Jürgen Guthke, Petra Wolschke, Klaus Willmes& Walter Huber* Leipziger Lerntest
der Objektidentifikation erworben(Klix 1976, 1980).
Seit den Anfängen der Begriffsbildungsforschung wurde immer wieder das Bezeichnen und das Klassifizieren von geometrischen Figuren untersucht(Hull 1920; Ach 1921; vgl. auch Luria 1987). Für die Entwicklung des Leipziger Lerntest DP-BAK gab ein Lernexperiment von Iwanowa(1973) wesentliche Anregungen(vgl. Löffler 1981; Michalski 1988). Iwanowa nutzte einfache geometrische Figuren(Dreieck, Kreis, Viereck, Rhombus), die sie in Form und Farbe variierte, um bei Kindern die Wirksamkeit von Hilfen in Klassifikationsaufgaben zu überprüfen. Insbesondere bei der Beurteilung von intelligenzgeminderten Kindern habe sich dieses Vorgehen bewährt.
Das DP-BAK wird wie die anderen Leipziger Kurzzeitlerntests(vgl. Guthke 1989) in nur einer Sitzung durchgeführt. Die in Langzeitlerntests übliche Trennung zwischen Pädagogisierungsphase und Testphase besteht nicht. Vielmehr haben die einzelnen Aufgaben sowohl Test- als auch Trainingsfunktion. Das Programm hat einen sequentiellen und hierarchischen Aufbau. Es enthält abgestufte Rückinformationen und Hilfen für das Kind, so daß eine Analyse des Lernverlaufs möglich wird. Der hierarchische Aufbau wurde durch systematische Hinzunahme von Begriffsmerkmalen bzw. Operationen bei der Itemkonstruktion erreicht, so daß es zu der gewünschten Komplexitätssteigerung für die Itemabfolge kommt. Es wurde versucht, Kontentvalidität (Klauer 1978) vor allem durch eine genaue Beschreibung der Anforderungsstruktur der einzelnen Items zu gewährleisten.
Das Kind kann im Unterschied zum herkömmlichen Statustest während des Testablaufs ständig aus seinen Fehlern für den weiteren Testbearbeitungsprozeß lernen. Wie bei Blooms“Mastery leaming strategy”(vgl. Bloom 1971) kann das Kind erst dann zum nachfolgenden Item voranschreiten, wenn es alle vorangehenden leichteren Items entweder selbständig gelöst oder nach fein abgestuften Hilfen bewältigt hat. Auf diese Weise wird der alltägliche Lernprozeß zumin
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dest in seinen Grundzügen im Test simuliert.
Der Leipziger Lerntest wurde als Beitrag zur Verbesserung der Diagnostik bei leistungsschwachen Schülern im ersten Grundschuljahr konzipiert. In Kombination mit anderen diagnostischen Verfahren soll DP-BAK zu einer differentialdiagnostischen Beurteilung der intellektuellen Fähigkeiten dieser Kinder beitragen. Die Fähigkeit oder Unfähigkeit im Ausnützen von Lernhilfen kann für die differentialdiagnostische Beurteilung bedeutsam sein. Kinder mit Auffälligkeiten in der Entwicklung des begrifflichen Denkens weisen möglicherweise spezifische Lernverlaufseigenschaften auf. Das Aufdecken von solchen Besonderheiten ist für eine förderungsorientierte Diagnostik nützlich.— Im folgenden werden Aufbau, Durchführung und Konstruktionseigenschaften des DP-BAK dargestellt.
Methode Beschreibung des Testverfahrens
Testmaterial und Testanforderung. Aus einer Menge von Objekten(Holzplättchen) sollen Untermengen entsprechend einer vorher gezeigten Beispielaufgabe aussortiert werden. Die Objekte unterscheiden sich in Form, Größe und Farbe, bei späteren Aufgaben auch nach zusätzlichen Details(Umrandung, Innenpunkt), die für die Klassifikation jedoch irrelevant sind. Die Eigenschaften der Testobjekte sind in Tabelle 1 zusammengestellt.
Die Holzplättchen müssen nach Form, Größe und einer Kombination beider Merkmale, also nach geometrischen Eigenschaften, nicht aber nach der Farbe
Tab. 1: Eigenschaften der Testobjekte
Merkmal Ausprägungen
Form* Dreieck, Kreis
Größe* groß, klein
Farbe rot, blau(Beispielaufgaben) grün, gelb(Analogaufgaben)
Detail umrandet, nicht umrandet,
Innenpunkt, kein Innenpunkt
* Klassifikationsrelevantes Merkmal
oder nach zusätzlichen Details sortiert werden. Die klassifikationsrelevanten Merkmale sind durch die Beispielaufgabe jeweils festgelegt. Das Kind soll die Sortierkriterien in der Beispielaufgabe erfassen und in der Analogaufgabe(bei veränderten Farben bzw. Details der Objekte) selbständig anwenden. Gefordert wird also die Abstraktion von relevanten Merkmalsverknüpfungen aus dem Gesamtensemble von Eigenschaften unter Vernachlässigung von irrelevanten Merkmalen(Farben, Details). Diese Abstraktionsleistung kann man für die Begriffsbildung als grundlegend ansehen (vgl. Luria 1966, 1987). Sind die Kinder in der Lage, die Objekte korrekt zu klassifizieren, haben sie den jeweiligen Begriff, nämlich den der geometrischen Eigenschaften Form bzw. Größe erworben. Testaufaufbau. Der Test besteht aus einem allgemeinen Einführungsteil und einem Aufgabenteil. Im Einführungsteil werden die Kinder mit den verwendeten Objekten und ihren Eigenschaften vertraut gemacht. Sie werden aufgefordert, alle Eigenschaften der Objekte zu benennen. Der Untersucher registriert die spontanen Äußerungen des Kindes(Verbalisation im Einführungsteil). Falsche Bezeichnungen des Kindes werden korrigiert. Damit wird angestrebt, eine möglichst gleiche Ausgangsposition für alle Kinder im Testverarbeitungsprozeß zu schaffen.
Der Aufgabenteil des Tests besteht aus drei Untertests mit unterschiedlichen 10gischen Anforderungen, wie in Tabelle 2 angegeben. Im Untertest I erfolgt die Klassifikation nach Form, im Untertest II nach Größe und im Untertest III nach einer inklusiv-disjunktiven Merkmalverknüpfung von Form und Größe(Vereinigungsmenge der dreieckigen und der großen Objekte). Jeder Untertest enthält fünf Aufgaben, die ersten drei Aufgaben
Tab. 2: Lösungsrelevante Klassifikationsmerkmale in den Untertests I, IL III
Form Kreis Dreieck — groß LI Il Größe — klein LI I, IN
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1992
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