Siegbert Kratzsch+» Zusammenhang von Symbolbildung und Sprachentwicklung
Tabelle 2: Indikatoren der Symbolbildung bzw. Auswertungskategorien
Mögliche und zur Verfügung stehende Repräsentationsmittel
a Objekte, die Ähnlichkeit zu den abgebildeten Objekten aufweisen(z.B. Bild: Birke; MaterialFigur: Tanne)
b abstrakte geometrische Objekte(z.B. logische Blöcke, Spielsteine)
c der eigene Körper des Kindes und seine Teile
d der Körper der bzw. des Vl und teilnehmenden Beobachters/in
e die funktionale Einrichtung des Raumes
flu.f2 Imaginationen des Kindes bzw. ihre sprachlichen Repräsentationen
g die mit den genannten Objekten ausführbaren Prozesse
Relation zwischen Darstellungsmittel(Signifikant) und Inhalt(Signifikat)
1. Signifikat und Signifikant sind unter bestimmten Gesichtspunkten gleich bzw. ähnlich; z.B. Umlegen eines Stabes als Signifikant repräsentiert das Fällen eines Baumes(Signifikat)
2 Signifikant und Signifikat sind normalerweise kontingent oder stehen in der Beziehung: Teil zum Ganzen; z.B. die leere Tasse zum Mund führen symbolisiert das Trinken von Milch
3. Signifikant und Signifikat sind wechselseitig ersetzbar; z.B. geht der Puppe, die für“Anna” im
kindlichen Symbolspiel steht, das Bein kaputt. Folge ist:“Anna hat das Bein gebrochen”, und das
Kind schient dann das Bein der Puppe.
4. Sginifikant und Signifikat sind in relevanter Weise konträr zueinander; z.B. Darstellung von etwas durch seinen Gegensinn, wie Feuer durch Wasser 3: Signifikant und Signifikat sind arbiträr; z.B. wird der Klotz, mit dem das Kind Auto spielte, im
nächsten Moment des Spiels problemlos zu einem Turm.
der Sprachproduktion in Syntax und Semantik. Dabei wurden einige der Indikatoren von Pellegrino(1985; Kratzsch
Tabelle 3: Indikatoren zur Sprachproduktion (Kategorien zur Satzstruktur und Semantik)
MLU(Mean Length of Utterance: hier lexikalische und grammatikalische Morpheme relativiert auf die Anzahl der Äußerungen)
Nominalphrase(Wortgruppe mit Nomen als Kernglied im Satz)
— Modifizierte Nomen(durch Artikel bzw. Adjektiv erweitertes Nomen)
— Qualifizierte Nomen(modifiz. Nomen mit adverbialer Bestimmung)
Mentale Verben(Bezeichnung eines geistigen oder linguistischen Prozesses durch ein Verb; z.B. “denkt”,“sage”...)
Hypotaktische Konjunktion(z.B. kausale, temporale Zusammenhänge durch sprachliche Mittel ausgedrückt; z.B.“weil”,“nachdem”...)
Endophorische Referenz(z.B. Pronomen, Relativpronomen als sprachlicher Hinweis auf zuvor im Text Genanntes)
Komplexe Satzstruktur
1. Funktional vollständige, aber strukturell unvollständige Sätze(Als“Satz” wird er erst aus der Sprechhandlung verständlich)
. Einfache Sätze(Subjekt und Prädikat)
. Einfache Sätze mit einer Ergänzung(Sätze mit Objekt, einer attributiven oder adverbialen Ergänzung oder mit einem mehrteiligen Subjekt bzw. Prädikat)
4. Verbundene Sätze, komplexe Sätze(z.B. mit
“und” verbunden; Nebensätze)
5. Elaborierte Sätze(Sätze mit zwei oder mehr Nebensätzen bzw. einem Nebensatz und Ergänzungen)
5. Unvollständige Sätze
“
& Scholz 1989) übernommen, während die syntaktischen Kategorien von Vv. Richthofen(1991) erprobt wurden. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die verwendeten Maße.
