Frühförderung und geistige Behinderung—
Chancen, Probleme und Grenzen
Von Knut Dönhoff
Ausgehend von einer knappen definitorischen Abgrenzung von Frühförderung einschließlich ihrer Teilaspekte und von geistiger Behinderung, Zielen und Organisationsformen der Frühförderung geht es darum, wesentliche Aspekte der Frühförderung geistig Behinderter darzustellen auf der Basis eines Menschenbildes, das den behinderten Menschen nicht anhand von Defiziten zu erfassen sucht, sondern ihn in seiner Gesamtentwicklung einschießlich seiner Bedürfnisse und Interessen sieht und entsprechend zu fördern sucht. Der Schwerpunkt der Frühförderung liegt allgemein in der Prävention, beim geistig Behinderten in der Milderung des Schweregrades der geistigen Behinderung und Steigerung seiner Lebensqualität. Thematisiert werden exemplarisch die vielfältigen und auf unterschiedlichen Dimensionen sich ergebenden Problemfelder im Bereich der Familie, in Zusammenhang mit dem Selbst- und Rollenverständnis und den daraus resultierenden förderspezifischen Verhaltensweisen der Fachleute. Weitere Problemfelder beziehen sich auf die Gewinnung empirischer Befunde, z.B. im Bereich der Effektivitätskontrollen und auf die Angemessenheit und Effektivität der eingesetzten Fördermaßnahmen. Auf die unabdingbare Notwendigkeit, die Chancen und Möglichkeiten der Frühförderung wird verwiesen vor dem Hintergrund einer gedämpft optimistischen Einstellung bezüglich der Effekte der Frühförderung.
First a definition of early intervention and its different appearances and a definition of mental retardation, of the aims and organisation of early intervention are given. Significant aspects of the early intervention for severe retardation are discussed basing on a conception of man, defining retarded persons not in terms of deficits, but regarding their complexity of development as well as their needs and interests in making a decision for a treatment program. Generally early intervention is preventive in character, but in case of severe retardation it means to prevent from getting worse and to improve quality of life. Topics of this article are problems in the field of family life as well as problems in the self-concept and rule behavior of the retarded and the following treatment programs. Problems in getting empirical data, e.g. inthe fieldof controlling the effectivenessof programs andtheir adequacy and results are discussed. The necessity, the opportunities and the limits of early intervention are pointed out; there is a qualified optimistic view to early intervention.
Eingrenzung und Problemaufriß der Ausführungen
In diesem Beitrag soll ein skizzenhafter Überblick gegeben werden über das derzeitige Verständnis von Frühförderung in seinen unterschiedlichen Bereichen, den grundlegenden Organisationsformen und vor allem den Problemen, die in einer trainingsorientierten Fördereuphorie häufig nicht oder nicht hinreichend bedacht werden.
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Der Begriff“geistige Behinderung” wird umrissen, in den weiteren Ausführungen zur Frühförderung wird dieser Bezug nicht immer explizit genannt, da sich die grundlegenden Fragestellungen in den verschiedenen Behinderungsarten gleichen.
Es soll in diesem Rahmen kein Überblick über bestimmte Frühförderprogramme vermittelt werden, wie sie sich bei den verschiedenen Formen und Schweregraden geistiger Behinderung anbieten,
und die bevorzugt das gemeinsame Ziel verfolgen, durch Training bestimmter Funktionsbereiche zu erreichen, daß Behinderte ein möglichst wenig durch Behinderung und ihre Folgen belastetes individuales und soziales Leben führen können.
Sosind z.B. die Vermittlung sensorischer und kinästhetischer Reize ganz wesentlich für die Bewegungserfahrung bei hypomotorischen(bewegungsapathischen) Kindern mit Trisomie 21; es geht darum,
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIIL, Heft 3, 1992