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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
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Karl Josef Klauer ­

Denken und Lernen bei Lernbehinderten

KREUZ­KLASSIFIKATION

Gleichheit Verschiedenheit

SYSTEM­BILDUNG

BEZIEHUNGS­ERFASSUNG

BEZIEHUNGS­UNTERSCHEIDUNG

Gleichheit Verschiedenheit

Relationen

Strategie des induktiven

nkens

Abb. 2: Stammbaum der induktiven Aufgabenklassen

Generalisierung die Aufgabenklasse, bei der es darum geht, Gemeinsamkeiten von Merkmalen festzustellen. Abbildung 2 macht darüber hinaus die» Verwandt­schaft« der Aufgabenklassen unterein­ander deutlich: Drei beziehen sich auf die Beachtung von Merkmalen, die drei anderen erfordern die Beachtung von Relationen. Die Symmetrie der Abbil­dung 2 entsteht dadurch, daß die Fest­stellung von Gleichheit, die Feststellung von Verschiedenheit und die Kombina­tion der beiden Prozesse sowohl bei Merkmalen als auch bei Relationen ge­fordert ist.

Für manche der Aufgabenklassen ste­hen mehrere Aufgabenformen zur Ver­fügung, wenn man etwa an die Formen denkt, die bei Testaufgaben gängig sind. Für die Beziehungserfassung sind bei­spielsweise Analogieaufgaben und Fol­gen bekannte Beispiele.

Gelegentlich werden in der Literatur ohne Angabe von Gründen drei Aufga­benklassen als induktive bezeichnet, Klassifikationen, Analogien und Folgen (Sternberg& Gardner 1983; Büchel& Scharnhorst 1992). Im Lichte von Ab­bildung 2 ist das nur teilweise angemes­sen: Tatsächlich können die drei Merk­malsklassen als unterschiedliche Varian­

ten von Klassifikationsaufgaben aufge­faßt werden. Die Beziehungsunterschei­dung von Abbildung 2 wird im allge­meinen durch gestörte Folgen realisiert, bei denen zu entdecken ist, daß die Rela­tionen zwischen benachbarten Elemen­ten bis auf mindestens eine gleich sind. Versteht man unter Folgen beide Va­rianten, das Folgen Ergänzen als Bezie­hungserfassung und die gestörte Folge als Beziehungsunterscheidung, so könnte das so vielleicht akzeptiert werden. Al­lerdings bleibt die Systembildung dann noch immer unberücksichtigt. Sie ist typischerweise in der Matrizenaufgabe etwa vom Typ des Raven-Tests reali­siert und ganz unzweifelhaft eine der bekanntesten induktiv zu lösenden Test­aufgaben.

Was aber ist das geistige Band, das alle diese, genau diese und keine anderen zusammenfassen läßt? Diese im allge­meinen übergangene Frage läßt sich nach den Abbildungen 1 und 2 klar und kurz beantworten. Alle diese Aufgaben sind lösbar durch den gleichen Typ von Lösungsprozessen. Kern des Lösungs­prozesses sind Vergleichsprozeduren. Vergleichen bedeutet hier wie auch sonst nichts anderes als Feststellung von Ge­meinsamkeiten und Unterschieden. Die

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 2, 1993

Gemeinsamkeiten und Unterschiede be­ziehen sich entweder auf Merkmale von Objekten oder auf Relationen zwischen Objekten. Insofern geht es also darum, Gleichheit und/oder Verschiedenheit festzustellen und zwar im Hinblick auf Merkmale von Objekten oder im Hinblick auf Relationen zwischen Ob­jekten. Da Objekte nicht als Ganze glo­bal verglichen werden, sondern Merk­male oder Relationen vergleichend her­auszulösen sind, ist induktives Denken stets abstraktes Denken, selbst wenn es an konkreten Objekten geschieht.

Auf Einzelheiten der Definition der Aufgabenklassen und der Lösungsstra­tegie näher einzugehen, würde hier zu weit führen. Deshalb sei auf die Litera­tur verwiesen(z.B. Klauer 1989c, 1991). Dort findet man darüber hinaus Infor­mationen über die Realisierung der Auf­gabenklassen und Lösungsstrategien in den Trainingsprogrammen.

Im folgenden geht es nun im Sinne ei­nes Projekts der dritten Welle darum zu prüfen, ob das Training der Strategie des induktiven Denkens zu einem Trans­fer auf schulisches Lernen führt. Das soll bei älteren lernbehinderten Sonder­schülern und mit Hilfe des neuen»Denk­trainings für Jugendliche«(Klauer, im Druck) geschehen. Zu diesem Zweck wurden zwei Experimente durchgeführt.

Experiment Esser Methode

Versuchsplan. Die Versuche der drit­ten Welle, zu denen der vorliegende zählt, erfordern einen komplexen Ver­suchsplan. Da es hier darum geht, die Auswirkung eines Trainings auf nach­folgendes Lernen zu prüfen, ist zunächst ein regulärer Trainingsversuch vorzuse­hen und im Anschluß daran ein Lernver­such. Beide Versuche sind aber nach Transferplänen zu gestalten, um etwa­ige Transfereffekte zu sichern. Der Ge­samtversuch gliedert sich demnach in fünf Phasen, wie aus Abbildung 3 her­vorgeht. Die drei ersten bilden den Trai­ningsversuch, die beiden letzten den

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