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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Manfred Spindler+ Leben im Heim

Die Differenzialanalyse von 5 Fällen, die vor der Vollendung des zweiten Lebensjahres im Heim untergebracht wurden zeigte, daß auch diese Kinder ihren Angehörigen auf das engste ver­bunden sein können oder Wunsch­phantasien nach einem Elternpaar ent­wickeln können, das nie erlebt wurde. Da all diese Zöglinge über die Jahre Verbindung zu Angehörigen beibehal­ten konnten, wurde diese familien­spezifische Verbundenheit also während des Heimaufenthaltes noch entwickelt oder erreichte in schon sehr frühem Al­ter hohe Stabilität.

Soziales Klima (Fragebogenergebnisse)

In beiden Heimen wird von Zöglingen wie Betreuerinnen einbeziehungsori­entiertes Milieu erlebt, geprägt von Schwerpunkten in den Beziehungsdi­mensionen Beteiligung und Unterstüt­zung, sowie hoher praktischer Orientie­rung, Ordnung, Organisiertheit und Klar­heit, sowie einem niedrigen bis mittle­ren Maß erlebter Kontrolle(Moos 1975). Der offene Meinungs und Gefühlsaus­tausch(Expressivität) erscheint nicht als ein Schwerpunkt der Beziehungsdi­mension. Hinsichtlich der Dimensionen, welche die Art der persönlichen Ent­

Tab. 5: Soziales Klima

wicklungsmöglichkeiten im Erziehungs­programm ausdrücken, wie persönliche Reife und Entwicklung erzielt werden soll, sind lebenspraktische und religiös­moralische Orientierung betont. Intel­lektuell-kulturelle Themen und die per­sönlichen Probleme einzelner treten eher in den Hintergrund. Im Bereich aktive Freizeitgestaltung, dessen Items auch die Außenanbindung messen, werden die in der Befragung ebenfalls erkannten Un­terschiede zwischen den Heimen deut­lich, nämlich das höhere Maß an Mög­lichkeiten in Heim L, in der Freizeit Verbindungen zur Umwelt zu unterhal­ten.

Innerhalb Heim S wird von den Zög­lingen Expressivität deutlich niedriger erlebt(iti= 3,27, p= 0,01) und die intel­lektuell-kulturelle Orientierung leicht höher(iti= 2,00, p= 0,10) eingeschätzt als von den Betreuerinnen.

Innerhalb von L werden Beteiligung (iti= 2,92, p= 0,01) und Autonomie (ti= 2,41, p= 0,05) von den Betreuer­innen niedriger eingeschätzt als von ih­ren Zöglingen.

Im Vergleich der Betreuerinnen beider Einrichtungen ergeben sich nur im Be­reich Expressivität signifikante Unter­schiede,(iti= 2,35, p= 0,05) welche in S höher eingeschätzt wird.

Zwischen den Heimen finden sich bei den Angaben der Zöglinge mehr signi­

Heim S Heim L Betreuer Zöglinge Betreuer Zöglinge N=S N=12 N=S5 N=13 M gl M 8 M y M sl Beziehungsdimensionen Beteiligung 3.40.80 3.33 ‚61 3.00 ‚503.77.19 Unterstützung 3.80 20 23.75 20 3.20 1M0+ 392 ‚08 Expressivität 3.60 30 1.92 2.45: 2.20 1.70: 277: 36 Reife- und Entwicklungs­dimensionen Autonomie 2.80 20. 2.33 1.33. 2.20 ‚70 3.0033 Praktische Orientierung 3.40 ‚30 23.42 ‚99 2.80 1.70 23.54 ‚60 Problemorientierung 2.80 1.20 1.921.172:80 0 EZ ES intell.-kulturelle Orient. 1.60 30 Z2T5 348 4 Y60 180 6241,26 Aktive Freizeitgestaltung 1.80 1.20 92 nl] li 2:20, 270-0 254 ES Moralisch-religiöse Betonung 3.40 ‚30 3.92 ‚08 3.00.50 2.85.81 Systemerhaltungsdimensionen Ordnung und Organisation 2.60... 2.30 2.67: 1.10. 3.00: 1.00 3.85.14 Klarheit 4.00.00 3.92 ‚08 23.60 80°331 ‚40 Kontrolle 1.40 ‚80 2.1770: 1.40 302131 23 86

Tab. 6: Subgruppenvergleiche

Zöglinge Heim S<> Heim L kl P Beziehungsdimensionen Beteiligung 1.12* nS. Unterstützung u n.S. Expressivität 1.58 n.s. Reife- und Entwicklungs­dimensionen Autonomie 1.82*.10 Praktische Orientierung35 n.S. Problemorientierung ‚68 n.S. intell.-kulturelle Orient. 2.47 ‚05 Aktive Freizeitgestaltung 4.22 ‚001 Moralisch-religiöse Betonung 14.07*001 Systemerhaltungsdimensionen: Ordnung und Organisation 3.02*.01 Klarheit 3:15*.01 Kontrolle 1.40*.01

* t-Test nach WELCH für nicht-homogene Va­rianzen(vgl.Clauß& Ebner 1989)

fikante Unterschiede als bei den Betreu­erinnen(vgl. Tab. 10): In Heim L wird ein leicht höheres Maß an Autonomie erlebt, niedrigere intellektuell-kulturel­le Orientierung, mehr Möglichkeiten im Bereich aktive Freizeitgestaltung, gerin­gere Betonung der Religiosität, ein hö­heres Ausmaß an Ordnung und Organi­sation, ein niedrigeres an Klarheit, so­wie geringere Kontrolle durch das Per­sonal. Die Klimaprofile der beiden Sub­gruppen korrelieren dennoch signifikant ((R= ‚55, p:.05;(Spearmansche Rang­korrelation)).

Trotz Unterschieden in Teilbereichen werden die Milieus in ihrer Gesamtheit also sehr ähnlich erlebt.

Diskussion

In Heim S werden jüngere Kinder ein­gewiesen oder aufgenommen als in Heim L(vgl. Tab. 1). Bedingende Faktoren können bei den einweisenden Stellen oder der Aufnahmevorliebe der Heime gesucht werden oder auch in der Situa­tion der Jugendhilfe im jeweiligen Ein­zugsgebiet der Heime. Möglicherweise ist z.B. im Einzugsbereich der in L be­vorzugt einweisenden Jugendämter das Pflegekinderwesen besser ausgebaut, So daß Vorschulkinder eher in Familien ver­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 2, 1993