Die quantitative Auswertung erfolgte für die Indikatoren zum Symbolentwicklungsniveau der Kinder, indem für jedes Bild die Häufigkeit, mit der eine Symbolspiel-Kategorie bei einem Kind vorkam, durch die Anzahl der Symbolspieläußerungen geteilt wurde. Diese Häufigkeiten wurden über alle“bearbeiteten” Bilder aufsummiert und durch die Anzahl der Bilder dividiert, da nicht alle Kinder zu jedem der je zehn Bilder“spielten”. In gleicher Weise wurden die auf Tonband aufgenommenen Sprachsequenzen, nachdem sie für die Sprachkategorien ausgewertet waren, verrechnet.
Natürlich birgt dieses Vorgehen einige Schwächen, wie z.B. die noch ausstehende Überprüfung, inwieweit unabhängige Beobachter in der Kategorisierung der Symbolbildungsmaße übereinstimmen. Das Problem läßt sich allerdings nicht in gewohnter methodischer Weise lösen, weil ja das Verständnis der Symbolinhalte, die kleine Kinder spielen, z.T. jenseits der Sprache aufgrund der Kontextbedingungen und der Interaktion erschlossen werden muß, damit die Relation von Darstellungsmittel und dargstelltem
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 2, 1992
Erlebnisinhalt im Spiel bestimmt werden kann. Weitere methodische Probleme liegen in der großen Anzahl der Merkmale bei sehr kleiner Stichprobe.
Dennoch können die Ergebnisse erste Anhaltspunkte liefern, ob die abgeleiteten und präzisierten Indikatoren brauchbar sind und die Zusammenhänge zwischen den Sprachentwicklungsmaßen und den so bestimmten Merkmalen des Symbolisierungsniveaus abgesichert werden können. Eine Interkorrelationsanalyse gibt nach der Tabelle 4 erste Hinweise.
Im Vergleich zu anderen Untersuchungen zeigt sich einmal, daß das Sprachproduktionsmaß Mean Length of Utterance(MLU), wenn man es in einer von dem Symbolspiel unabhängigen Situation erhebt, nicht absicherbar bzw. nur mit einem Merkmal der Symbolbildung zusammenhängt. Die Ergebnisse der vorn zitierten empirischen Arbeiten lassen vermuten, daß sich in den früher gefundenen sehr hohen Zusammenhängen eine Wechselbeziehung von hoher Spiel- und Sprachaktivität der Kinder in ein und derselben Situation niederschlug, zumal der MLU selbst in der hiesigen Voruntersuchung bei getrennter Erhebung zu r=0,53 mit dem Alter korreliert. Wenn ein Zusammenhang des MLU zu den Symbolindikatoren überhaupt besteht, dann am ehesten zu den Symbolisierungen, in denen Signifikant und der Inhalt ähnlich(Relation 1) sind bzw. ähnliche Objekte(Kategorie a) zur Darstellung benutzt werden.
Ein solches Symbolspiel(Kat. a und Kat. 1) hängt überzufällig mit dem Gebrauch modifizierter Nominalphrasen und dem Sprechen in miteinander verbundenen Sätzen(Satzstruktur 4) zusammen. Das Sprechen in strukturell unvollständigen Sätzen scheint im Symbolspiel die Entsprechung zu haben, daß abstrakte geometrische und damit dem Symbolinhalt nicht oberflächenähnliche Gegenstände (Kat. b) weniger benutzt werden, vielmehr prozeßhafte Handlungsstrukturen (Kat. g) Vorrang haben. Diese Prozesse (Kat. g) korrelieren negativ mit endophorischen Referenzen, ergänzten, verbundenen oder elaborierten Sätzen, aber hoch positiv mit unvollständigen Sätzen
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