Lernprozeßanalyse und Konsequenzen für die
Lernförderung
Von Alfons Strathmann
In der vorliegenden Untersuchung wird versucht, dem Zusammenhang von Kommunikation und Lernen nachzugehen. Der Lernprozeß wird in seinem Ablauf erfaßt, in Phasen und Kategorien aufgegliedert und Schritt für Schritt analysiert. Hierzu wurden parallelisierte Schülergruppen in Regel- und Sonderchulen zwei standardisierte, hierarchisierte Problemstellungen vorgegeben. Die Bearbeitung der Aufgaben durch die Schülergruppen wurde in Bild und Wort per Video und Tonband aufgezeichnet und anschließend empirisch bearbeitet und ausgewertet. Die Analyse der Daten ergab signifikante Unterschiede im Lernprozeßverlauf der beiden Schülergruppen. Es gelang aufzuzeigen, welche Lernaktivitäten für die möglichst erfolgreiche Bearbeitung von Aufgaben notwendig sind, mit welchen Kommunikationsmitteln sie realisiert werden, und wo die Unterstützungsmöglichkeiten für die Schüler mit Förderbedarf liegen.
Die Untersuchung zeigt, daß in den interdependenten Bereichen der gegenständlichen Erfahrung, der lautsprachlichen und schriftsprachlichen Aktivität bestimmte Voraussetzungen zu schaffen sind, um auch bei Schülern mit Förderbedarf erfolgreich Lernaktivitäten zu sichern. Sie zeigt auch, daß in jedem Fall erfolgreiche Lernprozesse möglich sind, daß jedoch der Grad der Abstraktion und Folgerungen unmittelbar von der Kommunikationsfähigkeit abhängt. Für den Bereich der Förderdiagnostik, der Didaktik und Methodik bedeutet dies, den Zusammenhang von Wahrnehmung, Sprache und geistiger Operation sorgfältig zu analysieren und aufzubauen, um damit auch schwächeren Schülern den Weg zu Lernprozessen mit hohen Abstraktionsgrad zu ebnen.
The investigation attempted to trace the connection between communication and learning. The learning process is recorded in its course, divided into phases and categories and analysed step by step. By comparing the course of learning of pupils having average learning ability with pupils with learning difficulties it can be successfully demonstrated which learning activities are necessary, with which communication means they are realised and where the course of pupils’ learning with weak learning abilities diverges from normal course of learning.
The investigation shows that, both in the area of objective experience and in the area of phonetic and written language activity, certain pre-conditions must be created in order to ensure successful learning activities in pupils with weak learning ability. It also shows, that in every case, successful learning processes are possible, but the degree of abstraction and inference is directly dependent on communication ability. For this reason it is essential to build up carefully the connection between perception, speech and mental operation an thereby make learning processes with higher abstraction also possible for weaker pupils.
Einführung
Es sollte eine inzwischen selbstverständliche Forderung sein, die Schülerinnen und Schüler in ihrer Lernentwicklung dort abzuholen, wo sie stehen. Diese Forderung setzt für einen erfolgreichen
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Förderansatz zwingend voraus, daß die Lehrkraft weiß, welche vorhandenen Kenntnis- und Handlungsmöglichkeiten für einen Lernprozeß genutzt werden können. Dies ist in einem zweifachen Sinn eine positive Empfehlung. Zum einen wird betont, daß primär nach den
bereits vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten und nicht nach Mängeln zu fragen ist. Zum anderen schließt das“Abholen” ein Weiterführen mit ein.
Die im folgenden dargestellte Untersuchung soll einen Beitrag dazu leisten, die vorhandenen Lernmöglichkeiten der
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 3, 1992