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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Monika Brunsting-Müller* Kognitive und metakognitive Aspekte in der Arbeit mit lerngestörten Kindern

Tests, die die auditive Diskriminierung und Kurzzeitspeicherung prüfen(Mottier, Zahlenreihen nachsprechen), was auf die Notwendigkeit hinweist, auch Übungen einzubeziehen, die in diesem für die Sprachentwicklung so wichtigen Bereich ansetzen.

Lern- und Erinnerungsstrategien im ver­balen Bereich waren bei Ueli bereits vor dem Training sehr effizient. Verbesse­rungen waren weder zu erwarten noch zu beobachten.

Zusammenfassung: Während Trainings­effekte bald sichtbar werden, scheint für die Erzielung nachhaltiger Effekte(Er­haltungs- und Transfereffekte) mehr Zeit nötig zu sein. Insgesamt waren bei Ueli eher bescheidene quantitativ meßbare Trainings-, Erhaltungs- und Transferef­fekte festzustellen.

Der entfernte Transfer ist erfreulich. Ueli verbessert sich tendenziell in verbalen und nonverbalen Problemlöseaufgaben, sowie auch im Lesen und Rechtschreiben.

Teil 2: Steuerungs- und Überwachungsaktivitäten (qualitative Aspekte des Lernens und Problemlösens)

Unter Steuerungs- und Überwachungs­aktivitälten werden qualitative Aspekte des Lernens und Problemlösens verstan­den, die als sehr wichtig gelten. Es han­delt sich um Funktionen zur Selbststeu­erung exekutiver Prozesse, welche in der metakognitiven Forschung als höchst bedeutsam beschrieben werden(Brown 1984; Flavell 1976, 1984; Palincsar 1986; Paris& Oka 1987). Die Erfassung und das Training von Problemlöse- und Lern­strategien, von Kontroll- und Korrektur­prozeduren, die Evaluation der Aufga­benschwierigkeit und die allgemeine Generalisationsfähigkeit bilden wichti­ge Voraussetzungen für ein gutes Lern­und Problemlöseverhalten und dienen im Rahmen dieser Studie sowohl förder­diagnostischen als auch-planenden Zie­len.

Dazu wurde Ueli im Anschluß an die Lösung jeder Aufgabe gefragt, was er hier gemacht bzw. gelernt habe. Diese

Therapiephasen wurden ab Videoband wörtlich transkribiert und anschließend qualitativ ausgewertet.

Kognitives Verhalten und metakognitives Bewußtsein

Strategien: Für ein optimales kognitives Funktionieren ist ein Zusammenspiel von globalen(ganzheitlich orientierten) und differenzierten(einzelheitlich ausgerich­teten) Strategien nötig.

Bei einem Überwiegen globaler Strate­gien besteht die Gefahr impulsiven ko­gnitiven Verhaltens, fehlender Analyse und mangelhafter Erfassung von Details. Bei Ueli werden solche sehr selten einge­setzt, kommen aber, wie das folgende Beispiel zeigt, auch vor(U steht für Ueli, T für Therapeutin):

T423 Wie machst du es, wenn du ein langes Wort abschreiben mußt? Ich lese es erst durch, dann schrei­be ich es.

T424 das ganze Wort?

U424 ja

U 423

Bei einer extremen Bevorzugung einzel­heitlicher Strategien ist der Überblick bedroht. Es entsteht leicht der Eindruck, mansehe vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Dies illustriert der folgende

Ausschnitt:

T91_Wenndujemandem erklären mußt, wie du das gemacht hast, was sagst du dann?

U91 Also, ich habe die Überschrift ge­

lesen. Da stand:In welcher Posi­tion steht das Kind? Da bin ich nicht ganz nach... also ich hab gesagt Position 1,2,3,4. Da bin ich trotzdem nicht ganz nachgekom­men. Da sagte ich: Das Haus vorne ... das wäre 4. Dann dachte ich Blulme... äh... Baum links, das wäre 2. Bank habe ich wieder 3 gemeint, bei Blumen wieder 3. Dann sagte ich, ich wisse nicht weiter. Sie sagten, das könne stim­men. Ich sagte: Nein. Da habe ich gesagt: Da bei den Namenwör­tern steht oben noch etwas. Ich las: Gegenstand. Und da bei den links-rechts-vorne-hinten steht:

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1992

Die St... Seite in veränderlich... die Seite im Verhältnis zum Kind. Und dort, wo nichts steht, steht Position. Da hat es mir einge­schaltet, daß man mit der Bank, wenn stehtBank, müßte man das so wie hineinsetzen und das wäre dann Position 1.

Ueli kam hier sehr schnell auf Details zu sprechen, die zwar an sich alle korrekt waren, die aber mehr verwirrten als klär­ten.

Daß er manchmal große Mühe hatte, Wörter zu finden(äh), machte das Unterfangen noch komplizierter. Auch von Kaltenbacher& Kany wird im Rah­men von Dysphasien beobachtet, daß die Wahrnehmung sichunmittelbar auf die elementaren Einheiten(richtet), ohne daß diese zu größeren Einheiten zusammen­gefaßt werden. Das Ganze scheint dabei zeitweilig völlig aus dem Blickfeld zu geraten(1987, 201).

Daneben verwendete Ueli aber auch recht gut strukturierte Strategien, die sich aus mehreren Routinen zusammensetzten:

T716 Man muß mit allen Anleitungen das selbe tun. Was muß man mit allen Anleitungen tun?

U 716 durchlesen

T717 ja! Alsallererstes: Anleitungen muß man durchlesen und zwar wie le­sen?

U 717 also, Satz für Satz

T 718 Satz für Satz

U 718 Also zuerst muß man es... lest

man es einmal durch... ob, also ob man es versteht. Und wenn man noch nicht verstanden hat, dann tut man Satz, also bei Komma oder so anhalten.

Ja, genau! Und was macht man beim Komma?

anhalten

nuranhalten? Anhalten schon, aber nicht nur...

und sagen, was man gelesen hat.

T 719

uU719 T 720

U 720

Obund wie weit die beschriebene Strate­gie von ihm tatsächlich eingesetzt wur­de, geht aus der Verbalisierung allein nicht hervor. Doch kann man davon aus­gehen, daß etwas, was verbalisierbar ist, grundsätzlich zur Verfügung steht.

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