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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

fähigkeit; Band 6: Zentrale Sprach- und Sprechstörungen; Band 7: Stimmstörungen; Band 8: Sprachstörungen in Verbindung mit anderen Störungsbildern.

Axel Kürvers

Wild, Klaus-Peter. Identifikation hochbe­gabter Schüler. Lehrer und Schüler als Da­tenquellen. Asanger, Heidelberg 1991. 185 Seiten, kt., DM 44,.

Das vorliegende Buch stellt die Umarbeitung der ersten bisher veröffentlichten Dissertati­on einer geplanten Folge von Arbeiten aus dem Marburger HochbegabtenprojektLe­bensumweltanalyse besonders begabter Grundschulkinder dar. Es behandelt Fragen der Identifikation von sogenannten Hochbe­gabten durch deren Lehrer(innen) und Mitschüler(innen).

Im theoretischen Teil referiert Wild ver­schiedene Hochbegabungskonzeptionen, be­handelt Fragen der Diagnostik von Hoch­begabung und gibt einen Überblick über den Forschungsstand zur Identifikation Hochbe­gabter mittels Lehrer- bzw. Schülerbeurtei­lungen. Bei den letzten beiden Punkten(Ka­pitel4 und 5) wird deutlich, daß aufgrund von methodisch-statistischen Mängeln und der Unvergleichbarkeit der Studien z.B. durch verschiedenstrenge Grenzwerte fürHoch­begabung trotz einer Vielzahl von Untersu­chungen bisher nur wenige gesicherte Kennt­nisse vorliegen.

Über 7000 Drittkläßler in 390 Schulklassen aus neun(alten) Bundesländern bearbeite­ten u.a. zwei sprachfreie und einen sprachge­bundenen Intelligenztest(CFT-20,ZVT bzw. Sprachlichen Analogien). Wild geht in seiner Arbeit der Frage nach, wie gut Lehrer und Lehrerinnen anhand eines spezifisch auf die­se drei Kriteriumstests zugeschnittenen Leh­rerratings die Fähigkeiten der Gesamtklasse im Vergleich zudenobjektiven Testverfah­ren einschätzen können. Auch fragt er nach der Identifikationsgüte von Lehrernomina­tion, operationalisiert als Nennung der drei Klassenbesten in bezug auf 13 begabungs­relevante Verhaltensmerkmale, und Peerno­mination, operationalisiert als Schülerantwort auf die FrageWer in der Klasse lernt beson­ders schnell und weiß mehr als die anderen?. Weiter fragt er danach, ob die Selbstnomi­nation von Drittkläßlern eine erfolgverspre­chende Identifikationsquelle zur Auswahl

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besonders testintelligenter Grundschulkinder sein kann.

Eine abschließende Bewertung dernichtohne weiteres vergleichbaren Lehrer- und Schü­lerurteile(Rating aller Schüler versus Nomi­nation einiger weniger) erreicht Wild da­durch, daß er für jeweils verschiedene Krite­riumswerte, d.h. die Entscheidunghochbe­gabt wird vorgenommen bei einem Intel­ligenztestwert von z>1.5, z>2 oder z>3, und unterschiedliche Selektionsquoten der Prä­diktorvariablen, d.h. etwa die 5% oder die 25% Besten in den Lehrer-, Peer- oder Selbst­nominationen, die Trefferquote bestimmt, mit anderen Worten einen Vergleich der Effektivitäts- und Effizienzindizes(s.u.) vor­nimmt. Ergebnisse über die multiple Vor­hersagekraft der Prädiktoren unter Verwen­dung von Regressions- und Diskriminanz­analysen, jeweils sinnvollerweise kontrol­liert durch Kreuzvalidierungen, was die gro­ße Stichprobe ohne weiteres ermöglichte, schließen sich an.

Weitere Fragestellungen behandeln den mög­licherweise moderierenden Einfluß des Ge­schlechts von Lehrer und Schüler, der Be­rufserfahrung und der Dauer des Unterrichts in der Klasse auf die Qualität der Fähig­keitsurteile.

