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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Karl Josef Klauer ­

Denken und Lernen bei Lernbehinderten

Nicht direktives Training

direktives Training

kein Training

Abb. 11: Transformierte mittlere Residualgewinne beim Mathe-Test nach fünf Monaten(Trans­formation: Residualgewinn+4) im Versuch Igelmund

aber eine theoretische Erwartung in die eine oder andere Richtung, wie gleich noch deutlich werden wird. Deshalb ist eine zweiseitige Fragestellung angezeigt. Und da hier nur zwei Signifikanztests anfallen, kann es bei der ansonsten recht konservativen@-Adjustierung nach Bonferroni verbleiben. In beiden Fällen wird demnach gegen das adjustierte 0* = 0,05/2= 0,025 getestet. So wird auch hier die Gesamt-Irrtumswahrschein­lichkeit von 5 Prozent nicht überschrit­ten.

Wie erinnerlich, wurden die Zeiten, die die Probanden sowohl beim Prätest als auch beim Posttest des SPM von Raven benötigten, im einzelnen festgehalten. Man könnte erwarten, daß die induktiv trainierten Probanden beider Trainings­gruppen nach dem Training besser mit Problemen dieses Typs zurechtkommen würden. Das könnte dann zu kürzeren Lösungszeiten im Posttest führen. Um­gekehrt wäre aber auch denkbar, daß die Probanden im Training erfahren hät­ten, wie leicht man voreilig zu falschen Schlüssen kommen kann und so insge­samt im Posttest reflexiver statt impul­siver vorgingen. Das würde längere Zei­ten erwarten lassen. Längere trainings­bedingte Zeiten würde man auch ver­muten, wenn die Probanden gelernt hät­ten, die Lösungs- und Kontrollstrategien konsequent anzuwenden.

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Tabelle 8 zeigt die mittleren Differenzen Posttest minus Prätest der in Minuten gemessenen Lösungszeiten beim Stan­dard Progressive Matrices Test von Ra­ven. Bei positivem Vorzeichen haben die Probanden im Mittel länger für den Posttest als für den Prätest gebraucht. Ein negatives Vorzeichen deutet umge­kehrt auf die Beschleunigung des Lö­sungsprozesses im Posttest hin. Wie man sieht, hat die Kontrollgruppe den Post­test deutlich rascher bearbeitet als den Prätest, während die beiden Trainings­gruppen im Durchschnitt ihr Arbeits­tempo sogar verlangsamten.

Da die Lösungszeiten und ihre Dif­ferenzen nicht normalverteilt sind, wur­de zur Signifikanzprüfung der u-Test von Mann-Whitney verwendet. Danach un­terschieden sich beide Trainingsgruppen nicht voneinander(p= 0,54), aber beide zusammen sind signifikant verschieden von der Kontrollgruppe(z=-2,53, p= 0,01<@*). Es steht also fest, daß das Training beider Varianten das Lösungs­

Tabelle 8: Mittlere Differenzen Posttest minus Prätest der Lösungszeiten in Minuten beim SPM

Nicht direktives Training(N= 16) M 0,75 s 6,51 Direktives Training(N= 14) M 2,43 s 8,47 Kein Training(N= 16) M-6,13 s 8,60

verhalten im Sinne einer Verlängerung der Lösungszeiten beeinflußt hat. Wäh­rend die Probanden der Kontrollgruppe bei der Wiederholung des SPM deutlich schneller wurden, ist das Gegenteil für die der Trainingsgruppen der Fall.

Diskussion

Zur Förderung der Denk- und Lern­leistung. Im vorliegenden Versuch wur­den die Leistungen im Intelligenztest wie die im Lehr-Lern-Versuch durch das Training deutlich und auch praktisch bedeutsam gefördert. Für die Denk­leistungen, wie sie die Tests von Raven oder vergleichbare Verfahren verlangen, wurde dies bereits oft nachgewiesen. Um so bedeutsamer ist aber der Befund, daß das schulische Lernen ebenfalls geför­dert worden ist. Dieser Nachweis konn­te hier zum ersten Mal bei lernbehin­derten Sonderschülern geführt und zu­gleich repliziert werden. Auf die Be­deutung dieser Ergebnisse wird unten im Rahmen der Gesamtdiskussion noch zurückzukommen sein.

Zur Wirkungsdauer der Trainings­effekte. Von einem einmaligen Training wird man, auch wenn es sich über ein paar Wochen erstreckt, keine langan­haltenden Effekte erwarten. Vielmehr wird man damit rechnen, daß das Er­lernte bald wieder vergessen wird, wenn es nicht zwischendurch gebraucht wird. Von daher überraschen die vorgelegten Befunde. In beiden Fällen, beim SPM wie beim Mathematiktest, wurden Ef­fekte noch nach fünf Monaten nachge­wiesen.

Dieser Befund steht allerdings nicht ein­zig da. Im Manual für das»Denktraining für Kinder II«(Klauer, 1991a, S. 56-59) konnte schon gezeigt werden, daß in den bislang überprüften vier anderen Fällen zumindest mittelfristige Effekte nachweisbar waren. Außer dem vorlie­genden Fall konnte noch nach

4 Monaten, 7 Monaten, 11 Monaten und 15 Monaten

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 2, 1993