menhang zwischen verbalem und tatsächlichem Verhalten gar nicht überprüft. Außerdem scheint es zwischen Einstellungen und Verhaltensindikatoren keine eindeutige Konsistenz zu geben, was u.a. daran liegt, daß das Verhalten gegenüber Behinderten nicht nur von den Einstellungen, sondern außerdem “von einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängig ist”.(S. 103)
Reaktionen erfolgen aber nicht nur auf ganze Behindertengruppen, sondern auch gegenüber einzelnen Behinderten, und diese sind teilweise günstiger, wie einige Studien zum “Personalisierungs-Effekt” und zum“Sympathie-Effekt” zeigen.
Am Schluß seines Buches setzt sich Tröster mit Arbeiten zum offenen und verbalen Verhalten gegenüber Behinderten auseinander und kommt zu folgendem Ergebnis:“Die vorliegenden Studien zum Interaktionsverhalten gegenüber Behinderten lassen vermuten, daß eine sichtbare Behinderung des Gegenübers zu einer negativen Akzentuierung des nonverbalen Verhaltens und zu einer positiven Akzentuierung verbaler Verhaltensaspekte führt.”(S. 200)
Wennman die vorliegende Arbeit von Tröster insgesamt bewerten soll, läßt sich sagen, daß jemand, der dieses Buch liest, um Handlungsanweisungen für ein Praxisfeld zu bekommen, aufgrund der Vielfältigkeit der Ergebnisse wohl eher in Verwirrung gerät. Personen, die sich jedoch wissenschaftlich mit der Thematik befassen, finden in diesem Buch wegen der umfassenden Dokumentation des Forschungsstandes und der methodenkritischen Vorgehensweise eine wertvolle Hilfe.
Prof. Dr. Gerd Laga, Hannover
Sabine Weinert: Spracherwerb und implizites Lernen. Studium zum Erwerb sprachanaloger Regeln bei Erwachsenen, sprachunauffälligen und dysphasisch-sprachgestörten Kindern. Verlag Hans Huber, Bern/
Göttingen/Toronto 1991. 260 Seiten mit 13 Abbildungen und 54 Tabellen.. Fr. 58,-/DM 68,—.
Es handelt sich in diesem umfangreichen Buch um eine empirische Untersuchung (Dissertation) an der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld. Es sollte durch eine vergleichende Analyse des kontrollierten Erwerbs kunstsprachlicher Regeln durch Erwachsene, sprachunauffällige und dysphasisch-sprachgestörte Kinder geprüft werden,“welchen Einfluß die äußere Verfügbarkeit und die individuelle Nutzbarkeit von rhythmisch-prosodischen Informationen für den Erwerb komplexer sprachanaloger Regeln hat”. Gerade dysphasische Kinder haben Schwächen in diesem speziellen System der Informationsverarbeitung.
Das Buch ist in folgende Abschnitte bzw. Kapitel eingeteilt: Der Erwerb grammatischer Strukturen als psychologisches Problem; Zur Bedeutung von Gliederungsweisen im Sprachangebot für den Erwerb grammatischer Strukturen; Zur Unterscheidung impliziter und expliziter Lernprozesse; Dysphasische Spracherwerbsstörung(Charakteristische Merkmale und vermutete Ursachen); Suche nach einer weiterführenden Forschungsperspektive für die Erklärung dysphasischer Sprachentwicklungsstörungen; Erstes Experiment: Nutzung rhythmischprosodischer Hinweisreize durch erwachsene Probanden beim Erwerb einer Kunstsprache; Die explizite Suche nach komplexen Phrasenstrukturregeln; Vergleich des impliziten und des expliziten Lernmodus. Zweites Experiment: Bedingungen des impliziten Erwerbs komplexer Regeln im Kindesalter. Drittes Experiment: Bedingungen des impliziten Erwerbs komplexer Regeln bei dysphasisch-sprachgestörten Kindern. Zusammenfassung der empirischen Befunde.
Ein Großteil unseres Wissens wird nicht über explizite, sondern über implizite, nicht bewußte und automatisch ablaufende Lernvorgänge erworben. Charakteristische Merk
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIII, Heft 1, 1992
Buchbesprechungen
male des impliziten Lernens sind: passiv, nicht bewußt, automatisch, schnell, mühelos, selbstorganisierend, nicht-selektiver Modus, global-ganzheitliche Informationsverarbeitung; beim expliziten Lernen dagegen: aktiv, bewußt, kontrolliert, langsam, mühevoll, personengesteuert, selektiver Modus, analytisch-sequentielle Informationsverarbeitung.
Die wichtigsten Befunde der Untersuchung dysphasisch-sprachgestörter Kinder sind: Sie haben erhebliche Probleme, die Beispielsätze der Kunstsprache zu lernen; sie haben tendenziellsogarmehr Schwierigkeiten, rhythmischprosodisch(Prosodie= Lehre von der metrisch-rhythmischen Behandlung der Sprache) gruppierte Beispielsätze zu lernen als ungruppiert gesprochene. Es ergab sich in jedem Fall ein deutlicher Zusammenhang zwischen rhythmischen Leistungen auf der einen und formal-sprachlichen Fähigkeiten auf der anderen Seite. Kinder mit besseren rhythmischen Fähigkeiten konnten— wenn auch mit sehr viel Mühe— mehr Beispielsätze lernen als die Kinder mit schlechteren Ergebnissen ineinem Rhythmustest. Während rhythmischprosodische Gliederungsinformationen bei sprachunauffälligen Kindern das Lernen der Kunstsprache eher vereinfachten, benötigten die sprachgestörten Probanden tendenziell mehr Darbietungen für das Lernen prosodisch gruppierter als für das Einprägen ungruppierter Beispielsätze. Die dysphasischen Kinder zeigten während und nach der Regelerwerbsphase insgesamt nur sehr eingeschränkte Lern- und Urteilsleistungen. Das Buch hat ein hohes wissenschaftliches Niveau und ist es wert, insbesondere von Sonderschullehrern für Sprachbehinderte, aber auch allgemein von Psychologen und Pädagogen gelesen zu werden.
Am Schluß der Veröffentlichung stehen ein umfangreiches Literaturverzeichnis(mit der Angabe vieler anglo-amerikanischer Quellen) und ein Autoren- sowie Sachregister.
Prof. Dr. Richard G.E. Müller, Glinde
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