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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Wolfram Kinze und Harald Barchmann*

nungstraining konnte Schmidt(1990) folgende klinische Erfahrungen objek­tivieren:

Über die erlernteSelbstruhigstellung mit dem angenehmen Erleben der Ent­spanntheit können auch bei jüngeren Schulkindern mit ausgeprägten Lei­stungs- und Verhaltensschwierigkeiten Änderungen von Verhaltens- und Er­lebensweisen erreicht werden. Von ih­ren Lehrern und Erziehern werden die mit der PMR behandelten Kinder an­schließend als sozial angepaßter und erzieherisch besser führbar eingeschätzt, wobei sich die Verbesserungsraten auch hierbei um 1 bis 2 C-Werte bewegen. Werden im Ablauf der stationären Be­handlung PMR und KTP kombiniert ein­gesetzt, werden die günstigen Effekte im Sozialverhalten der Kinder durch Steigerungen der Konzentrationslei­stungen ergänzt.

Die Möglichkeiten der Pharmakothe­rapie zur Behandlung von Leistungs- und Verhaltensschwierigkeiten im Kindes­alter sollten kritisch geprüft, nicht aber apodiktisch verurteilt werden. Umfang­reiche klinische Erfahrungen(Überblick s. Nissen u.a. 1984) ermöglichen einen sachgerechten, der individuellen Situa­tion angemessenen Umgang mit diesen Präparaten.

Eigene FEffektivitätsuntersuchungen (Kinze, 1986) belegen, daß mit Sti­mulantien Tempo bzw. Leistungsmenge bei Konzentrationsaufgaben meßbar er­höht werden, ohne daß die Fehlerrate steigt. Soll die Fehlerquote gesenkt wer­den, sind übende Verfahren erforder­

Literatur

lich. Im Verhalten werden die meisten Kinder gerade auch die hyperkine­tischen noch lebhafter und häufig auch noch impulsiv-ungesteuerter, Der paradoxe Effekt im Sinne einer Dämp­fung hyperkinetischen Verhaltens durch Psychostimulantien ist nur in Ausnah­mefällen objektivierbar.

Zur Beeinflussung hyperkinetisch-ag­gressiver Verhaltensstörungen sind nied­rig dosierte Neuroleptika besser geeig­net, sie führen zu psychometrisch faß­barer Verringerung der psychomotori­schen Unruhe und der affektiven Stör­barkeit, allerdings etwas zu Lasten der Konzentrationsleistungen, so daß auch hier flankierende Übungsbehandlung notwendig ist.

Zusammenfassende Schlußfolgerungen

Das Bedingungsgefüge kindlicher Lei­stungs- und Verhaltensstörungen ist im allgemeinen so vielschichtig, daß Dia­gnostik und Therapie schon aus Grün­den der Ökonomie nur Einzelaspekte herausgreifen können.

Für die Therapieführung ist es sinnvoll, diese Schwerpunkte alsZielsyndrome zu formulieren, um daran die verfügba­ren Therapiemöglichkeiten ausrichten und bezüglich ihrer Effektivität über­prüfen zu können. In der Praxis wird es sich stets um ein Bündel von Maßnah­men handeln, das therapierelevante Dia­gnostik und Beratung umfaßt, vor allem aber auf Modifikationen im Leistungs­

Kinderpsychiatrische Erfahrungen mit der Behandlung von Störungen der Konzentrationsfähigkeit

und Sozialverhalten des Kindes ausge­richtet ist. Hierfür haben sich verschie­dene Trainingsprogramme als praktika­bel und effektiv erwiesen. In ihren ur­sprünglichen Zielstellungen sind sie auf bestimmte Leistungs- bzw. Verhaltens­störungen ausgerichtet, bei entsprechend umfangreichen klinischen Effektivitäts­untersuchungen ergeben sich jedoch übergreifende Wirkungen auch auf je­weils andere Bereiche.

Kombinationen unterschiedlicher Ver­fahren erwiesen sich als sinnvoll, wenn sowohl das Leistungs- wie auch das Sozialverhalten gezielt beeinflußt wer­den sollen.

Auch eine zielsyndromorientierte Phar­makotherapie kann rasch und wirksam helfen, sollte jedoch stets durch übende Verfahren ergänzt werden.

So beruhen die therapeutischen Mög­lichkeiten zur Leistungssteigerung und Verhaltensstabilisierung bei Kindern zu­meist auf einer Kombinationsbehand­lung. DiesePolypragmasie sollte aber nicht als Ausdruck therapeutischer Kon­fusion mißverstanden werden, sondern zu einem kritischen, an der individuel­len Situation des Kindes ausgerichteten, alle verfügbaren Therapiemöglichkeiten einbeziehenden Vorgehen auffordern. Klar strukturierten Trainingsprogram­men kommt dabei eine zentrale Bedeu­tung zu, zumal sich über die zwangsläu­fig damit verbundene intensive Zusam­menarbeit eine tragfähige Therapiebe­ziehung aufbauen läßt, die dann auch übergreifende Therapieeffekte ermög­licht.

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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993