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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Monika Brunsting-Müller* Kognitive und metakognitive Aspekte in der Arbeit mit lerngestörten Kindern

ter war er in der Lage, die Aufgabende­finition zu verbalisieren:

T334 Wenn du Lehrer wärst, wie wür­dest du mir erklären, was hier die Aufgabe ist?

U 334 Aufgabe ist... man muß den Feh­ler finden im Feld.

Ueli brauchte sehr viel Zeit, um so weit zu kommen, eine genaue Definition der Aufgabe vornehmen zu können, Zeit, die ihm im Schulunterricht zweifellos oft nicht zur Verfügung stand.

Schwergewicht Sprache: Ueli zeigt Pro­bleme im Bereich Semantik, d.h. er ver­steht altersgemäße Wörter und Zeichen nicht(Bsp.überflüssig oder+), ver­wechselt Wörter(spricht von Zahl statt Buchstaben), und sucht lang und manch­mal erfolglos nach Wörtern. Er erfindet neue Wörter(spricht von Hinweisung statt Anweisung) und hat auch syntak­tische Schwierigkeiten(unkorrekte Kon­jugation, oder Satzbau).

Verhalten: Ueli arbeitete engagiert und aufmerksam mit. Er bemerkte verbale Ungenauigkeiten der Therapeutin und korrigierte sie:

T433 Du hast gesagt, du schaust es gut an und schreibst es ab

Literatur

U 433 Nein, ich habe gesagt: Ich lese es durch.

Aus dieser und ähnlichen Beobachtun­gen kann geschlossen werden, daß seine kognitiven Leistungen nicht beeinträch­tigt sind durch Unaufmerksamkeit wie bei andern lerngestörten Kindern, son­dern tatsächlich seinen realen aktuellen Möglichkeiten entsprechen.

Zusammenfassung: Die Analyse der qualitativen Aspekte des Lernens und Problemlösens förderten bei Ueli einige wichtige Besonderheiten im kognitiven und verbalen Verhalten zutage.

Seine Problemlösestrategien sind eher einzelheitlich orientiert, was bisweilen seinen Überblick gefährdet. Es sind aber daneben auch ganzheitliche und kom­plexere, aus mehreren Schritten zusam­mengesetzte Strategien zu finden. Es fällt aber auf, daß er nur über rudimentäre Kontroll- und Korrekturprozeduren ver­fügt. Für die Evaluation der Aufgaben­schwierigkeit und das Generalisations­training war im Rahmen dieses Trainings nicht genügend Zeit vorhanden, da Ueli für die übrigen Prozesse sehr viel Zeit brauchte. Diese Prozesse machen ihm große Mühe. Es wird angenommen, daß dies u.a. auch auf mangelnde Übung zurückzuführen ist. Pädagogisch-thera­

peutische Konsequenz müßte es sein, gerade auch diesen Prozessen genügend Zeit einzuräumen.

Im Bereich von Kognition und Sprache zeigen sich bei Ueli große Schwierigkei­ten im Sprachverständnis. Ferner wird evident, daß er über elementare kognitive und verbale Konzepte nicht in alters­entsprechender Weise verfügt und auch große Mühe hat zu abstrahieren. Diese Auffälligkeiten stehen im Gegensatz zu seiner an sich guten intellektuellen Be­gabung und machen ihm das Lernen(trotz recht guter Lernstrategien) sehr schwer.

Abschließende Überlegungen

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zei­gen, daß ein kognitiv-metakognitiver Erfassungs- und Interventionsansatz in der Lage ist, Problemlösestrategien dif­ferenziert zu erfassen und recht nachhal­tig zu beeinflussen(Brunsting-Müller, 1991a), was sich auch in verschiedenen außerhalb des Trainings liegenden Be­reichen auswirkt(entfernter Transfer). Dieser Ansatz scheint für bestimmte Kin­der nützlich zu sein(Brunsting, 1991b). Ueli ist ein Kind, das davon profitieren konnte.

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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1992