Erwerb und Generalisation von lebenspraktischen Fertigkeiten bei geistig- und mehrfachbehinderten Menschen— eine Meta-Analyse
Von Wolfgang Plaute
Trainingsprogramme für lebenspraktische Fertigkeiten gewinnen nicht zuletzt durch die Diskussion um die Integration geistig behinderter Menschen in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. In einer MetaAnalyse werden 32 Studien zu diesem Thema integriert. In den meisten Fällen handelt es sich um Einzelfalluntersuchungen mit Multiple-Baseline-Design. Für jede Primärstudie werden Effekt-Stärken berechnet. Der Zusammenhang mit methodischen und inhaltlichen Variablen wird diskutiert. Ausgehend von den Ergebnissen werden mögliche methodische und pädagogische Konsequenzen besprochen.
In the last years trainingsprograms for community and living skills gain in importance in special education. In a meta-analysis we integrated 32 primary studies. Allof the Studies deal with trainingsprograms and most of them use single-subject-design with multiple baselines. Tocompare and integrate the results of these studies we calculated effect-sizes. In statistical analysis we analysed these effect-sizes in comparison with different methodical variables. The discussion shows several pedagogical and methodical consequences of the results.
Einführung
In den letzten zwanzig Jahren wurden besonders in den USA verstärkt Anstrengungen unternommen, um geistig behinderte Menschen auf die Situationen vorzubereiten, die ihnen im täglichen Leben in der Gesellschaft begegnen können(z.B. Einkaufen in Supermärkten, Freizeitaktivitäten, Busfahren, Erledigungen in Bank oder Post). Dazu wurden in verschiedenen Studien unterschiedliche Trainingsformen vorgestellt, die sowohl den Erwerb dieser Fertigkeiten als auch die Generalisation auf nicht-trainierte Situationen ermöglichen soll(vgl. Übersicht bei Snell& Browder 1986; Westling& Floyd 1990). Dabei kommen verschiedene Trainingsmethoden bzw. Kombinationen von diesen zum Einsatz(vgl. auch Tab. 1):
In-Vivo-Training: das Programm wird direkt am Ort(z.B. Geschäft, Restaurant) in der Öffentlichkeit durchgeführt. Simulationstraining: das Training wird an einem simulierten Ort(z.B. Restau
rant wird in der Klasse nachgebildet) trainiert.
General-Case-Methode: das Verhalten wird an einem oder mehreren typischen Vertretern(Prototypen) erlernt(vgl. Horner et al. 1986; Westling& Floyd 1990).
Die meisten Trainingsverfahren wurden in Einzelfalldesigns geprüft. Dadurch ergibt sich die Schwierigkeit, wie die Ergebnisse der Untersuchungen, die meist nur in Form von graphischen Verläufen dargestellt sind, zusammengefaßt werden können, um allgemeinere Aussagen zutreffen(vgl. Corcoran 1985; Jayaratne et al. 1988; White et al. 1989).
In diese Untersuchung werden die Primäruntersuchungen quantitativ ausgewertet, wobei für jede Studie EffektStärken berechnet werden(vgl. Gingerich 1984; White et al. 1989). Danach werden diese Effekt-Stärken in einer Meta-Analyse untersucht(vgl. Glass et al. 1981; Hunteretal. 1982; Wolf 1986; Drinkmann 1990). In weiteren Analysen wird der Zusammenhang zwischen den Effekt
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1992
Stärken und weiteren Variablen der Primärstudien(u.a. Alter und Intelligenz der Versuchspersonen, methodische Merkmale der Untersuchungen, Art des Trainings) dargestellt. Abschließend werden die Ergebnisse im Licht von theoretischen und methodischen Problemen diskutiert.
Auswahl der Studien
In einer Untersuchung von Westling& Floyd(1990) wurden 27 Studien, die genau diese Fragestellung betreffen, inhaltlich analysiert. Dabei wurden weder quantitative Aussagen getroffen, noch wurde versucht, die einzelnen Ergebnisse zueinem quantitativen Gesamtergebnis zu integrieren. Westling& Floyd(1990) arbeiteten verschiedene methodische Parameter heraus, die charakteristisch für die jeweilige Studie waren, und diskutierten diese. Einige dieser Parameter (Anzahl der Generalisationssettings, Setting-Unterschiede, Vortest der Generali
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