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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Thomas Rammsayer& Arno Koch* Psychomotorische Leistung bei Down-Syndrom

de bedeuten, daß in den Studien, die eine signifikante Verlangsamung der Reak­tionszeit beim DS im Vergleich zur GB bestätigen konnten, DS-Versuchsperso­nen ohne psychomotorisches frühkindli­ches Training oder zumindest ohne psy­chomotorischen Anregungsgehalt in ih­rer Umwelt, untersucht wurden. Da in den meisten Studien die Versuchsperso­nen insbesondere Kinder und Jugendli­che aus einundderselben Institution re­krutiert wurden, ist es sehr gut möglich, daß DS- und GB-Versuchspersonen ohne frühkindliches psychomotorisches Trai­ning miteinander verglichen wurden, was die Auftretenswahrscheinlichkeit von Reaktionszeitunterschiede erhöhte. Wäh­rend in den Studien, die keine Reak­tionszeitunterschiede zwischen GB- und DS-Versuchspersonen belegen konnten, die DS-Versuchspersonen möglicherwei­se irgendeine Form von frühkindlichem psychomotorischem Training erfahren haben. Diese Überlegung wird nicht nur gestützt durch Befunde, die zeigen, daß das tatsächliche Fähigkeitspotential von Menschen mit DS häufig unterschätzt wird, und deshalb häufig Fördermaßnah­men unterbleiben(Rynders, Spiker& Horrobin 1978; Libb, Myers, Graham& Bell 1983), sondern auch durch die Er­

Literatur

gebnisse von Carr(1970, 1975), die be­legen, daß Kinder mit DS, die in Institu­tionen aufwachsen, eine deutlich ver­langsamte motorische Entwicklung auf­weisen im Vergleich zu Kindern mit DS, die innerhalb ihrer Familie aufwachsen. In Deutschland wird bei der Betreuung von Kindern mit DS ein besonderes Schwergewicht auf die motorische Ent­wicklung während des ersten Lebens­jahrs gelegt(Rauh et al. 1991). Dies könnte erklären, warum in der vorliegen­den Studie keine signifikanten Reaktions­zeitunterschiede zwischen der DS-Grup­pe mit leichtem bzw. mittlerem Behinde­rungsgrad und der jeweiligen GB-Ver­gleichsgruppe nachgewiesen werden konnten.

Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie läßt sich die Validität einer diffe­renzorientierten Betrachtung von Men­schen mit DS eindeutig in Frage stellen. Menschen mit DS ähneln sich entgegen der seit Down(1866) häufig festgehalte­nen Verallgemeinerungen eben nicht so verblüffelnddaß man sie fast alle für Geschwister halten könnte(Ewald 1964, 421). Zunehmend mehr experimentelle Ergebnisse weisen darauf hin, daß es sich beim DS nicht um eine homogene Form der Behinderung handelt, bei der kogni­

tive und psychomotorische Funktionen in gleichem Maße beeinträchtigt sind (Wisniewski et al. 1989). Individuell tre­ten zwar spezifische Schwächen hervor, die interindividuellen Unterschiede in einzelnen Leistungsbereichen, dies konn­te in der vorliegende Studie klar belegt werden, sind jedoch so groß, daß es frag­lich ist, ob dieBerechnung von Durch­schnittswerten überhaupt ein vertretba­res Vorgehen ist Wendeler(1988, 160). Eine solche Vorgehensweise, so Wen­deler(1988), führt letzlich zu klischee­haften Simplifizierungen. Insbesondere gezielte Frühfördermaßnahmen scheinen beim DS einen erheblichen Einfluß auf die spätere kognitive und psychomo­torische Leistungsfähigkeit zu haben (Wisniewski et al. 1984; Hanson 1981). Demnach wird sich eine anregungsarme Umgebung, die in der frühen Kindheit in unzureichendem Maße zur Entfaltung der psychomotorischen Leistungsfähig­keit beiträgt, auf Menschen mit DS be­sonders negativ auswirken und zu einer vermeintlichen Homogenisierung führen. Zukünftige Arbeiten in diesem Feld soll­ten daher der Frage nachgehen, welchen Einfluß gezielte Frühfördermaßnahmen auf die psychomotorische Leistungsfä­higkeit haben.

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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 2, 1992