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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Anzahl der Äußerungen nahezu gleich, scheinbar ermöglicht jedoch die Qualität nicht die erforderlichen Lernprozesse. Dieses Suchen gilt es aufzugreifen, so­weit erforderlich, muß der Lehrer in die­ser Phase die korrekten Bezeichnungen erarbeiten und gegebenenfalls vorgeben. Deutlich wurde bereits in der Phase der Gegenstands-Orientierung welche zen­trale Rolle die Sprache im Lernprozeß spielt. Mit ihr versuchen die Schüler die realen Erfahrungen zu präzisieren, Zuzu­ordnen und zu vergleichen, aber auch Handlungswege zu suchen und zu be­schreiben.

Beispiel: Regelschule R 1(Gleichgewicht) Phase: Gegenstands-Orientierung.

VI.: Könnt ihr mir sagen, was das für Ge­genstände sind?

S.: Das sind Gewichtssteine...

VI.: Hm, hm

S.:... also irgendein Metall

VI.: Hmhm

S.: Jetzt hab ichs kapiert.

VI.: Könnt ihr mir sagen was das ist?(zeigt auf Hebel)

S.: Das ist überhaupt die Waage, der He­bel, wenn man das da aufsteckt, dann kom­men die Gewichte drauf.

In dem oben dargestellten Protokoll­auszug wird die Stringenz der Gedan­kenführung und der Fähigkeit, sie verbal darzustellen, deutlich.

Stehen sprachliche Bezeichnungen und Begriffe nicht oder mangelnd zur Verfü­gung, So kann auch nicht erwartet wer­den, daß die entsprechenden geistigen Operationen, die verlangt werden, for­muliert werden und gelingen. Dies soll wiederum an einem Beispiel verdeut­licht werden.

Beispiel: Sonderschule S8(Gleichgewicht) Phase: Gegenstandsorientierung

VI.: Konnt ihr euch vorstellen, was ihr mit diesen Gegenständen tun könntet?

S.: Da Dinger äh und hier...

VI.: Ja, wie meinst du das?

Werden später Leistungen des schluß­folgernden Denkens, des Verallgemei­nerns und formelhaften Zusammenfas­sens verlangt, wie dies in der Auswer­tungsphase erforderlich ist, so wird deut­

Alfons Strathmann- Lernprozeßanalyse und Konsequenzen für die Lernförderung

lich, daß dies ohne konkrete Vorlei­stungen im sprachlichen Bereich nicht möglich sein wird.

In der Phase der schriftsprachlichen Ori­entierung zeigt sich bei den lernbe­hinderten Schülern eine sehr starke Ver­wirrung und Hilflosigkeit. Oft bereiten Diskriminationsprozesse Schwierigkei­ten, insbesondere solche, bei denen es gilt, schriftsprachliche Konfigurationen zu dekodieren und zwar nicht nur in ihrer Bedeutung, sondern nach ihren Möglich­keiten und Beziehungen. Sehr oft wird aber im Unterricht so vorgegangen, daß die Lernvoraussetzungen bezogen auf das zuletzt Gesagte, nicht hinreichend berücksichtigt werden.

Die Schulkinder der Schule für Lernbe­hinderte(Sonderschule) sind auf das Handeln angewiesen und mit den vorge­gebenen Instrumentarien bereit. Es fehlt ihnen jedoch der nötige Überblick, so daß die Handlungsphase in den Lernein­heiten relativ untergeordnet verläuft. Die nur in Ansätzen vorhandene Orientie­rung, die unzureichende Kommunikati­on aber sicherlich auch das wenig plan­volle Vorgehen(Lauth 1991) muß als Ursache angenommen werden. Besonders groß ist das Interesse der Schü­ler am Anfang der Handlungsphase. Die­se Bereitschft gilt es aufzugreifen. Vor­aussetzung dafür ist jedoch die Vermitt­lung der nötigen Techniken, des Um­gangs mit den Dingen, der sprachlichen Kommunikationsmöglichkeiten, und so­weit erforderlich, der Anleitung für ziel­gerechtes Handeln(Lauth 1991).

In der letzten Phase der Lerneinheit, der Auswertungsphase, gelingt es den Re­gelschülern, gute Ergebnisse zu erbrin­gen, während bei den lernbehinderten Schülern in dieser Phase kaum noch auswertbare Ergebnisse zu ermitteln sind. Es kann bei ihnen kein Interesse mehr für das Ausfüllen der Tabellen geweckt wer­den. Die Zusammenfassung der Daten fordert in ihrer abstrakten Form geistige Operationen, die eine völlige Überfor­derung darstellen. Hier werden sicher auch geeignete Trainings benötigt. An dieser Stelle sei besonders auf die För­deransätze von Klauer(1989) und Masen­dorf(1983; 1988) verwiesen.

Die vorliegenden Untersuchungser­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIIL Heft 3, 1992

gebnisse zeigen, daß es falsch ist, Lernen

nur anhand erreichter Lernziele oder

Lernergebnisse zu beurteilen. Wenn eine

bestimmte kognitive Qualität noch nicht

erreicht ist. bzw. Wege einer gezielten

Vorgehensweise noch nicht hinreichend

entwickelt sind, treten Probleme auf. In

diesem Falle treten Inhomogenitäten auf, die aber, wie den Untersuchungsergeb­nissen zu entnehmen ist, keineswegs vor­hersehbar oder einheitlich sind. Viel­mehr treten nun interindividuelle Unter­schiede zu Tage, die einen einheitlichen

Unterricht völlig in Frage stellen und die

Forderung nach Individualisierung und

Differenzierung der Lernanforderung

speziell bei lernschwachen Schülerinnen

und Schülern nachhaltig unterstützen.

Für die Beurteilung von geistigen Lern­

handlungen, die während eines Lernpro­

zesses zu analysieren sind, werden daher etwa folgende Feststellungen bedeutsam:

Inwieweit sind Voraussetzungen zur Ausbildung der Fähigkeiten in der je­weiligen Informationsstufe vorhan­den?

Wie groß ist der sprachliche Anteil bei der Lernhandlung, wie wird er einge­setzt und mit welcher Qualität?

Wie groß ist die Fähigkeit, mit schrift­sprachlichen Informationen umzuge­hen?

Wie groß ist die Interdependenz der Leistungen zwischen den drei Infor­mationsstufen im individuellen Lern­prozeß(Handlung, Laut- und Schrift­sprache)?

Liegen Fähigkeiten für eine gezielte und geordnete Vorgehensweise vor?

Wie ausgeprägt ist die Fähigkeit, spe­zielle Inhalte speichern und trans­ferieren zu können?

Wie ausgeprägt ist die Fähigkeit einen Handlungsablauf gedanklich struktu­rieren zu können?

Eine pädagogische Diagnostik sollte demnach nicht rein deskriptiv vorgehen, sondern auch die prozessualen Faktoren mit einbeziehen, d.h. es sollten Prozesse initiiert werden, die an beobachtbaren Situationen i.S. von diagnostischen wie fördernden Charakter beeinflußbar sind. Grundsätzlich sind die vorgelegten Fest­stellungen von den bestehenden oder zu

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