Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
133
Einzelbild herunterladen

Schulkinder vergleichend in Regel­und Sonderschule(Schule für Lernbe­hinderte) im primär kognitiven Bereich zu erfassen, um auf dieser Basis realisti­sche Überlegungen für eine erfolgver­sprechende anknüpfende Förderung ent­wickeln zu können.

Theorie

An dieser Stelle wird der kommunika­tionstheoretische Ansatz von Radigk im Überblick dargestellt, da er für die Kon­struktion und Interpretation der hier dar­gestellten Untersuchung bedeutsam ist. Radigk(1982) benennt in seinem System drei Informationsstufen, die allerdings in einem interdependenten Bezug zueinan­derstehen.

Die für die erste Informationsstufe be­schriebenen Inhalte sind grundlegend für den Lernprozeß. Der Organismus kom­muniziert in der ersten Phase der Ent­wicklung mit der Umwelt. Mittels kon­genitaler Reflexe reagiert er auf Umwelt­reize. Es werden die Voraussetzungen für differenzierte Lernprozesse im Wech­selspiel der Sensibilisierung der Rezep­toren und der Speicherung in den sekun­dären Rindenfeldern(Rexrodt 1981) ge­legt. Die ersten Schemata(Piaget 1947) entstehen hierbei, wobei mittels deren Hilfe die Umwelt nicht nur rezipiert, sondern auch kodiert wird. Somit werden innerhalb der ersten Inforamtionsstufe Wiederspiegelungen des ZNS gespeichert und ermöglichen bereits Grundfunktionen wie Analyse, Vergleich und Systemati­sierung. Selbstverständlich werden in­nerhalb dieser ersten Informationsstufe ähnlich wie in den beiden folgenden Informationsstufennicht nur Sinnzuord­nungen wie emotionale Bezüge und so­ziale Einbettungen wahrgenommen, zu­geordnet und gespeichert. Es können be­reits Ordnungen und Normen entwickelt werden. Da die Qualität der Kodierungen einerseits von den Angeboten und ande­rerseits von den sich entwickelnden Fä­higkeiten wechselseitig abhängig ist, wird deutlich, welche Auswirkungen einge­schränkte Wahrnehmungsfähigkeiten bzw. Erfahrungsangebote zur Folge ha­ben können.

Alfons Strathmann+ Lernprozeßanalyse und Konsequenzen für die Lernförderung

Das Lernen innerhalb der zweiten In­formationsstufe nutzt in der Regel die akustische Wahrnehmung im Sinne von Sprache, das heißt, es wird mit einer neuen Qualität umgegangen, nämlich der abstrakten Kodierung der Inhalte der er­sten Informationsstufe mittels akustisch sprachlicher Möglichkeiten. An dieser Stelle wird folgendes noch deutlicher: Verständigung kann nur dort gelingen, wo Sender und Empfänger in ihren Ar­beits- und Kommunikationsmöglichkei­ten übereinstimmen(Watzlawik u.a. 1980, 23).

Im Rahmen der dritten Informationsstufe entsteht wiederum eine neue Qualität, nämlich die Kodierung und Dekodierung graphischer Zeichen. Diese höhere Ko­dierung macht zugleich höhere Denk­leistungen möglich und fordert sie natür­lich auch. Wichtig ist auch hier der Hin­weis auf das interdependente Zusammen­wirken aller Informationsstufen für die jeweilige Entwicklung, d.h. z.B.: wech­selseitige Korrekturen, Ergänzungen und bessere Verstehbarkeit. Insgesamt lie­gen die Möglichkeiten der Schrift zum einen in einer höheren und somit abstrak­teren Kodierung(z.B.: mathematische Formeln) aber nicht nur in solchen, die im direkten Bewußtsein bestehen. In­haltlich ermöglicht das Arbeiten inner­halb der dritten Informationsstufe insbe­sondere die Konzentration von Sinnge­halten, Rationalisierung, Präzisierung, In­terpretationen, sowie zum Beispiel die Fixierung komplexer Sachverhalte. Radigk hat somit ein Konzept vorgelegt, das sich nicht nur, wie die Aneignungs­theorie, nur auf die Leistungen der Hand­lung und Sprache bezieht. Das Konzept wurde um die dritte Informationsstufe ergänzt und bezieht somit die Leistungen der Schriftsprache mit ein.

Außerdem wurde durch die Beschrei­bung der Interdependenz der Stufen un­tereinander der konzeptionelle Ansatz eines starren Stufenkonzeptes wie z.B. bei Piaget verlassen(Driver 1978; Do­naldson 1982).

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 3, 1992

Fragestellung

Ziel der empirischen Untersuchung (Durchführung: 1981 ausführliche Dar­stellung Strathmann 1985) war es, den Lernprozeß bei Schulkindern der Regel­schule und Schulindern der Schule für Lernbehinderte(Sonderschule) zu unter­suchen.

Für die genannten Schülergruppen galt es herauszufinden, wie sich möglicher­weise vorhandene unterschiedliche Fä­higkeiten und deren Interdependenzen in den Bereichen des gegenständlichen, lautsprachlichen und schriftsprachlichen Handlungs- und Lernzusammenhanges auf den Lernprozeßverlauf auswirken. Im Kern dieses Ansatzes geht es also weniger darum festzustellen, welche Unterschiede zwischen den Schülern der einzelnen Schularten in den Leistungen bestehen. Regelhaft verlaufenden Lern­prozessen sind Lernprozesse analysie­rend gegenüberzustellen, die nicht zur vollen Entfaltung gelangen.

Durch spezielle Aufgabenstellungen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich (Waage/Gleichgewicht; Schiefe Ebene/ Weg-Kraftauswirkung) sollte herausge­funden werden, zu welchen Leistungen Schulkinder der Regelschule und der Schule für Lernbehinderte fähig sind und wosich Unterschiede im Ablauf der Lern­aktivitäten zeigen.

Lernaktivitäten

Es kann vorausgesetzt werden, daß im Lernprozeß selbst die Leistungen der Informationsstufen nie isoliert erschei­nen, daß sich aber trotz der Interdepen­denz Phasen des Lernprozesses ergeben, in denen eindeutiger das gegenständli­che Handeln, die lautsprachliche Äuße­rung oder die schriftsprachliche Aktivi­tät im Vordergrund stehen. Gleichzeitig konnte aus der Erfahrung vorausgesetzt werden, daß in den einzelnen Phasen des Lernprozesses die notwendigen, gegen­ständlichen, laut- oder schriftsprachlichen Aktivitäten auf verschiedenem Niveau ablaufen, das heißt, es würde sich die Möglichkeit einer qualitativen Klassifi­zierung ergeben, die dann einen Ver­

133