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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Hyperaktive Verhaltensweisen bei Kindern und Möglichkeiten einer verhaltenstherapeutischen Intervention bei ihren Eltern

Von Ingeborg Wagner, Christian Kellner, Magdalene Kellner, Karin Kröger

und Angelika Skupnik-Henssler*

Es wird über eine Reihe von vier aufeinander aufbau­enden Untersuchungen berichtet, deren Ziel es war, verhaltenstherapeutische Hilfen für verbesserte Inter­aktionen in Familien mit einemhyperaktiven Kind zu entwickeln. Zunächst werden medizinische und lern­psychologische Erklärungsansätze für dasHyperakti­vitäts-Problem kurz diskutiert. Aus der hier bevorzug­ten sozialwissenschaftlich-lerntheoretischen Position heraus werden Thesen zur Definition und zur Erklärung und Modifikation hyperaktiver Verhaltensweisen ab­geleitet. Auf den Annahmen über eine interaktions­genetische Entstehung hyperaktiver Verhaltensweisen gründen das methodische Vorgehen bei der Analyse von Eltern-Kind-Interaktionen und die Hypothesen zur mög­lichen Veränderung der störenden Verhaltensweisen durch Beeinflussung der Interaktionen. Als Beispiel wer­den Ergebnisse der Beobachtung einer Mutter mit ih­rem Sohn beim Hausaufgabenmachen und Ergebnisse des Elterntrainings exemplarisch dargestellt, analysiert und im Kontext zweier weiterer Einzelfallstudien disku­tiert. Die Möglichkeiten einer Durchführung von Eltern­trainings in Gruppen werden geprüft.

This paper discusses a series of three successive expe­riments which were planned to develop better inter­actions in families with ahyperactive child by means of behavior therapeutic training. First, medical and learning aspects of thehyperactivity problem are briefly discussed. It is shown how the conceptualiza­tions of social learning theory can be used to derive hypotheses in order to define, explain, and modify hyperactive behaviors. Assuming that the development of hyperactive behavior is influenced by family inter­actions, it is argued that parent-child-interactions have to be analysed in order to eventually change the sym­ptoms by changing the family interactions. As an example, results of observing a mother and her son in the situation of doing homework together are presented. The training results are briefly demonstrated and discussed in the context of two prior similar training experiments. We finally examine the question of how to train parents in small groups.

Einleitung: medizinische und lernpsychologische Erklärungen

Es wird hier auf eine ausführlichere Dis­kussion desHyperaktivitäts-Begriffs und verwandter Begriffe verzichtet (vgl. dazu Skupnik-Henssler 1981 und

* Diese Zusammenfassung wurde von der seiner­zeitigen Betreuerin der pädagogischen Diplom­arbeiten der vier Koautoren, I.W., verfaßt. Die­se entwickelten ihre Konzepte und Methoden im Rahmen einer privaten Ausbildung in Verhal­tenstherapie. Die Ergebnisse ihrer Literaturarbeit und der Theorie-Diskussionen sind in der Ar­beit von Skupnik-Henssler(1981) niedergelegt.

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z.B. Steinhausen u.a. 1982; Voss 1990; Barchmann et al. 1991). Wir gehen aus ökonomischen Gründen lediglich auf die theoretische Begründung der eigenen verhaltenstherapeutischen Vorgehens­weisen ein, die allerdings auf sehr in­tensiven Auseinandersetzungen mit der

Die Veränderungen ihres Problembewußtseins unter dem Eindruck ihrer Praxiserfahrungen aus drei sukzessiv angelegten Fallstudien und die Entwicklung ihrer Diagnose- und Interventions­methoden sind in den Arbeiten von M. Weber (verh. Kellner), K. Kröger und C. Kellner(alle 1981) dokumentiert. Mehrere meist leicht um­formulierte Übernahmen aus den Einzelarbeiten

großenteils amerikanischen Literatur be­ruht(Skupnik-Henssler 1981) und wei­terhin volle Gültigkeit beanspruchen kann(vgl. z.B. Bauer 1986).

Skupnik-Henssler(1981) stellt zumHy­peraktivitäts-Problem die Implikatio­nen desMedizinischen Erklärungs­

wurden im Text nicht eigens kenntlich gemacht. Wegen der bleibenden Aktualität der Proble­mehyperaktiver Kinder(Czerwenka u.a., im Druck) und auch der theoretischen Kontrover­sen ist noch eine ausführlichere gemeinsame Publikation der Untersuchungen vorgesehen (Wagner u.a. in Vorb.).

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIX, Heft 4, 1993