Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
72
Einzelbild herunterladen

Ulrike Petermann- Schulen für Erziehungshilfe bzw. Verhaltensgestörte Schulen für Lernbehinderte: Ein Vergleich

len für Lernbehinderte in der zweiten Jahreshälfte 1992 befragt, und zwar Schulen der alten Bundesländer; beide Schultypen sollen in einem ersten Schritt gegenübergestellt werden; in einem zweiten Schritt soll aus den erzielten Ergebnissen eine Konzeption für eine eine Schule für Verhaltensgestörte skiz­ziert werden.

2. Kriterien einer Schule für Verhaltensgestörte

In der Regel sind Schulen für Ver­haltensgestörte in der Bundesrepublik Deutschland einem Heim zugeordnet (vgl. Petermann, 1993). Damit fallen sie in den Zuständigkeitsbereich des Kin­der- und Jugendhilfegesetzes($$ 28 bis 35 KJHG). Onnasch(1992) spricht in diesem Sinn auch von sonderpädago­gischen Förderzentren, in denen Erzie­hung, Unterricht und sonderpädagogi­sche Maßnahmen miteinander verknüpft sind(Hohwieler et al. 1992). Zur opti­malen Förderung des Schülers ist daher eine enge Kooperation von Heim und Schule und damit von Erziehern, Leh­rern und Sozialpädagogen unabdingbar (Meyer 1991). Dies bedeutet zum einen gemeinsame Erziehungsplanung und ­umsetzung. Eine solche Kooperation kann sich auch in der gemeinsamen Durchführung von Projekten und Ver­anstaltungen zeigen(Meyer 1991).

Ein Kriterium für die Aufnahme in die Schule für Verhaltensgestörte ist die durchschnittliche bis überdurchschnitt­liche Begabung des Schülers in Verbin­dung mit deutlichem Leistungsversagen (Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 17.11.1977). Als weiteres Kriteri­um gilt die Verhaltensstörung des Schü­lers, deren Symptome weder mit allge­meinen erzieherischen und unterricht­lichen Mitteln noch durch ambulante Hilfen abgebaut werden können. Solche Verhaltensstörungen sind nach Peter­mann und Petermann(1992a) beob­achtbare Verhaltensdefizite im Sinne mangelnder sozialer Kompetenz, die übergreifend und über einen Zeitraum von länger als einem halben Jahr auftre­ten.

72

Die personelle Ausstattung der Schule für Verhaltensgestörte mit Sonder­schullehrern ist nach Hohwieler et al. (1992) unzureichend. In Schulen für Verhaltensgestörte mit freier Träger­schaft unterrichten nur zu 40% dafür ausgebildete Sonderschullehrer. In ei­ner Schule für Lernbehinderte fanden Rodeck-Madsen und Gebbardt(1987) eine im Vergleich hierzu bessere Ver­sorgung von 66% ausgebildeten Son­derschullehrern.

Die Einführung einer Ganztagesschule in der Schule für Verhaltensgestörte ist wünschenswert: Hierdurch kann gewähr­leistet werden, daß die Schüler über ei­nen längeren Zeitraum einen sinnvollen und verläßlichen Rhythmus erfahren (Helbig 1988). Dieser sollte durch Re­geln strukturiert sein, welche für den ganzen Tag gelten(Petermann 1993). Tatsache ist, daß die überwiegende Mehrzahl der Schulen für Verhaltens­gestörte als Halbtagesschule geführt wird (Neuburger 1990). Zur Vermeidung von Orientierungslosigkeit und Unsicherheit sollte auf zu große Klassen verzichtet werden(Wolf& von Saldern 1989). Der Unterricht einer Schule für Verhaltens­gestörte sollte zudem durch Überschau­barkeit, Verläßlichkeit, klare und einfa­che Strukturen gekennzeichnet sein (Petermann 1993). Eine gleichbleiben­de Tagesorganisation sowie der konse­quente Gebrauch von Regeln und Ritu­alen ist hierbei essentiell. Solche Re­geln und Rituale besitzen eine Signal­funktion für wiederkehrende Situatio­nen und damit für Verhaltenserwar­tungen, die mit diesen Situationen ver­bunden sind(Kormann 1987). Bedeut­sam ist, daß diese Regeln jeweils wie­derholt, als klare Verhaltensanweisungen definiert(Herz 1988) und von den Schü­lern verstanden werden(Benner 1987). Rückmeldesysteme werden in der Schu­le für Verhaltensgestörte häufig einge­setzt(Havers 1981; Petermann 1993). Sie dienen nicht nur zur Leistungs­rückmeldung(Havers 1981; Faber 1990), sondern eignen sich zudem her­vorragend dazu, dem Schüler Rück­meldung über sein eigenes Verhalten zu geben und ihm so Orientierung zu ver­mitteln(vgl. Petermann& Petermann

1993). Rückmeldesysteme arbeiten un­ter Zuhilfenahme von Protokollbögen und Tagebüchern, in denen der Schüler seine erbrachte Leistung einträgt, so daß es möglich wird, ihm darüber konkrete Rückmeldung zu geben. Rückmelde­systeme wirken in diesem Sinn auch motivationssteigernd. Mangelnde Lei­stungsmotivation ist ein häufiges Cha­rakteristikum verhaltensgestörter Schü­ler(Beschluß der Kultusministerkon­ferenz vom 17.11.1977). Motivations­steigernd wirken hierbei u.a. anspre­chend gestaltete und damit motivieren­de Arbeitsmittel(Richter 1987), die For­derung täglicher Mindestleistungen so­wie das Einführen dosierter Schwie­rigkeitsstufen. Die Aufgabenstellungen sollten erfaßbar und lösbar sein(In­genkamp 1992). Auf die geringe psy­chische und physische Belastbarkeit der Schüler sollte durch anfangs kurze Arbeitsintervalle eingegangen werden (Kormann 1987).

Als Ergänzung zu den unterrichtlichen Maßnahmen werden vielfach zusätzli­che kurzfristige Fördermaßnahmen zum Abbau von abweichendem Lern- und Sozialverhalten gefordert(Rodeck-Mad­sen& Gebbardt 1987). Hierzu eignen sich beispielsweise die Trainings von Petermann und Petermann(1993; 1992a; 1992b), die dem Abbau aggressiven oder sozial unsicheren Verhaltens bei Kin­dern und Jugendlichen dienen. Für aufmerksamkeitsgestörte Kinder emp­fiehlt sich ein Training von Lauth und Schlottke(1993).

An Schulen für Verhaltensgestörte ist Elternarbeit eine notwendige Ergänzung zu den unterrichtlichen und therapeuti­schen Maßnahmen(Rodeck-Madsen& Gebbardt 1987). Ziel der Elternarbeit ist u.a. die Veränderung des negativen Selbstbildes der Eltern(Krupitschka 1990). Hilfe zur Selbsthilfe sowie Moti­vation zur aktiven Mitarbeit in dem schulischen Erziehungsprozeß stellen weitere Ziele dar(Perrez et al. 1985). Handlungsanweisungen für die Eltern­arbeit können dem Konzept zur struk­turellen und direktiven Elternberatung von Petermann und Petermann(1993) entnommen werden. Wesentliche Prinzi­pien sind:

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 2, 1993

RE