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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Reinald Zuleeg+ Die Levanaschulen in Nürnberg

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Die Levayaklulen in Nürnberg.

Programm.

Unter öffentlides Schulwejen hat im Allgemeinen mit den Kulturfortfhritten der Zeit nicht gleichen \ Schritt gehalten und fteht in vielfadger Beziehung zu den Bedürfniffen der Kndliden Natur in vollem Wider fpruche. Die Levanajhulen find aus diefer Erkenntnip hervorgegangen und daher das natürlide Ergebnif einer Dppofition gegen die naturwidrige und die der Natur des Kindes und den Kulturforderungen der Zeit entfrembdete Erziehung.;

Der theoretifhe Unterricht ift in den Levanajchulen mit praktijdH-darftellenden Arbeiten in organifdhe Verbindung gejeßt. Durch die Formenarbeiten, welde Auge und Hand bilden, wird der Formen: und Farbenfinn des Kindes entwidelt, deffen Auffaffungsfähigleit und praktijdhe Combinationsgabe geübt. Außerdem ift die Gartenarbeit, weldje mit regelmäßigen Wanderungen in Zufammenhang fteht, von großer erzieherifcher Bedeutung. Hierzu kommt daz gymnaftijde oder Bewegungsfpiel, das rhytmijhe und mimifhe Singfpiel, in wel em das Kind zum freien Gebrauche feiner Glieder gelangt und zu fhönen und anmuthigen Bewegungen be: fähigt wird.

Grit dur die folgerichtige Ausbildung des Kndliden Thätigkeit8: und Darftelungstriebe8 zu produfk: tiven Vermögen erhält das theoretifjhe Wifjen des Kindes Leben und Tiefe und gewinnt derpraktijde Sinn eine edle Form und RNidhtung. Ohne die ausdrüclidhe Befähigung des Kindes zur fhönen Tonäußerung in Wort und Lieb, zur fhönen Darftellung in Form und Farbe und zur fhönen Beweglichkeit ift die Erziehung eine Lüge, unter deren verdedendem Scheine das hHandwerksmäßigeAbrichtungsgefhäft fortwuchert und bie ganze Erziehung ein raffinirter Betrug bleibt, der an der Jugend auf Koften des focialeu. Fortfhrittes und her indivi: duellen Leiftungs: und Genufsfähigkeit verübt wird. BZ)

Die Nürnberger Levanafjdhulen umfaffen vorerft:

I. Den Kindergarten; IL Die Elementarfhule für Knaben und Mäddhen, und II. Die Schule für die Frauenarbeit.

° I. Der. Sevanakindergarten

nimmt Kinder im Alter von drei bi8 zu fieben Jahren auf und hat zwei Abtheilungen,

In der erften Abtheilung für das Alter von drei bis fünf Jahren find die geregelten Be: jhäftigungen: Bauen, Täfelden:, Ringe: und Stähdhenlegen; Kugelrollen, Balfangen, Bewegungs: und Sing: fpiele. Das zufammenhängende Spredhen wird beim Bildbetrachten, dem Erzählen und Wiedererzählen von HNeinen Märchen und Thiergefdhichten geübt. Einfache Liedbchen werden gefungen und volksthümlide Kinderreime und Sprüche gelegentlich gelernt.

Keine Befchäftigung und kein Spiel dauert über eine halbe Stunde. An der Gartenarbeit nehmen die Kinder zufehend und fpielend Theil, wie überhaupt der Kindergarten für das freie Spiel genügendes Material darbietet.

In der zweiten Abtheilung befinden fih die. Kinder im Alter von fünf bis zu fieben Jahren.

Die Folge der Spiele und Befchäftigungen wird hier regelmäßiger; das Bauen, Täfelden:, Ringe: und Stäbhenlegen wird fortgefegt; hierzu kommen: das Flechten, Durchftehen, Ausnähen und Bildausfcdhneiden, die Stiftübung und das Thonformen.

Die Bewegungs: und Singfpiele bleiben diefelben wie auf der erften Stufe, nur werden freiere und Fräftigere Bewegungen in Anfpruch genommen.;'

Das Erzählen und Wiedererzählen{chließt fid an die Bejhäftigungen und an die Märchen:, Thier: und Arbeitsbilder, die betrachtet werden, an. Kleine Reime und Sprüche werden gemerkt, Das Bählen und Mefjen beim Bauen, Stäbehenlegen und Flechten genügt zur Uebung des Zahlenfinnes und der Auffaffung von Größen: verhältnifjen. Die Theilnahme an der Gartenarbeit ift geregelt; die einzelnen Kinder belommen"fhon Beetchen,

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIII, Heft 1, 1992 47