Karl Josef Klauer
Denken und Lernen bei Lernbehinderten
Phase 1 Phase 2 EG: Prätest
KG: Prätest— Unterricht
Phase 3
— Denktraining— Posttest
— Posttest
Phase 4 Phase 5 — Mathe-Lektion—+ LOT
— Mathe-Lektion+ LOT
Abb. 3: Versuchsplan(LOT: Lehrzielorientierter Test Mathematik)
Lehr-Lern-Versuch(LOT= lehrzielorientierter Test).
Die Einzelheiten des Versuchsplans sollen nun in der Reihenfolge von Abbildung 3 kurz kommentiert werden.
Versuchspersonen. Am Versuch nahmen 36 Schülerinnen und Schüler einer 8. und einer 9. Klasse einer Schule für Lernbehinderte des Ruhrgebiets teil. Sie waren 15-16 Jahre alt. Neun der Jugendlichen hatten eine andere Muttersprache als das Deutsche, woraus sich allerdings keine Probleme ergaben. Wie üblich waren die Mädchen unterrepräsentiert, hier allerdings nur leicht.
In jeder Klasse wurden die Jugendlichen nach einem Zufallsverfahren auf eine der beiden Versuchsbedingungen verteilt.
Prätest und Posttest. Da eine Zufallszuweisung bei kleinen Gruppen zu leichten Mittelwertsunterschieden führen kann, wurde von vornherein geplant, einen Prätest zu geben. So lassen sich nicht nur Roh- oder Residualgewinne berechnen. Vielmehr können dann auch etwaige Prätestunterschiede kovarianzanalytisch berücksichtigt werden. Als Prätest wurde der Culture Fair Test CFT 20 von Cattell und Weiß erhoben, und als Posttest wurde derselbe Test wiederholt. Der Test besteht fast vollständig aus Aufgaben, die nach der Definition von Abbildung 1 zu den induktiven Aufgaben gehören. Außerdem gilt er als klassischer Indikator der fluiden Intelligenz g,. Prä- und Posttest wurden vom Leiter der Sonderschule erhoben. Er war nicht darüber informiert, welche der Schülerinnen und Schüler zur Trainings
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und welche zur Kontrollgruppe gehörten.
Denktraining und Unterricht. Während die Trainingsgruppen das Denktraining erhielten, setzten die Kontrollkinder den normalen Unterricht fort. Das Denktraining wurde in zwei Gruppen zu je neun Probanden durchgeführt. Ihm lag das »Denktraining für Jugendliche« zugrunde, das demnächst veröffentlicht wird (Klauer, im Druck). Es ist nach denselben Prinzipien wie die beiden vorhergehenden aufgebaut und umfaßt ebenfalls 120 Aufgaben, die in zehn Lektionen aufgeteilt sind. Die Aufgaben sind dem Alter und der Interessenlage der Jugendlichen angepaßt.
Es liegen noch nicht viel Erfahrungen vor mit dem gleichzeitigen Training einer solch großen Gruppe. Hier wurde versucht, durch einen angemessenen Wechsel der Arbeitsformen dennoch hinreichend günstige Trainingsbedingungen zu schaffen. Da vom Trainingsprogramm her jede Lektion mit der Einführung neuer Lehrinhalte beginnt und mit verschiedenen Wiederholungen zur Vertiefung und Festigung endet, lag es nahe, das Training ähnlich zu strukturieren. In den Einführungsphasen wurden die Jugendlichen frontal unterrichtet, zum Teil mit Unterstützung des OverheadProjektors, insbesondere zu Anfang auch mit Elementen des Modell-Lernens zur verbalen Selbstinstruktion versetzt. Dabei diente die Trainerin als Modell. Im Fortgang des Trainings konnten allerdings Aspekte des gelenkten Entdekkenlassens mehr und mehr an Gewicht gewinnen. Nach der Einführung folgte eine Erarbeitungsphase, die in kleineren Gruppen stattfand. In der Regel en
deten die Trainingssitzungen in Einzelarbeit. Hier bekamen die Jugendlichen Gelegenheit, die Übungsaufgaben selbständig zu bearbeiten, wobei sie Rückmeldungen und notfalls auch Hilfestellung erhielten.
Insgesamt waren die Schülerinnen und Schüler interessiert bei der Sache und motiviert. Allerdings war es nicht möglich, das Programm in zehn Sitzungen durchzuziehen. Die Zahl der Trainingsstunden wurde daher dem Bedarf entsprechend erhöht. Die Verteilung der Trainingsstunden sah so aus, daß pro Woche vier oder fünf Stunden gehalten wurden. Das Training war in allen Fällen nach drei Wochen abgeschlossen. Trainingsleiterin war die Diplompsychologin Uta Esser. Sie hatte vorher schon einmal ein Training durchgeführt, allerdings in der Realschule.
Die Lernphase Mathematik. Wenn man prüfen will, ob das Denktraining das Lernen fördert, ist es unerläßlich, eine Lehr-Lern-Phase an das Training anzuschließen. Nach Abschluß des Trainings wurden daher die Trainings- und Kontrollgruppe einer Klasse zu einer gemeinsamen Unterrichtsstunde zusammengefaßt. In dieser Stunde sollte ein Thema behandelt werden, das den Schülerinnen und Schülern noch nicht bekannt, aber prinzipiell zugänglich war. Außerdem sollte es nicht Gegenstand des Trainings gewesen sein, wohl aber induktiv trainierten Probanden die Möglichkeit bieten, im Wege des Transfers ihre neuen Fertigkeiten einzubringen. Als Thema wurde daher die Einführung in Operatoren gewählt, insbesondere der Mal- und Durch-Operatoren.
Operatoren stellen die Beziehung dar, die zwischen den Zahlen eines Zahlenpaars existiert. So verknüpft der»+ S«Operator die Zahlenpaare 2 und 7 oder 8 und 13. Das Finden und Vergleichen von Beziehungen zwischen den verschiedensten Objekten wird im Denktraining intensiv geübt, darunter auch bei Zahlen. Tatsächlich wird diese Leistung bei Zahlen auch im normalen Unterricht geübt, so etwa bei jeder Ergänzungsaufgabe wie etwa 8+?= 13 oder 7 x?= 35. Die Operator-Darstellung
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 2, 1993