Wichtige Grundvoraussetzungen eines sol­chen Vorgehens, wie etwa eine Evaluation der Kriterien hinsichtlich Werteverteilung, Alters- oder Geschlechtereffekte wurden be­achtet und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergriffen. So wurde eine Flächentransformation der zunächst nicht normalverteilten Werte von CFT und Sprach­lichen Analogien durchgeführt und eine Nor­mierung der Daten für drei Zeitabschnitte vorgenommen. Auch für die vier Prädiktor­variablen werden entsprechende deskriptive Analysen mitgeteilt und diskutiert.

Für das Lehrerrating, für die Lehrer- und für die Peernomination ergaben sich im Bereich besonderer kognitiver Begabungen durch­schnittlich mittelhohe positive Korrelationen zu den Testergebnissen, wobei die Modera­torvariablen keine Beurteilungsverzerrungen auslösten. Die Lehrer und Lehrerinnen orien­tierten sich bei ihrer Beurteilung vor allem an den sprachlichen Fähigkeiten, d.h. eine be­reichsspezifische Erfassung erfolgte nicht, mögliche Spezialbegabungen wurden weni­ger gut erkannt. Besonders problematisch erscheint indiesem Alterdie Selbstnomination der Kinder. Nicht nur eine durchschnittlich zu hohe Selbstselektionsquote, sondern auch ein massiver Geschlechtereffekt(41% Jun­gen versus 28% Mädchen) lassen die Selbst­nomination als Identifikationsverfahren für

besonders begabte Kinder als wenig geeignet erscheinen. Ein weiteres Problem, das auch die anderen drei Verfahren betrifft, bilden die enormen klassenübergreifenden Schwan­kungen der Vorhersagegüte: in einigen Klas­sen gibt es keine einzige Selbstnomination, in anderen zählen sich dagegen fast alle Schü­ler bzw. Schülerinnen zu den Klassenbesten. Die Kombination der verschiedenen Identi­fikationsverfahren führte zu keiner substan­tiellen Verbesserung der Vorhersagegüte. Die Ergebnisse legen nahe, bei der Identifikation kognitiver Hochbegabung in der Grundschu­le auf Peerbefragungen zu verzichten, da durch sie kein Informationsgewinn zu erwar­ten ist.

Ein besonders interessanter Aspekt der Ar­beit von K.P. Wild liegt in der Übertragung theoretischer Überlegungen aus dem Bereich der Personalauslese auf Problemstellungen derHochbegabten-Identifikation. Die seit Pegnato& Birch(1959) in der einschlägigen Literatur zwar häufig beschriebenen, aber nur selten empirisch berechneten und mitge­teilten Maße der Effektivität(Anteil richtig nominierter Hochbegabter an der Gesamtzahl Hochbegabter bei gegebener Grundquote) und Effizienz(Anteil richtig nominierter Hoch­begabter an der Gesamtzahl nominierter Per­sonen) berechnet Wild für die einzelnen Prä­diktoren bei unterschiedlichen Selektions­quoten und verschiedenstrengen Krite­riumsgrenzwerten. Die graphischen Darstel­lungen der Ergebnisse zeigen nicht nur das bekannte Dilemma einer sinkenden Effekti­vität bei steigender Effizienz, sondern ver­deutlichen darüber hinaus, wie sich bezogen auf ein spezifisches Identifikationsverfahren bei festgelegtem Kriterium(etwa IQ>130, d.h. z>2) das Verhältnis vonerkannten und übersehenen Hochbegabten in Abhängig­keit von der Selektionsquote verändert. Der hiermit vollzogene Übergang von einem Wahrheitskriterium zuNützlichkeits­erwägungen innerhalb der Identifikations­problematik in der Hochbegabtenforschung sollte der Definitions- und Identifikations­debatte(vgl. die Kontroverse mehrerer Auto­ren in der Zeitschrift für Entwicklungspsy­chologie und Pädagogische Psychologie, 1991, Bd. XXMI, Heft 3, 197-262) neue Per­spektiven eröffnen. Weite Bereiche der Aus­einandersetzung betreffen dierichtige De­finition vonHochbegabung. Einer eher konservativen univariaten IQ-Definition wer­den zunehmend komplexere Modelle unter Einbeziehung sozialer und kreativer Fähig­keiten oder auch der familiären und schuli­schen Umwelt entgegengestellt. Diese Dis­kussion vernachlässigt bis auf wenige Aus­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1992