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Entdeckenlassens systematisch in ihrer Wirksamkeit verglichen werden. Das sollte in Anlehnung an eine frühere Untersuchung bei Gymnasialschulkindern geschehen(Klauer 1992). Dort war im Anschluß an Überlegungen von Dörner (1976, 1979, 1982) eine selbstreflexive mit der paradigmatischen Trainingsmethode verglichen worden. Bei der selbstreflexiven Methode wird die Lenkungskomponenten sehr stark zurückgenommen. Die Probanden werden vielmehr angehalten, über ihr eigenes Vorgehen beim Lösen der Probleme vergleichend nachzudenken. Dabei wird angenommen, daß sie im Vergleich erfolgreichen und weniger erfolgreichen Vorgehens selbst erkennen, worauf es wann ankommt. So sollen sie das induktive Denken in seinen sechs Varianten anhand des strukturierten Trainingsmaterials auch auf induktive Weise erlernen. Es erscheint vielversprechend, auf diese Weise die Strategien des induktiven Denkens zugleich in induktiver Methode zu vermitteln. In der erwähnten Untersuchung im Gymnasium zeigte sich allerdings das paradigmatische Vorgehen als durchgängig überlegen.
Möglicherweise wurde das selbstreflexive Verfahren dort nicht angemessen realisiert. Da es außerdem keine erkennbaren prinzipiellen Gründe gibt, warum es nicht auch bei Lernbehinderten anwendbar sein sollte, wurde ein neuer Versuch unternommen.
Im Arbeitskreis von Dörner wurden die Selbstreflexionen durch nachträgliche Fragen über das eigene Vorgehen provoziert. Dieses Verfahren hatten wir ebenfalls in Klauer(1992) adaptiert. Alternative Möglichkeiten bestehen zunächst im Paartraining. Dabei übernehmen Probanden abwechselnd die Rolle des Problemlösers und des Kontrolleurs: Während ein Partner laut sprechend die Aufgabe löst, kontrolliert der oder die andere, und danach sprechen beide über das Vorgehen. Dadurch werden sie angehalten, über ihr eigenes Vorgehen zu reden, metakognitive Kenntnisse und metakognitives Vokabular zu erwerben und möglicherweise auch wichtige Entdeckungen zu machen(vgl. Lochhead
Karl Josef Klauer*
1985; Lipman 1985). Mündliche und schriftliche Äußerungen zum eigenen Vorgehen können ähnliche Wirkungen entfalten(vgl. Franzen& Merz 1976; Carlson, Goldman, Bollinger& Wiedl 1974). Diese Techniken mögen auch zu einem mehr reflexiven statt impulsiven Vorgehen führen(Wagner 1976). Deswegen interessiert weiterhin die Fragestellung, wie ein solches Training auf das Arbeitstempo wirkt.
Im vorliegenden Versuch wurden die genannten Techniken statt der nachträglichen Fragen eingesetzt. Zur Unterscheidung vom selbstreflexiven Vorgehen nach Dörner sei hier von der nichtdirektiven und der direktiven Trainingsmethode gesprochen. Einzelheiten dazu folgen weiter unten.
Methode
Versuchsplan. Der Versuchsplan entspricht mit einigen wichtigen Änderungen dem von Abbildung 3. Wir haben es jetzt mit drei statt mit zwei Versuchsgruppen zu tun:
— Nicht direktives Training, — direktives Training, — Unterricht statt Training.
Ferner kommt noch eine weitere Versuchsphase hinzu. Fünf Monate nach dem Abschluß des Versuchs wurden die Probanden erneut mit dem Intelligenztest und dem Mathe-Test untersucht. Schließlich wurde die Testzeit festgehalten, die die Probanden im Einzelversuch beim Prätest und beim Posttest des Intelligenztests benötigten.
Prä-, Post- und Retests. Als Intelligentests wurden diesmal die Standard Progessive Matrices von Raven(1938) eingesetzt. Sie wurden dreimal erhoben: Einmal vor dem Training, einmal unmittelbar danach und einmal rund fünf Monate später. Der Test besteht im wesentlichen aus Aufgaben zum induktiven Denken vom Typ der Systembildung (vgl. Abbildung 2).
Die Lehr-Lern-Einheit Mathematik entsprach der des oben geschilderten Experiments. Der lehrzielorientierte Mathe
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 2, 1993
Denken und Lernen bei Lernbehinderten
matiktest Operatoren war identisch mit dem bereits beschriebenen Instrument.
Lernphase und Mathe-Test. Hier gab es gegenüber dem oben dargestellten Versuch keine wesentlichen Abweichungen. Beim Retest nach fünf Monaten wurde die Lernphase nicht mehr wiederholt, sondern nur noch der lehrzielorientierte Test.
Versuchspersonen. Am Versuch nahmen 46 Probanden teil, 23 Schülerinnen und 23 Schüler einer Sonderschule für Lernbehinderte. Sie waren zwischen 13;8 und 17;5 Jahre alt. Etwa die Hälfte hatte eine andere Muttersprache als Deutsch, ohne daß dies zu Problemen geführt hätte.
Als Kontrollgruppe wurde eine intakte Schulklasse gewählt. Dies erwies sich als vorteilhaft, denn die Zuweisung zu einem Training kann ebenso wie die Nichtzuweisung Frustrationen auslösen. Auf diese Weise konnten störende Emotionen in der Kontrollgruppe vermieden werden. Die Probanden, die am Training teilnahmen, wurden aus anderen Klassen gezogen und den beiden Bedingungen zufällig zugewiesen.
Tabelle 2: Statistiken der beim Retest anwesenden und fehlenden Probandengruppen
SPM Vortest M s N Beim Retest anwesend 32,50 9,34 38 Beim Retest fehlend 32,13 4,19 8 Vortest insgesamt 32,43 8,63 46
Bei dem Retest nach fünf Monaten konnten acht der Schülerinnen und Schüler nicht mehr erfaßt werden. Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, unterschieden sich die anwesenden von den fehlenden Probanden nicht im Mittelwert des SPM Vortests. Der t-Test für heterogene Varianzen ergab ein t=-0,18 bei 44 Freiheitsgraden(p= 0,86). Es gibt also keine Anhaltspunkte dafür, daß durch den Ausfall von Versuchspersonen eine Verzerrung der zentralen Tendenz der Stichprobe stattgefunden hätte.
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