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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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R. P. Garries, L. Hazinski& J. Hollenweger- Soziale Trainingsprogramme bei geistig behinderten Erwachsenen

wendeten, zeigten, daß sich das trainier­te Verhalten kaum auf andere soziale Kontexte übertrug(Bates 1980; Matson & Stephens 1978; Perry& Cerreto 1977; Turner, Hersen& Bellack 1978). Studi­en, die eine Nachuntersuchung durch­führten, zeigten auch, daß sich die trai­nierten Fertigkeiten in der Zeit zwischen Posttest und Follow-Up verschlechterten (Bornstein, Bach, McFall, Friman& Lyons 1980; Hazinski& Matson 1985; Matson& Senatore 1981). Im Hinblick auf die große Bedeutung von sozialen Kompetenzen für die Integration geistig Behinderter müssen sich effektvolle Trainingskonzepte auch mit Maßnahmen bezüglich Generalisierung und Überdau­erung der trainierten Verhaltensweisen (Stokes& Baer 1977) auseinanderset­zen.

In letzter Zeit werden in der Literatur vermehrt Selbst-Management-Techniken als Methoden vertreten, von denen auch geistig Behinderte profitieren können. Die Selbsteinschätzung des Verhaltens anhand von Videoaufnahmen, bei wel­cher die Versuchsperson das eigene Ver­halten aktiv beobachtet und protokol­liert, findet immer mehr Beachtung als eine Methode zur aktiven Verhaltensän­derung. Diese Selbsteinschätzung beein­flußt die Frequenz des beobachteten Ver­haltens der Versuchsperson und wirkt deshalb reaktiv oder rückwirkend auf dieses(Kazdin 1974).

Das Abspielen einer Videoaufnahme bestimmter Verhaltenssequenzen zum Zweck einer individuellen Rückmeldung kann als Hilfsmittel zur Verhaltensände­rung hilfreich sein. Diese Technik ist verbreitet, um während eines sozialen Kompetenztrainings ein Feedback über das Verhalten geben zu können. Sie hilft auch, die Aufmerksamkeit zu verbessern underlaubt eine unmittelbare Selbstbeob­achtung, wenn die Videoaufzeichnungen zur Selbsteinschätzung des Verhaltens verwendet werden(Nelson 1977). Obwohl die Information bezüglich des therapeutischen Wertes der Selbstein­schätzung durch Video eher beschränkt ist, haben einige Forscher diese Metho­den als wirkungsvoll eingeschätzt, um Verhaltensänderungen zu erhöhen(Nel­son, Lipinski& Black 1976). Matson und

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seine Kollegen haben in einigen Studien (Matson 1979; Matson& Andrasik 1982; Matson& Zeiss 1978) gezeigt, daß Selbst­Management- Verfahren den Effekt von sozialen Trainingsprogrammen optimie­ren konnten. Wenn man diese Ergebnisse berücksichtigt, könnte die Verwendung von Videoaufnahmen zur Selbsteinschät­zung des Verhaltens die Generalisierung und das Andauern trainierter sozialer Kompetenzen bei geistig behinderten Er­wachsenen positiv beeinflussen.

Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, in welchem Maße soziale Kompetenzen, die in einem Training erworben wurden, tatsächlich später in realen Situationen angewandt werden können. Ein erster Schwerpunkt der Untersuchung war es, geistig behinderten Erwachsenen die Kompetenzen zu vermitteln, die sie im täglichen Umgang und Gespräch mit ih­rer Peergruppe benötigten. Der zweite Schwerpunkt lag darin, festzustellen, ob die Verwendung von Videoaufnahmen zur Selbsteinschätzung als eine entwick­lungsfähige Methode gelten kann, die es geistig Behinderten erlaubt, das eigene Verhalten zu beobachten und zu verän­dern.

Methode Versuchspersonen

Die Versuchspersonen waren 42 geistig behinderte Erwachsene, davon 17 Män­ner und 25 Frauen, die in einer geschütz­ten Werkstatt angelernt wurden und ar­beiteten. Ihr Alter lag zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 23 und 63 Jah­ren, mit einem durchschnittlichen Alter von 31.9 Jahren. Der Intelligenzquotient nach dem Stanford-Binet und Wechsler Intelligenztest lag zwischen 22 und 67 mit einem Mittelwert von 47.4.

Alle Versuchspersonen zeigten ein Defi­zit im Bereich der sozialen Kompeten­zen, das wie folgt definiert wurde: Test­werte von weniger als 80% aller Items in der von Matson, Hersen, Bellack und Senatore(1983) überarbeiteten Fassung desSocial Performance Survey Sche­dule(Lowe& Cautela 1978). Die Ver­suchspersonen verfügten über die Fähig­

keit, einfache Anweisungen zu befolgen, klare kurze Sätze zu artikulieren und Situationen und Ereignisse zu beschrei­ben, so wie sie in derCamelot Behavioral Checklist(Foster 1974) erfaßt werden. Ebenfalls waren sie fähig, verständliche Sprache zu produzieren und auf einfache Fragen zu antworten, indem sie zwei oder mehr Wörter gebrauchten, um Si­tuationen und Ereignisse während eines mit Video aufgezeichneten Interviews zu beschreiben. Obwohl diese Kriterien für praktisch bildungsfähige geistig Be­hinderte sehr anspruchsvoll erscheinen mögen, zeigten alle Versuchspersonen in dieser Studie die oben beschriebenen sprachliche Kompetenzen.

Untersuchungsort und-ausrüstung

Die Untersuchungen wurden in einem Heilpädagogischen Zentrum mit ge­schützten Arbeitsplätzen und Unter­richtsmöglichkeiten durchgeführt, das sich in einem städtischen Gebiet im Süd­osten der Vereinigten Staaten von Ame­rika befindet. Das Training und die Un­tersuchungen fanden in einem Klassen­zimmer statt, in dem ein Tisch und acht Stühle waren. Das Klassenzimmer ent­hielt ebenfalls einen Bereich, in dem der Untersucher die Videoausrüstung außer­halb des Blickfeldes der Versuchsperson bedienen konnte.

Trainingsinhalte

Die Verhaltensweisen, die als Trainings­inhalte und zur Evaluation ausgewählt wurden, waren Reaktionen, die vorher­gehend als notwendig für das Initiieren von Kontakten und Aufrechterhalten ei­nes Gesprächs validiert wurden(Minkin et al. 1976).

Verbales Verhalten: Gesprächsinitiie­rende Fragen. Als gesprächsinitiierende Fragen wurden alle Fragen der Ver­suchsperson gezählt, die vom Gegenüber eine Information oder eine Reaktion her­vorbringen sollten. Zu diesen Fragen zählten(a) direktes Bitten um Informati­On, wie etwaWie lange sind Sie schon

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVIII, Heft 3, 1992