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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

wartungsgemäß nehmen dieErgebnisse zur Situation integrierter und separierter schul­leistungsschwacher Schüler den größten Raum(55 S.) ein. Durch einen Fehler bei der Zuweisung leistungsschwacher Kinder(eini­gen dieser Schüler wurde die mögliche spezi­elle Förderung vorenthalten) konntenEr­gebnisse zu den Wirkungen der Heilpädago­gischen Schülerhilfe gewonnen werden; hier ist die Diskussion vonRahmenbedingungen für optimale Wirkungen der Heilpädagogi­schen Schülerhilfe, die wichtige Implika­tionen für weitere Integrationsprojekte lie­fert, positiv hervorzuheben.

In einer Zusatzuntersuchung wurden über LehrerurteileMerkmale von unbeliebten und beliebten schwachen Schülern in Regelklas­sen erfaßt; wegen des erhöhten Fehler-Risi­kos(die Hypothesen wurden mit mehr als 75 univariaten Tests geprüft) sind diese Befun­de aber mit Vorsicht zu genießen.

Im vorletzten Kapitel des Buchs werdenKon­trollergebnisse zu den Wirkungen vonSo­zialschicht,Geschlecht undIntelligenz mitgeteilt.

In der knappenZusammenfassung und Dis­kussion greifen die Autoren einige Gedan­ken auf, die sie bereits bei der Beschreibung der Ergebnisse genannt hatten, um daraus einenAusblick undEmpfehlungen ab­zuleiten. Eine naheliegende Erklärung der Befunde wird, wie in vielen anderen Untersu­chungen, übersehen: Aus Abbildung 24(S. 209) ist ersichtlich, daß zumindest in der u.a. nach IQ parallelisierten Stichprobe die rela­tiv(zur jeweiligen Bezugsgruppe) leistungs­starken Sonderschüler mit relativ schwachen Regelschülern verglichen werden.

Das Buch hinterläßt einen etwas zwiespälti­gen Eindruck: Zum einen sind aufgrund der angeführten Schwächen der empirischen Un­tersuchung insbesondere der fehlenden In­formation zurVorgeschichte der Kinder und der fragwürdigen Parallelisierungs­methode die Befunde dieser Arbeit nur begrenzt aussagekräftig; zum anderen geben Haeberlin, Bless, Moser und Klaghofer aber mit ihren theoretischen Überlegungen und den Erfahrungsberichten aus der Praxis Hin­weise, die zur Planung weiterer Integrations­projekte wertvoll sind. Zudem ist es den Au­toren gelungen, komplexe Sachverhalte an­schaulich, übersichtlich(im Text finden sich 149 Tabellen und 56 Abbildungen) und auch für den mit der Materie nicht vertrauten Leser nachvollziehbar darzustellen. Letzt­endlich ist das Buch mit seinem ausführli­

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chen Theorieteil und dem umfangreichen Literaturverzeichnis(310 Angaben) eine er­giebige Materialquelle zum Thema. Hervor­zuheben ist auch der enorm günstige Preis des Bandes: DM 29,.

Dipl.-Psych. Matthias Witt, Frankfurt am Main

Tröster, Heinrich. Einstellungen und Ver­halten gegenüber Behinderten. Konzepte, Ergebnisse und Perspektiven sozialpsycho­logischer Forschung. Verlag Hans Huber, Bern 1990. 234 Seiten.

Es ist nicht leicht, das Buch von Tröster zu rezensieren, denn es bietet einen Überblick über eine Fülle von Untersuchungen haupt­sächlich aus dem angloamerikanischen Be­reich. Die kritische Bearbeitung von mehr als 360 Arbeiten ergibt, was aus der Einstel­lungsverhaltens-Forschung schon längst be­kannt ist(vgl. E. Benninghaus 1975 und W. Meinefeld 1977), daß auch die neueren Ver­öffentlichungen zum Thema höchst unein­heitliche, ja teils widersprüchliche Ergebnis­se erbracht haben. Das Hauptverdienst des Buches von Tröster ist nicht nur diese For­schungslage umfassend dokumentiert zu ha­ben, sondern auch die kritische Diskussion der Vielfalt der theoretischen Ansätze und vor allem der Forschungsdesigns, besonders des konkreten empirischen Vorgehens. Zum Ziel setzt sich Tröster, Fragestellungen und Ergebnisse an der Schnittstelle zwischen angewandter Sozialpsychologie und Rehabili­tationspsychologie vorzustellen. Dabei inter­essiert ihn besonders die Auswirkung der Behinderung eines Menschen auf das Ver­halten Nichtbehinderter.

