Siegbert Kratzsch* Zusammenhang von Symbolbildung und Sprachentwicklung
chen, aber das Kind geht auf meine Abneigung ein, den“Kuchen”, Sand, in den Mund zu nehmen.(Ko-Konstruktion)
3. Der repräsentierte, symbolische“Inhalt” selbst. Der“Inhalt”, der durch die Repräsentationsmittel, das“Material” der benutzten Zeichen, zum Ausdruck kommt, ist nur dem Subjekt, hier dem Kind, zugänglich. Er kann nur erschlossen werden.(Hier: Woher weiß ich, daß der repräsentierte Erlebnisinhalt tatsächlich“Kuchen backen und essen” ist?)
Erweitert man das Beispiel, so sind die
möglichen Dimensionen der Symbol
bildung, welche untersucht werden kön
nen:
Mittel: Material, Signifikant, das im
Laufe der Entwicklung in Fra
ge kommt unddie Sinngehalte
repräsentiert
Bezeichneter Sinninhalt, Si
gnifikat
Relation: Relation von Signifikant zu Signifikat
Kontext: Raum-zeitliche Einbettungsbedingungen
Resonanz: Affektiver Stellenwert
Ko-Text: Struktural-ko-textuelle Einbettungsbedingungen
Inhalt:
2. Empirischer Zwang und Voruntersuchung
Es gibt bereits methodische Ansätze zur Erfassung empirischer Indikatoren von Symbolbildungsprozessen, die sich bewährt haben, nämlich Elemente des Symbolspiels(Vgl. Flavell 1963, 155; Morehead& Morehead 1974; bes. Pellegrini 1985). In den vorn angesprochenen Untersuchungen ließen sich Bezüge zur Sprachentwicklung bei normalentwikkelten und behinderten Kindern nachweisen. Auch wenn diese methodischen Ansätze bisher theoretisch unbefriedigend blieben und auch große Mängel haben(s. z.B. McLoyd 1980; Wolf& Grollmann 1982; Watson& Fischer 1977; Field, De Stefano& Koewler 1982; Howes 1985)— die sprachlichen Indikato
ren wurden meist in der gleichen Spielsituation erhoben wie die Symbolspielmaße— liefern sie Grundlagen für ein empirisches Herangehen. W.-U. Scholz und ich haben diese Untersuchungsmethode folgendermaßen theoretisch und praktisch präzisiert(P. von Richthofen, aber auch anderen Mitwirkenden gebührt in diesem Zusammenhang Dank für ihre wichtigen Weiterführungen und praktischen Umsetzungen, die u.a. ihren Niederschlag in Examens- und Diplomarbeiten fanden):
2.1. Untersuchungsaufbau
Es wurden insgesamt zwanzig Bilder aus Kinderbuchillustrationen ausgewählt, die Experten geeignet erschienen, um bei Kindern zwischen 2,5 und 6 Jahren Erfahrungen und Erlebnisinhalte zu evozieren. Die auf den Bildern dargestellten Inhalte, Gegenstände und Situationen sollten zur Gegenstandserfahrung der Kinder gehören und bekannt sein.
Zehn dieser Illustrationen dienen im 1. Untersuchungsabschnitt(Symbolbildungsniveau) dazu, zu Symbolspielhandlungen mit ausgewählten Materialien bzw. mit solchen Signifikanten anzuregen, die dem Kind zur Verfügung stehen. Die zehn weiteren Bilder werden den Kindern im 2. Untersuchungsabschnitt (Sprachniveau) dargeboten, um sie zu sprachlichen Darstellungan auf der Erzählebene zu veranlassen(Bilder und ihre Literaturquellen beim Autor).
Die Grundlage des Untersuchungsvorgehens ist also, ein oberflächenähnliches Repräsentationsmittel von Erfahrungen zu verwenden, das Kinder sehr früh auf dem Weg ihrer Symbolentwicklung entwickeln, nämlich die zeitlich und räumlich simultane Darstellung auf Bildern; diese Bilder regen dann zur gedächtnismäßigen Wiederbelebung der organisierten Erfahrungsinhalte beim Kind an, die dann in der Spielsituation(1.) bzw. in der Erzählsituation(2.) andere bzw. sprachliche Symboldarstellungen finden, welche als Indikatoren für das Symbolund Sprachniveau des Kindes dienen. Das Verfahren setzt allerdings eine Symbolverwendung von Bildern schon vor
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIIL, Heft 2, 1992
aus, worauf hier ausdrücklich aufmerksam zu machen ist. Allerdings können die durch das jeweilige Bild evozierten Erlebnisinhalte und Erfahrungsstrukturen bei den Kindern beliebig sein, weil die Formen ihrer jeweiligen symbolischen bzw. ihrer symbolisch-sprachlichen Gestaltungen die entscheidenden UntersuCchungsmerkmale sind.
Das praktische Vorgehen wurde aufgrund von Erfahrungen mit einem 2;6jährigen und einem älteren Kind in einer Erkundungsstudie weiter ausgearbeitet. Es zeigte sich, daß der geplante Spiel- bzw. Erzählwechsel von Versuchsleiter(VI) und Kind von einem Bild zum anderen nicht sinnvoll ist(je fünf Bilder im 1. und 2. Untersuchungsabschnitt zum anregenden Modellverhalten des Erwachsenen und je fünf Illustrationen als Grundlage für das Kind), sondern daß bei jedem Bildein lebendiger Wechsel von Spiel- bzw. Erzählhandlung zwischen Kind und VI aufeinander folgen muß, damit das Spielen bzw. Erzählen der Kinder in diesem Alter nicht erstirbt. Kinder sind in diesem Alter nicht nur auf die Gegenwart und das Mitspiel der bzw. des VI angewiesen, sondern auch auf die häufige, immer wieder lebendig-anstoßende Wirkung von Interaktionsangeboten bei jedem der zwanzig Bilder.
Als Spielmaterial wurde in den Erkundungsstudien mit verschiedenen Angeboten gearbeitet. Das Prinzip war, daß die angebotenen Spielgegenstände für alle Kinder gleich sein und genügend Repräsentations-“Material” für das Spiel zur Verfügung stellen sollten. Aus dem theoretischen Ansatz und den Vorerfahrungen wurden folgende Repräsentationsmittel abgeleitet, die als Signifikanten für Personen dienen können:
Mögliche und zur Verfügung stehende Repräsentationsmittel
a Objekte, die Ähnlichkeit zu den abgebildeten Objekten aufweisen(z.B. Bild: Birke; Material-Figur: Tanne)
b abstrakte geometrische Objekte(z.B. logische Blöcke, Spielsteine)
c der eigene Körper des Kindes und seine Teile
d der Körper der bzw. des Vl und teilnehmenden Beobachters
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