Hans-Peter Langfeldt+ Kulturelle Unterschiede bei der Beurteilung von erziehungsschwierigem Verhalten
Tabelle 1: Intra- und interkulturelle Übereinstimmung der Lehrerurteile über alle Items(Produkt
Moment-Korrelation r)
Deutsche Koreanische
Lehrkräfte Lehrkräfte
m)@ 6) 4©©&©&©&) 6 (1)Lehrerin x Schülerin-.94.93.94„l 53 ‚50 ‚50 (2)Lehrerin x Schüler-_.92.94.54 ‚60 ‚55.54 (3) Lehrer x Schülerin-_.93 ‚50 53„Jg ‚56 (4) Lehrer x Schüler r= ‚94-.50.54.50 ‚53 (S)Lehrerin x Schülerin- ‚82.84.74 (6) Lehrerin x Schüler-.81 ‚78 (7) Lehrer x Schülerin-—.12 (8) Lehrer x Schüler r= 53 r=.79
x Geschlecht des Schülers) das durchschnittliche Lehrerurteil(arithmetisches Mittel M) berechnet. Pro Item existieren also acht Mittelwerte, die als Variablenwerte interpretiert werden. Sie zeigen an, in welchem Ausmaß die einzelnen Untergruppen dem Item die Einschätzung “problematisches Verhalten” zuschreiben. Merkmalsträger sind also die einzelnenItems. Die Produkt-Moment-Korrelationen zwischen den Mittelwerten über alle 106 Items hinweg sind dann Maße für die Urteilsübereinstimmung zwischen den Untergruppen. Auf diese Weise er
hält man die in Tabelle 1 dargestellte 8 x 8-Korrelationsmatrix. Oberhalb der Diagonalen stehen Einzelkoeffizienten r, unterhalb(über Fishers z’-Transformation) gemittelte r. Wegen Vernachlässigung der Varianzen innerhalb der Gruppen führt eine Korrelation von Mittelwerten zu einer Überschätzung der“wahren” Übereinstimmung. Da es sich jedoch um einen Gruppenvergleich handelt und alle Gruppen gleichermaßen von dieser Überschätzung betroffen sind, ist dies in diesem Zusammmenhang unerheblich.
Tabelle 2: Durchschnittliche Einschätzung‘“kulturanfälliger” Items durch koreanische und deutsche Lehrkräfte(M und SD), Differenz(Diff) zwischen beiden Gruppen und Faktorladungen(a) der Items
auf dem Diskriminanzfaktor.
Mittlere Einschätzung
koreanische deutsche
Iteminhalt: Lehrkräfte Diff a Der Schüler(Die Schülerin) M: 1.44 1.02 0.42 ‚50 trägt eine Bekleidung mit SD: 0.67 0.13 aufgedruckten ausländischen Schriftzeichen. Der Schüler(Die Schülerin) M: 2.09 1.07 1.02 schminkt sich. SD: 0.84 0.31 Der Schüler(Die Schülerin) M: 1.76 1.05 0.71 isteitel. SD: 0.80 0.22 Der Schüler(Die Schülerin) M: 2.23 1.10 1.13 ‚22 manipuliert seine(ihre) SD: 0.80 0.32 Haare mit Haarsprays und färbt sie mit auffälligen Farben(Rot, blau...) Der Schüler(Die Schülerin) M: 2.07 1.11 0.96 37 bildet mit anderen eine SD: 0.80 0.36 Clique. Der Schüler(Die Schülerin) M: 207 1.09 0.98 3 geht in Diskotheken. SD: 0.86 0.34 Der Schüler(Die Schülerin) M: 1.47 1.02 0.45 n.S. kleidet und frisiert sich SD: 0.67 0.18 übertrieben modisch.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIIL, Heft 3, 1992
Tabelle 1 zeigt, daß die deutschen Lehrkräfte bei einer mittleren Korrelation von r= ‚94 in ihren Urteilen in hohem Maße übereinstimmen. Mit einer mittleren Korrelation von rı=.79 erweist sich die Urteilsübereinstimmung der koreanischen Lehrkräfte ebenfalls als recht hoch. Sie ist aber etwas geringer als in der deutschen Stichprobe. Die mittlere Übereinstimmung zwischen den Urteilen deutscher und koreanischer Lehrkräfte ist nur noch r= ‚53. Damit beträgt die durchschnittliche gemeinsame Varianz der Lehrerurteile in der deutschen Stichprobe 88%, in der koreanischen 62%. Dagegen beläuft sich die gemeinsame Varianz der Urteile deutscher und koreanischer Lehrkräfte nur auf 28%.
Kulturspezifische Lehrerurteile
Inwieweit die Antwort auf ein einzelnes Item kulturell determiniert ist, läßt sich durch die punktbiseriale Korrelation r_.. zwischen Itemantwort und kultureller Zugehörigkeit des Urteilenden bestimmen. Zu jedem Item gibt es 246 Antworten(entsprechend der Gesamtzahl aller Lehrkräfte), die aus zwei Kulturen stammen. Items mit signifikanter Korrelation belegen einen kulturspezifischen Effekt auf das Lehrerurteil und verringern die Übereinstimmung zwischen deutschen und koreanischen Lehrkräften. Das Gewicht, mit dem diese Items zur Unterscheidung der beiden Kulturen beitragen, wurde in einer Diskriminanzanylse geprüft. Darin wurden nur solche Items aufgenommen, deren punktbiseriale Korrelationen(bei df= 244) sehr signifikant und substantiell(r>.50) waren. Dies trifft für sieben der 106 Items zu; fünf beziehen sich auf das äußere Erscheinungsbild des Schülers und zwei beschreiben Formen des Freizeitverhaltens. Sie sind in Tabelle 2 zusammen mit den Ergebnissen der Diskriminanzanalyse aufgeführt.
Bevor auf eine inhaltliche Interpretation dieses Ergebnisses eingegangen wird, soll zunächst geprüft werden, wie gut die Trennung ist, die durch die nur sechs Items mit signifikanten Faktorladungen
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