Down-Syndrom
I geistige Behinderung
(2 £ Ss er oO N CZ ie] cC = = = => = (2) = <
leicht
Thomas Rammsayer& Arno Koch* Psychomotorische Leistung bei Down-Syndrom
mittel schwer
Behinderungsgrad
Abb. 2: Wechselwirkung zwischen Behinderungsart und Behinderungsgrad bei der Ausführungszeit. * Unterschied zur GB-Gruppe mit schwerem Behinderungsgrad p<.05. ** Unterschied zur DS-Gruppe mit schwerem Behinderungsgrad p<.01.
derungsgrad mit 156 ms(p<.05 im Scheffe-Test) und mit leichtem Behinderungsgrad mit 101 ms(p<.01 im ScheffeTest). Weitere, signifikant höhere intraindividuelle Standardabweichungen ließen sich für die Versuchspersonen mit DS und mittlerem bzw. schwerem Behinderungsgrad im Vergleich zu den Versuchspersonen mit GB und mittlerem bzw. schwerem Behinderungsgrad experimentell bestätigen(jeweils t= 2.4, p< .05).
Diskussion
Schon Strughold(1949) schlug eine Unterteilung der Reaktionszeit ineine Wahrnehmungsphase, die durch die zentralnervöse Reizverarbeitung gekennzeichnet ist und durch die Lift-off-Zeit repräsentiert wird, und eine motorische Phase, während der die eigentliche Ausführung der Reaktion stattfindet, vor. Auch Anwar(1981) spricht sich für eine getrennte Analyse von Lift-off- und Ausführungszeit aus. Die benötigte Zeit für die Reizanalyse und um die geforderte motorische Reaktion vorzubereiten bzw. ein motorisches Reaktionsprogramm zu er
stellen bevor die eigentliche Ausführung erfolgt, wird von Anwar(1981) als “initiation time” bezeichnet, und entspricht der Lift-off-Zeit. Die Erstellung eines solchen motorischen Programms stellteinen zentralnervösen Vorgang dar, der nach Ansicht von Anwar(1981) der Ausführung einer motorischen Bewegung vorausgeht und sich damit in der Lift-offZeit widerspiegeln sollte. In mehreren Untersuchungen mit nicht-behinderten Probanden konnte experimentell belegt werden, daß die Lift-off-Zeit und die Ausführungszeit voneinander unabhängige Prozesse repräsentieren(Ells 1973; Fitts& Peterson 1964; Fitts& Radford 1966).
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung legen zwar eine tendenzweise Verlangsamung der DS-Versuchspersonen bei der Lift-off-Zeit nahe, aber ein statistisch signifikanter Haupt-Effekt konnte lediglich für die unabhängige Variable“Behinderungsgrad” nachgewiesen werden: die Versuchspersonen mit leichtem oder mittlerem Behinderungsgrad hatten sehr viel schnellere Lift-offZeiten als die Versuchspersonen mit schwerem Behinderungsgrad unabhängig von der Behinderungsart. Dieses Er
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 2, 1992
gebnis weist auf eine vergleichbare Leistungsfähigkeit der— in bezug auf den Behinderungsgrad balancierten—DS- und GB-Untersuchungsgruppen bei der zentralnervösen Reizverarbeitung und Reaktionsvorbereitung hin.
Weiterhin konnte in der vorliegenden Studie zwar eine signifikant längere Ausführungszeit der DS- im Vergleich zur GB-Gruppe bestätigt werden, aber die Analyse der ebenfalls signifikanten Interaktion zwischen Behinderungsart und Behinderungsgrad belegt klar, daß die langsamere Ausführungszeit der DSim Vergleich zur GB-Gruppe durch eine extrem verlängerte Ausführungszeit der DS-Versuchspersonen mit schwerem Behinderungsgrad bedingt ist. Es ergeben sich folglich keine Anhaltspunkte dafür, daß Menschen mit DS generell eine langsamere Ausführungszeit aufweisen als andere geistig Behinderte mit undifferenzierter Ätiologie. Darüber hinaus besteht innerhalb beider Behinderungsarten ein Trend zu einer Verlängerung der Ausführungszeit mit zunehmendem Behinderungsgrad, wobei allerdings wie bereits beschrieben, die DS-Gruppe mit schwerem Behinderungsgrad einen überproportionalen Anstieg in der Ausführungszeit aufweist, der sich nicht nur von den beiden anderen DS-Gruppen mit niedrigerem Behinderungsgrad, sondern auch von der GB-Vergleichsgruppe mit ebenfalls schwerem Behinderungsgrad signifikant unterscheidet. Nur für die Gruppe der DS-Versuchspersonen mit schwerem Behinderungsgrad erscheint es aufgrund der verlängerten motorischen Ausführungszeit gerechtfertigt zu sein, von einer spezifischen psychomotorischen Beeinträchtigung auszugehen, die ihre organische Ursache in einem verkleinerten Cerebellum und den daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Erstellung von effizienten motorischen Programmen haben könnte. Es kann allerdings auch nicht ausgeschlossen werden, daß die längere Ausführungszeit durch einen erniedrigten Muskeltonus bedingt ist, der eine motorische Verlangsamung bewirkt.
An dieser Stelle sei noch auf einen kritischen Punkt bei der statistischen Auswertung hingewiesen. Die ungleiche
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