Buchbesprechungen
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tern. Vermutlich sind solche toten Enden unvermeidbar. Unnötig und vermeidbar ist aber, daß die Informationen über negative und positive Verstärker schlicht falsch sind. Positive Verstärker werden mit Belohnungen und negative mit Bestrafungen gleichgesetzt, und genau das ist falsch. Negative Verstärkung heißt vielmehr die Beendigung eines aversiven Reizes, etwa einer Strafe, und nicht deren Verhängung, wie der Lexikontext behauptet.
Vermutlich gibt es kein Buch und schon gar nicht ein Lexikon, das ohne Fehler wäre. Nach meinem Eindruck ist die Zahl der Fehler auch nicht ungewöhnlich groß.
Ernster zu nehmen ist allerdings der Stil, mit dem die Stichwörter abgefaßt sind. Die Vorgaben des traditionellen Lexikonformats zwingen die Autoren dazu, eine sehr komprimierte Sprache zu verwenden, d.h. in die einzelnen Sätze eine Menge Informationen zu packen. Das erhöht zweifellos nicht die Lesbarkeit und informiert streng genommen nur den, der schon eine Menge weiß. Schüler von Fachschulen, die als potentielle Leser angesprochen sind, werden nicht viel davon haben. Wohl aber deren Lehrkräfte oder Sonderschullehrer oder andere ausgebildete Fachkräfte. Der Preis des Werks wird jedoch schon dafür sorgen, daß es nur von Institutionen und von Fachleuten beschafft werden wird, und für die ist es auch eine empfehlenswerte Anschaffung.
Prof. Dr. K. J. Klauer, Aachen
Andreas Fröhlich(Hrsg.): Pädagogik bei schwerster Behinderung(Handbuch der Sonderpädagogik, Band 12). Berlin: Edition Marhold im Wissenschaftsverlag Volker Spiess. 1991. XXVTI, 486 Seiten, DM 180,—.
Als Band 12 des‘Handbuches der Sonderpädagogik’ ist jetzt die‘Pädagogik bei schwerster Behinderung’ erschienen. Dabei ist es den Herausgebern des Handbuches gelungen, mit Andreas Fröhlich denjenigen Pädagogen als Herausgeber zu gewinnen, der im deutschsprachigen Raum mit seinen Schriften und mit seiner Praxis maßgeblich die Entwicklung von Konzepten für eine Erziehung Schwerstbehinderter initiiert hat. Für Fröhlich ist nun bereits der Verzicht auf einen in Analogie zu anderen Bänden des Handbuches gebildeten Titel wie etwa‘“Handbuch der Schwerstbehindertenpädagogik’ insofern programmatisch, als deutlich ge
macht werden soll,“daß diese Standortbestimmung[einer Pädagogik bei schwerster Behinderung— M.S.] noch im Fluß ist, daß definitive Positionen kaum einzunehmen sind”(Fröhlich, S. V). Die Praxis und die Theorie der Erziehung Schwerstbehinderter ist noch nicht so weit gediehen, daß von einer Schwerstbehindertenpädagogik im Sinne eines den verschiedenen Ansätzen gemeinsamen Fundamentes von Annahmen über die Erziehung Schwerstbehinderter gesprochen werden kann. Hinzu kommt, daß gerade dieser Aspekterzieherischen Tuns keine Domäne einzelner Fachrichtungen wie z.B. der Pädagogik ist:“Schwerste Behinderung hat, wie vielleicht schon lange keine sonderpädagogische Fragestellung mehr, Interdisziplinarität auf den Plan gerufen” ebd.).
Diese beiden Gesichtspunkte bestimmen Inhalt und Aufbau des Sammelbandes, wobei es Fröhlich erfreulicherweise gelungen ist, für eine Reihe von Themen auch sog.‘Praktiker’ als Autoren zu gewinnen. Insbesondere dem Gesichtspunkt der Interdisziplinarität trägt bereits die Gliederung des Bandes insofern Rechnung, als im Anschluß an jeweils einen grundlegenderen Aufsatz verschiedene Aufsätze zu den Themenbereichen sonderpädagogische Grundfragen, Förderansätze und praktische Realisierung, institutionelle, organisatorische und rechtliche Fragen, psyCchologische und sozialpsychologische Aspekte sowie zu medizinischen und therapeutischen Fragestellungen zusammengefaßt sind. Diese Aufsätze und die vielfältigen Verweise auf weiterführende Literatur ermöglichen auch Nicht-Fachleuten einen Zugriff auf den jeweiligen Kenntnisstand, und sie können dabei behilflich sein, die bei der Erziehung Schwerstbehinderter häufig erforderliche gezielte Förderung z.B. einzelner Wahrnehmungsbereiche oder konkreter Fähigkeiten sachgerecht zu fundieren und rechtliche oder medizinische Fragen, aber auch Fragen nach den verschiedenen z.B. institutionellen Möglichkeiten des Lebens und der Förderung schwerstbehinderter Menschen zu beantworten. In der Klärung dieser Fragestellungen liegt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung des vorliegenden Sammelbandes.
