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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Wolfgang Plaute+ Lebenspraktische Fretigkeiten bei Geistig- und Mehrfachbehinderten

die Werte in der Baseline(X) sind sehr gering, häufig gleich Null!

Die Werte nach dem Training(X) sind sehr hoch, häufig bei 100% der erwünschten Leistung;

die Varianz ist vor allem in der Base­linephase, aber auch nach dem Treat­ment sehr gering(d.h. vorher sind alle schwach, nachher allehervorra­gend).

Daraus ergibt sich mathematisch ein ho­

her Wert für die Effekt-Stärken. Nun

stellt sich die Frage, welche inhaltlichen

Gründe dies haben kann?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage

setzt sich aus einer Summe von Bedin­

gungen zusammen: In der Erziehung gei­stig behinderter Menschen wird offen­sichtlich immer noch zu wenig Augen­merk auf derartige Inhalte gelegt, was sich in den extrem schwachen Leistun­gen in der Baseline-Phase ausdrückt. Frühzeitiges, schrittweises Vorbereiten auf Situationen im öffentlichen Leben fehlt häufig. Obwohl nun die angespro­chenen Inhalte in den Trainingsprogram­men relativ einfach sind, fehlt meist je­des Vorwissen. Daher erreichen geistig behinderte Menschen in der Baseline­phase nahezu keine Leistung und beherr­schen die Fertigkeit nach dem Training fastperfekt. Nun auf dieses Wissen mit komplexeren Anforderungen aufzubau­en, wäre die richtige Strategie und würde auch nicht mehr so hohe Effekt-Stärken bringen. In Untersuchungen, in denen bereits aus den Baselinedaten Vorkennt­nisse erkennbar sind(vgl. Westling et al. 1990), kann dies beobachtet werden.

d) Was bedeutet der Zusammenhang zwischen der Anzahl von Generalisationssettings und dem Leistungsabfall von Trainings­zu Generalisationssituation?

Wie kann der Zusammenhang zwischen Intelligenzquotient und Leistungsabfall erklärt werden?

Die Daten zeigen, daß der Leistungs­rückgang von der Trainings- auf die Gene­ralisationssituation geringer ist, wenn die Generalisation in mehreren Situationen geprüft wurde. Wird also in einem kon­

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kreten Training Wert darauf gelegt, daß Generalisation eintritt, sollte diese unbe­dingt in mehr als einer Situation über­prüft und bei Bedarf trainiert werden (vgl. Westling& Floyd 1990). Jede Lei­stungsüberprüfung in einer realen Situa­tion hat gleichzeitig auch einen Trai­ningswert, wodurch sich die Gesamtlei­stung auch durch Überprüfungen erhöht. Die zweite Frage ist ungleich schwieri­ger zu beantworten, da die Ergebnisse zunächst sehr ungewöhnlich sind. Je hö­her der IQ, umso höher ist der Leistungs­abfall zwischen Erwerb und Generalisa­tion. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß nur bei 17 Studien sowohl der IQ der Versuchspersonen als auch die Effekt­Stärke 3 vorliegen. Außerdem wird der durchschnittliche IQ der Versuchsperso­nen verrechnet, wodurch die Streuung innerhalb der einzelnen Studien verlo­rengeht. Zwei mögliche Gründe für die­ses Ergebnis sind daher in jedem Fall nur spekulativer Art:

je höher die Intelligenz der Versuchs­personen ist, desto mehr Faktoren(u.a. Umgebungsvaraiblen), die über das ei­gentliche Trainingsprogramm hinausge­hen, haben einen Einfluß auf das Ergeb­nis(z.B. ein Produkt aus der Fernseh­werbung lenkt einen geistig behinderten Menschen mit niederem IQ weniger ab, als einen geistig behinderten Menschen mit höherem IQ). Daher wird die Kon­zentration auf die gelernten Inhalte bei Personen mit höherem IQ in neuen Situationen leichter gestört, als bei Per­sonen mit geringerem IQ.

Personen mit höherem IQ sind eher mit Situationen des öffentlichen Lebens vertraut als schwer- und schwerst-behin­derte Menschen. Bei Menschen mit ei­nem niederen IQ ruft unter Umständen schon allein die Tatsache, an einem der­artigen Programm teilnehmen zu kön­nen, eine besondere Motivation hervor. Möglicherweise strengen sich daher Men­schen mit geringerem IQ in einem derar­tigen Training mehr an und nehmen dies auch ernster, als dies Personen mit höhe­rem IQ tun.

Was nun auch der wirkliche Grund für dieses Ergebnis sein mag, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden und bleibt

Frage für weitere empirische Untersu­chungen.

e) Kritische Überlegungen zur Art des Trainings!

Wie die Analysen zeigen, haben die me­thodischen Variablen keinen Einfluß auf die Leistung nach dem Training. Theore­tische Überlegungen(vgl. Westling& Floyd 1990) legen allerdings nahe, daß zumindest die Art des Trainings einen wichtigen Einfluß auf den Erfolg des Treatments haben sollte. Die meisten Studien, die den Erfolg der einzelnen Methoden miteinander vergleichen, kom­men zu dem Ergebnis, daß In- Vivo-Trai­ning einem reinen Simulationstraining überlegen ist(vgl. Marchetti et al. 1983; Marchettietal. 1984). Daß dieses Ergeb­nis in dieser Studie nicht gezeigt werden konnte, hat zwei Gründe:

Anzahl der Studien und Kodierung der VariableTraining: Bei den 32 untersuchten Studien wurde nur in drei Fällen reines Simulationstraining an­gewendet(vgl. Aeschleman et al. 1984; Shafer et al. 1986; van den Pol et al. 1981). In weiteren drei Studien wurde Simulationstraining gegenüber In- Vivo­Training untersucht(vgl. Marchetti et al. 1983; Marchetti et al. 1984; Neef et al. 1978); in diesen Studien konnten die Daten jedoch nicht getrennt ausgewertet werden, da die Anzahl der Meßpunkte zu gering war. Die zusammengefaßten Da­ten wurden somit der GruppeKombina­tion aus Simulation und In-Vivo zu­gerechnet.

Messung des Effektes bei reinem Simu­lationstraining: Auch die drei Studien, die reines Simulationstraining vorgeben, prüfen ihre Effekte mehrfach in-vivo. So prüften Aeschleman und Kollegen(1984) die Trainingsleistung während des Trai­nings und drei Mal nach Beendigung des Trainings in einem natürlichen Setting (zwei, acht und 20 Wochen nach Been­digung), ebenso wurde von Shafer und Kollegen(1986) das simulierte Training vor, während und nach dem Training in natürlicher Umgebung getestet und auch van den Pol und Kollegen(1981) prüften

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIII, Heft 1, 1992