. Zwar ist es längst nicht jedem Forscher gegeben, ein lesbares Lehrbuch zu schreiben, aber wenn dies der Fall ist, stellt sich das meist auch als ein Glücksfall dar. Hier haben wir es tätsächlich mit solch einem Glücksfall zu tun, den ich eigentlich gar nicht erwartet hätte, denn die Originalarbeiten von Hussy zeichnen sich nicht gerade durch ihre Leserfreundlichkeit aus, So wichtig und weiterführend sie sind. Allerdings darf man nicht übersehen, daß der Verfasser mit zwei Lehrbüchern schon hinreichend Gelegenheit hatte, einschlägige Erfahrungen zu sammeln. In diesem Studienbuch ist es dem Autor gelungen, in einfacher und klarer Diktion auch komplizierte Sachverhalte darzustellen. Der Text ist tatsächlich auch Studierenden zugänglich. Das gilt insbesondere dann, wenn sie Vorkenntnisse mitbringen oder wenn der Text einer Seminarveranstaltung zugrundegelegt wird.
Für angehende Sonderpädagogen erscheint der Titel besonders wichtig, und zwar nicht nur für die angehenden Lernbehindertenpädagogen. Selbstverständlich ist für diese das Thema des Denkens und Problemlösens und der weiteren kognitiven Prozesse, die behandelt werden, zentral. Das gilt aber auch für alle anderen Sparten von Behindertenpädagogik, wird doch beispielsweise die normale Wahrnehmung etwa für Sehbehinderte oder Schwerhörige schon zum Problemlösen. Nach zwei einleitenden Kapiteln werden ausführlich die Themen Aufmerksamkeit, Problemlösen, Kreativität und Lösen komplexer Probleme behandelt. Alle diese Kapitel sind informativ und auf dem aktuellen Stand, wenngleich natürlich alles andere als umfassend behandelt. Für Studierende dürfte es sich auch als hilfreich erweisen, daß stets auf ein einziges Modell der Informationsverarbeitung zurückgegriffen wird. Zu dem Modell gibt es selbstverständlich viele Alternativen mit spezifichen Vor- und Nachteilen, doch dürfte die Entscheidung des Verfassers mindestens aus didaktischen Rücksichten gut vertretbar sein.
Nach meinem eigenen Eindruck scheinen bei Pädagogen und Sonderpädagogen insbesondere in punkto Aufmerksamkeit gänzlich veraltete Vorstellungen herumzuspuken. Das entsprechende Kapitel von Hussy ist deshalb besonders willkommen und sollte nicht übergangen werden.
Ein Buch also ohne Mängel? Ich glaube nicht, daß es das gibt. Kleine Ärgerlichkeiten kommen schon vor. Zur Abbildung 3.4 Seite 66 heißt es etwa:„Die Begriffe bilden die Knoten, die Beziehungen zwischen den Be
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 1, 1993
Buchbesprechungen
griffen die Fäden des Netzes“, so als ob Relationen keine Begriffe wären. Richtiger müßte hier von Elementen und Relationen die Rede sein, von den Elementen als Knoten und den Relationen als Verbindungen oder Verknüpfungen von Elementen. Ärgerlicher und weniger leicht übergehbar ist in meinen Augen der Umgang mit Vokabeln wie„bewußt“,„unbewußt“,„vorbewußt“ und„unterbewußt“, ohne daß auf die Verwirrung eingegangen würde, die solche Ausdrücke seit Freud angerichtet haben. Dennoch handelt es sich auch hierbei um einen peripheren Aspekt des Textes, der die insgesamt sehr positive Wertung nicht beeinträchtigen kann.
Prof. Dr. K.J. Klauer, Aachen
Detlef H. Rost(Hrsg.): Lebensumweltanalyse hochbegabter Kinder. Göttingen: Hogrefe Verlag für Psychologie 1993, 261 Seiten, DM 78,—.
Noch hat sich die deutsche Sonderpädagogik nicht die Aufgabe zu eigen gemacht, auch die Pädagogik hochbegabter Kinder in Forschung und Lehre zu vertreten. Erfreulicherweise wird diese Lücke von anderer Seite besetzt, jedenfalls was die Forschung betrifft. Die Ergebnisse der Münchener Längsschnittstudie bei hochbegabten Kindern wurden unlängst veröffentlicht(Heller, 1992), und mit dem hier zu besprechenden Werk werden erste Befunde der Marburger Längsschnittuntersuchung vorgelegt. Die Marburger Studie wird fortgesetzt werden. Daher ist es sinnvoll, dafür zu sorgen, daß sich die Bibliothekender sonderpädagogischen Institute und Fachbereiche die Darstellung der Befunde zur Ausgangslage der Untersuchungen Sichern.
Ein kritischer Punkt aller Hochbegabtenforschung ist die Definition der Hochbegabung. Im Gegensatz zu manchen anderen Autoren, aber völlig in Übereinstimmung etwa mit den berühmten Untersuchungen von Terman definiert Rost Hochbegabungen als extrem hohe Ausprägung der allgemeinen Intelligenz g. Hauptkriterium zur Definition von Hochbegabung sind danach Faktorwerte von g, die zwei Standardabweichungen oberhalb des Mittelwertes liegen. Insofern handelt es sich um ein Kriterium, das das Gegenstück zum Zwei-Standardabweichung-Kriterium zur Auswahl lernbehinderter Kinder
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