Was nun den ersten der beiden genannten Gesichtspunkte, d.h.“den Verzicht auf eine Benennung, wie etwa‘Schwerstbehindertenpädagogik’”(Fröhlich, S. V), angeht, so fällt auf, daß Fröhlich nicht nur einer themenorientierten den Vorrang vor einer etwa an Denktraditionen orientierten Darstellung gegeben hat, sondern daß er mit Ausnahme der an Pfeffer orientierten Ausführungen Fragners und Drehers vor allem weitgehend darauf
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIIL Heft 2, 1992
verzichtet hat, diejenigen Debatten fortzuschreiben, die— wie z.B. die Kontroverse um eine angebliche‘Verobjektivierung’ des schwerstbehinderten Menschen oder wie die Kontroversen um materialistische, rationalistische, anthropologische oder sog.‘normative’ Positionen zur Erziehung Schwerstbehinderter— die bisherige Diskussion um eine angemessene Erziehung Schwerstbehinderter geprägt haben. Dies ist einerseits wegen der diesen Debatten häufig immanenten insbesondere praktischen Unergiebigkeit und wegen der oftmaligen Beschränkung auf den Austausch von Vorurteilen zu begrüßen. Andererseits fällt aber auch auf, daß mit Ausnahme von Dreher keiner der diese Debatten bestimmenden Kontrahenten wie z.B. Feuser, Speck, Siegenthaler oder Kohl in dem Band vertreten ist, während andererseits mit Wember und Anstötz zwei rationalistisch orientierte Autoren die Gelegenheit erhalten haben, ihre methodischen Grundlagen weitgehend ohne einen tieferen Bezug auf Probleme der Erziehung schwerstbehinderter Menschen darzulegen. Diese Einseitigkeit mag nun teilweise in der von Fröhlich als Grund für das Fehlen der 0.g. Autoren genannten“Überlastung wegen anderer wichtiger Aufgaben”(Fröhlich, S. VI) begründet liegen. Sie schlägt sich in dem Handbuch aber auch in einer gewissen Einseitigkeit hinsichtlich des Verständnisses der Pädagogik bei schwerster Behinderung nieder.
So lag ein Gesichtspunkt innerhalb der genannten Debatten über die Erziehung Schwerstbehinderter darin, daß heftig über die sog.‘Ganzheitlichkeit’ gestritten wurde. Diese Frage wird auch in dem Sammelband wiederholt, so von Haupt, Wember, Fröhlich und Straßmeier, angesprochen, wobei Fröhlich feststellt, daß hiermit“auf die vielfältige Verflechtung unterschiedlicher Faktoren innerhalb und außerhalb eines Individuums hingewiesen wird, die auf dieses Individuum einwirken bzw. die als Einflüsse von diesem Individuum ausgehen”(Fröhlich, S. 155). Zugleich insistiert er unter Berufung auf Anstötz und Wember darauf, daß die Kritik an einer Verwendung dieses Begriffs dann berechtigt ist,“wenn‘Ganzheitlichkeit’ oder verwandte Begriffe verwendet werden, um die eigene Tätigkeit, das wissenschaftlich intendierte Vorgehen, Argumentation und Zielsetzung antianalytisch zu verschleiern” (ders., S. 157).‘Ganzheitlichkeit’ kann vielmehr“nur eine spezielle Sichtweise bedeuten, ein Respekt vor der Person‘als Ganzer’ des Gegenüber, nicht jedoch eine Abkehr von sorgfältiger Ursachen- und Folgenforschung” (ebd.). So gesehen impliziert‘Ganzheitlich
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