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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Monika Brunsting-Müller* Kognitive und metakognitive Aspekte in der Arbeit mit lerngestörten Kindern

Visuelle Schlüsselreize(Cues): Visuelle Elemente als Schablonen zur Suche be­stimmter Teile zu verwenden(Schablo­nenvergleich, Kail& Pellegrino 1988), ist richtig eingesetzt eine sehr effi­ziente Strategie. Ueli benutzte sie, wenn auch selten. Er neigte eher dazu, kleinste Einzelheiten zu erfassen, als visuelle Merkmale als Schlüsselreize zu verwen­den. Daß er sie aber auch verwendete, zeigt das folgende Beispiel:

T111 Wie hast du sie gefunden? U111 Mit dem rechten Winkel war es leicht.

Komplexere Formen wurden von ihm ins Auge genommen, wie er sagte:

U 756 Also, ich sehe es da... ich sehe es da(zeigt aufs Blatt)... ich habe es im Auge, wie wenn es hinüber kommen würde.

Kontrolle und Kontrollprozeduren: Dies ist ein sehr wichtiges metakognitives Thema, das immer wieder angesprochen werden muß. Bei Ueli geschah dies infol­ge Zeitmangels weit seltener als mit den anderen Kindern. Er arbeitete so lang­sam, daß er zur Kontrolle im Training (und vermutlich auch in der Schule) oft gar nicht kam. Wenn er fertig war, mach­

te er daher die nächste Aufgabe:

T81 Wasmußtduam Schluß jeder Auf­gabe machen?

U81 nichts

T82 nichts? Das ist nicht viel

U82 schreiben

T83 Und wenn eine Aufgabe fertig ist, was machst du dann? Wenn sie geschrieben ist?

U83 eine andere Aufgabe machen

Weder Handlungs- noch Verbalkonzept von Kontrolle waren bei Ueli hier sicht­bar. Erst mit recht viel Intervention durch die Therapeutin war es ihm möglich, Kontrolle anzusprechen:

T84 Sicher? Solltest du nicht, ehe du die nächste anfängst, noch etwas machen?... Ich habe es dir ein paarmal gesagt...,

U85 vorlesen

T86 nochmals durchlesen, wenn es zum

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Lesen ist. Wenn es etwas zum Rechnen ist, was tust du dann?

U 86 Nochmals rechnen

T87 Wie könnte man dem sagen, was man da macht: Nochmals lesen oder rechnen?

U87 weiß ich nicht

T88 kontrollieren

U88 ja

T89 Wie machst du das?

U89 Nochmals durchlesen. Also, wenn

ich fertig habe, nochmals durchle­sen

wenn es Rechnungen sind... nochmals rechnen

mh

(liest nochmals, was er geschrie­ben hat)

Gut gemacht! Du hast jetzt... kontrolliert.

T 810 U 3810 T811 U811

T812 U 812

Übte Ueli Kontrolle aus, so besteht sie für ihn indurchlesen odernochmals rech­nen, Dies sind wenig elaborierte und recht globale Strategien, die sich deut­lich abheben von seinen ansonsten be­vorzugten stark einzelheitlich ausgerich­teten Problemlösestrategien. Es ist anzu­nehmen, daß er keine effizienten Proze­duren entwickeln konnte, weil er im (Schul-)Alltag wegen seines langsamen Arbeitstempos wenig Gelegenheit hatte, Kontrolle überhaupt auszuüben. An die­sem Punkt müßte man mit Ueli intensiv weiterarbeiten. Man müßte mit ihm effi­ziente Kontrollstrategien und-routinen entwickeln und üben.

Korrekturprozeduren: Solche waren für Ueli ein komplizierter Vorgang, den er an einem Beispiel stockend erläuterte:

T 739 Was bedeutet das: Fehler korrigie­ren? U 739 Das bedeutet... also... also...

Fehler korrigieren... wenn jetzt eine Zahl nicht stimmt, tu ich sie durchstreichen und tu da eine 7 hin oder den Buchst... äh! die Zahl, die dort hinkommt.

Er war nicht in der Lage, den Prozeß wie andere Kinder allgemein zu beschreiben. UVelis sehr in der konkreten Situation verhaftete Reaktion paßte zu seinen üb­rigen an Einzelheiten orientierten Strate­gien und zeigte sich an vielen Stellen im

Verlauf des Trainings. Es schien sich dabei um ein für ihn recht typisches Verhaltensmuster zu handeln, das jedoch einer Klarheit nicht eben zuträglich ist.

Evaluation der Aufgabenschwierigkeit: Diese dient dazu, aufgrund der geschätz­ten Aufgabenschwierigkeit und der per­sönlichen Stärken oder Schwächen die optimale Strategie zu finden. Bei Ueli war auch für diese Frage zu wenig Zeit vorhanden. Bei seiner starken Bevorzu­gung einzelheitlicher Strategien wäre es wichtig, ihn erfahren zu lassen, daß es Aufgaben gibt, für die solche inadäquat sind, weil bereits globale oder gemischte ausreichen.

Generalisationstraining: Hier unterschei­den sich Kinder, entsprechend ihren be­vorzugten Problemlösestrategien stark voneinander. Aufgabe war, sich zu über­legen, wo er ähnlich vorgehen mußte wie in der eben bewältigten Aufgabe. Sie wurde mehr oder weniger regelmäßig am Ende der Trainingssitzung gestellt. Grundsätzlich stand es den Kindern frei, den Transfer in irgend einen Bereich zu machen. Allerdings wurden sie auch er­muntert, ihn in der Schule zu suchen. Ueli hatte mit dieser Trainingsphase, für die beim ihm wiederum recht wenig Zeit zur Verfügung stand, große Mühe. Es fiel ihm nicht leicht zu sehen, wo man etwas Ähnliches machen muß und er fand nur schwer Beispiele:

T41 Kannst du das Gelernte in der Schule brauchen?

U41 nein

T42 Was hast du gelernt, was du in der Schule brauchen könntest, während du die Aufgaben gemacht hast?

U42 Wie meinen Sie jetzt?

Ueli verneinte zuerst eine Transfermög­lichkeit grundsätzlich. Dann realisierte er, daß er die Frage nicht verstand. Erst nach der Umformulierung mit deutlicher Konkretisierung wurde es ihm möglich, Transfer zu sehen:

T43 Während dudie Aufgaben gemacht hast, hast du Sachen gemacht,

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1992