Daes keinen allgemein akzeptierten interdis­ziplinär verwendbaren Begriff von Behinde­rung gibt(vgl. auch Zeitschrift für Heilpäd­agogik 1976, H. 7), greift Tröster auf die Definition der WHO zurück, verweist aber darauf, daß diese um den Etikettierungsansatz erweitert werden muß(S. 23), um Einstellun­gen und Verhalten gegenüber Behinderten angemessen analysieren zu können. Vor al­lem durch diese Erweiterung wird es mög­lich, Unterschiede im sozialen Verhalten ge­genüber Menschen mit verschiedenen Be­hinderungen aufzuzeigen und auch Studien über andere Randgruppen(z.B. Homosexu­

elle und Straffällige) zum Vergleich mit her­anzuziehen.

Mit diesem um einen sozialwissenschaftli­chen Aspekt erweiterten Begriff von Behin­derung läßt sich die Auffälligkeit der Behin­derung, die ästhetische Beeinträchtigung, die funktionale Beeinträchtigung, die kommuni­kativen Fähigkeiten und die jeweils dem Be­hinderten zugeschriebene Verantwortlichkeit für seine Behinderung als verhaltensrelevan­te Aspekte herausarbeiten.

Im zentralen Kapitel des Buches steht neben der Darstellung von Ergebnissen Metho­denkritik im Vordergrund. So weist der Au­tor darauf hin, daß das üblicherweise ver­wendeteDreikomponentenmodell den Nachteil hat, daß die Einstellungskompo­nenten(die affektive, die kognitive und die konative) zwar begrifflich, aber nicht empi­risch voneinander trennbar sind. Entspre­chend seinem methodischen Interesse grup­piert er die in diesem Kapitel referierten Studien nach den verwendeten Erhebungs­techniken, und zwar nach direkten Befragun­gen, standardisierten Einstellungsskalen, sozialen Distanzskalen und projektiven Ver­fahren. Der Hauptkritikpunkt an diesen Stu­dien ergibt sich daraus, daß Einstellungen nicht direkt beobachtbar sind, sondern aus beobachteten(meist verbalen) Reaktionen erschlossen werden müssen.

Die Folge ist, daß subjektive Einflüsse so­wohl der Probanden als auch der Forscher auf die Ergebnisse kaum vermeidbar sind. Dar­über hinaus wird kritisiert, daß die Validität und Reliabilität in vielen Fällen nicht gut genug abgesichert sind.

Insgesamt lassen die Ergebnisse der Studien den Schluß zu, daß es in der Bevölkerung ungünstige Einstellungen gegenüber Behin­derten gibt und daß diese gegenüber den einzelnen Behindertengruppen in unterschied­lichen Ausprägungen auftreten.

Im Folgenden geht er der Frage nach, ob und wie diese Einstellungen verändert werden können. Erstellt Studien vor, die Einstellungs­änderungen durch Information und Aufklä­rung, durch soziale Kontakte zu Behinderten und durch Simulation und Rollenspiel zum Thema haben. Trotz der großen Zahl dieser Untersuchungen ist aber offenbar ein eindeu­tiges Ergebnis nicht sichtbar, denn ob Ver­haltensänderungen erfolgreich waren,kann allenfalls ansatzweise beantwortet werden! (S. 114)

Ebenso unklar bleibt der genaue Zusammen­hang zwischen Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten. Dies hat teils metho­dische Gründe, denn von den meisten Auto­ren der empirischen Studien wird der Zusam­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1992