Siegbert Kratzsch+» Zusammenhang von Symbolbildung und Sprachentwicklung
Abb. 1: Symbolspielhandlung eines Mädchens(3; 11 Jahre) zu Bild II (von Richthofen 1991, Titelbild)
ger...!”), Relation 1(Pfeifenreiniger als Kochlöffel oder als Bratpfannenstiel)— soll hier abschließend eine Symbolspielhandlung eines knapp vierjährigen Mädchens dargestellt werden(s. Abb. 1).
Die Ergebnisse der quantitativen Auswertung können so zusammengefaßt werden:
Auch wenn bei den 13 Symbolindikatoren und den 13 Sprachproduktionsmaßen durch Zufall vier auf dem 5% Niveau und eine auf dem 1% Niveau signifikant von null verschiedene Korrelation/en zu erwarten sind und damit die vorgestellten Zusammenhänge erst einmal den Charakter von begründeten Hypothesen haben, kann die Voruntersuchung zum einen die empirische Brauchbarkeit der Indikatoren zur Symbolbildung aufzeigen; zum anderen sprechen die gefundenen Interkorrelationen zwischen den Kategorien zur Symbolbildung und den Maßen zur Sprachentwicklung aber auch für beachtliche Zusammenhänge. Dies um so mehr, weil sich bei einer— bei dem kleinen N und der großen Variablen-Zahl allerdings methodisch nicht vertretbaren!— Faktoren-Analyse zur Deskription der Interkorrelationsmatrix zeigte, daß zwei Faktoren über 60% der gemeinsamen Varianz aufklären konnten und je
weils durch Indikatoren aus beiden Merkmalsgruppen repräsentiert waren. Das zeigt, daß die gefundenen Zusammenhänge nicht bloß die Interkorrelationen der Sprachentwicklungsmaße miteinander oder die der Indikatoren zur Symbolbildung untereinander abbilden, sondern die korrelativen Beziehungen zwischen den Variablen der Sprachentwicklung und der Symbolbildung systematischer Natur sind.
Allerdings erscheint es sinnvoll, die verwendeten Kategorien aus beiden Bereichen anhand dieser und weiterer empirischer Daten auf ihre Struktur hin zu analysieren. Hierbei soll eine Skalogrammanalyse bzw. Skalenanalyse zur evtl. Gewinnung eines formalen Modells erfolgen, das es erlaubt, die Beobachtungsergebnisse möglichst gut zu reproduzieren und die Indikatoren gemäß den aufgedeckten Strukturen ggfs. auf einer Skala anzuordnen(z.B. Henning 1984).
3. Symbolbildung und ihre Bedeutung für die Förderung
Im Anschluß an die Voruntersuchung soll abschließend gezeigt werden, daß die theoretische Konzeption und die erarbeiteten Indikatoren der Symbolbildung
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII Heft 2, 1992
durchaus für die konkrete Förderung praktische Bedeutung haben; zugleich wird anschaulich, wie die qualitative Analyse der Förderarbeit auch das Verständnis der Symbolentwicklung vertiefen kann. Hierbei möchte ich mich auf ein Beispiel aus einer dreivierteljährigen Förderung eines 9 1/2-jährigen Mädchens beziehen. (Für die engagierte Durchführung dieser Förderung im Rahmen des Projektseminars möchte ich Frau Obermeier hier ausdrücklich danken).
Eindruck
Ein kleines zartes, 3 Jahre jünger wirkendes Mädchen steht vor der Förderlehrerin, schaut sie verschmitzt lächelnd und neugierig an; dann holt sie stolz ihr Rechenheft und zeigt die alleine gelösten Aufgaben:“Du mußt Rechnen mit mir üben!”
Lernstand und Anlaß
Fe. rechnet im Zahlenraum bis 10, allerdings nur mit Anschauungshilfen oder mit den Fingern. Sie kennt Zahlennahmen bis 100. Sie rechnet 2+2, 4+4, 6+6 schematisch, erfaßt aber selbst kleine Mengen unter 5 nicht spontan, sondern zählt sie ab. Das Subtrahieren und Ergänzen bereitet ihr extrem große Schwierigkeiten; sie addiert stattdessen. Sie ist nur zur Probe in die 2. Grundschulklasse übernommen worden, wo schon mit Zehnerübergängen bis 100 gerechnet wird.
Sie kann nicht lesen, bzw. wenn sie ein Wort mühevoll synthetisierend erliest, hat sie das vorherige vergessen. Ähnlichkeiten oder Gleichheiten von Buchstabengruppen erkennt sie meist nicht, oder reiht sie mechanisch aneinander. Sie erkennt Buchstaben nicht oder verwechselt sie wie ie-ei, g-k, f-t. Zwei Konsonanten zu Beginn eines Wortes bereiten ihr extreme Schwierigkeiten. Um fünf Zeilen zu lesen braucht sie eine halbe Stunde. Schreiben heißt für sie: Abmalen ohne Verständnis dafür, was sie schreibt.
Sie ist ängstlich, verschüchtert und sehr ordentlich.
Im Urteil der Lehrerin heißt es:“Sie ist ein“Sonderschulkind”, aber solange sie so ist und nicht stört, kann sie in der Klasse zur Probe verbleiben.”
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