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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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mancher Studien, finden sich bei fast allen Arbeiten methodische Mängel, die den Wert der Ergebnisse schmälern: Häufig war es nicht möglich, ausreichend große, wirklich vergleichbare Regel- und Sonderschülerstichproben gegenüberzu­stellen, so daß eher leistungsstarke Schü­ler der SfL mit relativ schwachen Regel­schülern verglichen wurden; bei einer Reihe von Arbeiten erfolgte die Paralle­lisierung nur nach Alter und/oder Intel­ligenztestergebnis. Wenig Beachtung wur­de in bisherigen Studien Selektionseffek­ten(z.B. Auswahl von Schülern nur ei­ner Stadt oder eines Schulbezirks) ge­schenkt, so daß eventuell andere Gründe als das Schulversagen in der Regelschule zur Überweisung in die SfL geführt haben könnten. In fast allen Fällen sind alter­native Erklärungen für die vorgefunde­nen Effekte nicht auszuschließen(Nähe­res bei Tent, Witt, Zschoche-Lieberum & Bürger, 1990).

Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, ob die Schule für Lernbe­hinderte ihrem pädagogischen Anspruch gerecht wird und ihre Schüler(1) im Schulleistungsbereich,(2) im emotiona­len Bereich(Angst, Schulunlust, Selbst­konzept, Aggressivität) und(3) auf Ver­haltensebene(insbesondere im Arbeits­und Sozialverhalten) besser fördert, als dies in der Regelschule der Fall wäre. Die Beantwortung einer solchen Frage bringt erhebliche untersuchungsmetho­dische Probleme mit sich. Unter ökolo­gischen Bedingungen sind die Zuwei­sungsentscheidungen grundsätzlich nicht verifizierbar, Optimale Versuchspläne mit randomisierter Zuweisung sind nicht realisierbar. Da die SfL nach ihrer De­finition allein für Schüler vorgesehen ist, die in der Regelschule nicht angemessen gefördert werden können, bleibt faktisch nur die Möglichkeit, anstelle idealer pro­spektiver Versuchspläne in ex-post-facto­Untersuchungen Schülern der SfL eine Population vergleichbarer Regelschüler gegenüberzustellen, die sofern man sie überhaupt findet die Kriterien der Aufnahme in die SfL erfüllen und da­hereigentlich auf die Sonderschule gehörten.

In keiner der bei Tent et al.(1990) erwähnten Effizienzstudien wurde bis­

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her versucht, Schüler nach Merkmalen zu parallelisieren, die bereits vor der Überweisung der einen Gruppe in die SfL bestanden: neben Alter und Schul­besuchsdauer insbesondere nach den Schulnoten als Indikatoren für gleiche Schulleistungen sowie, damit verbunden, nach dem Arbeits- und Sozialverhalten, Um aussagekräftige Resultate über die pädagogische Wirksamkeit der SfL zu er­halten, müssen SfL- und Regelschüler in einer Weise gegenübergestellt werden, die es gestattet, Selektionseffekte syste­matisch zu kontrollieren,

Methoden Untersuchungsplan

Schon wegen der begrifflichen Un­schärfe vonLernbehinderung und des Problems der Abgrenzung vonSonder­schulbedürftigkeit undRegelschulfä­higkeit ist anzunehmen, daß in der Re­gelschule und der SfL Schüler anzutref­fen sind, deren Leistungs- und Verhal­tensbild während der Grundschulzeit gleich gewesen ist. Dies gilt erst recht, wenn sich bei im übrigen vergleichbaren Rahmenbedingungen die Sonderbeschu­lungsquoten(SBQ) regional(oder zeit­lich) unterscheiden. Eine tragfähige ex­post-facto-Untersuchung ist demnach zweckmäßig durch Ziehung von Stich­proben aus Regelschulen und SfL in zwei möglichst ähnlich strukturierten Gebieten mit deutlich verschiedener SBQ zu realisieren. Um eine möglichst hohe interne Validität zu gewährleisten, sind alle Moderatorvariablen zu kon­trollieren, die für die Vergleichbarkeit der Stichproben von Belang sind und zur alternativen Erklärung von Effekten in Betracht kommen.

Im ersten Untersuchungsschritt werden daher die Teilstichproben aus den Ge­bieten mit unterschiedlicher SBQ zu­nächst auf die Äquivalenz der Vorge­schichts- und Rahmenparameter geprüft. Die interne Validität wird sodann in den folgenden Untersuchungsschritten durch die Bildung streng vergleichbarer Schüler­paare erhöht, so daß Unterschiede bei

den abhängigen Variablen allein auf die Beschulungsalternative Regelschule/SfL zurückgeführt werden können.

Auswahl der Untersuchungsgebiete

Die offiziellen Schulstatistiken des Lan­des Hessen zeigen z.T. recht verschiedene SBQ in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten. Dabei fällt beson­ders der Unterschied zwischen den bei­den ähnlich strukturierten Städten Darmstadt und Kassel auf: Im Durch­schnitt der Jahre 19801984 liegen die Werte für Darmstadt mit einem Anteil von 2,14% der Schüler der SfL an der Schülergesamtzahl etwas unter dem Lan­desdurchschnitt von 2,25%, während der entsprechende Wert für Kassel 3,65% beträgt. Werden ausländische Schüler nicht berücksichtigt, ist der Unterschied noch deutlicher. Geht man davon aus, daß die höhere SBQ nicht Folge objektiv hö­herer Anteile leistungsschwacher Schüler bzw. generell schlechterer Lernbedin­gungen in Kassel ist, befänden sich in Kasseler SfL Schüler, die in Darmstadt in der Regelschule zu finden wären. Dies könnte u.a. damit zusammenhängen, daß in Kassel seit längerem mehr Arbeits­lose(13,6% versus 6,1%) und mehr Empfänger von Sozialhilfe und Wohngeld (5% versus 2%) zu verzeichnen sind. Ein kausaler Zusammenhang läßt sich daraus nicht ableiten, doch ist dies ein Beispiel für mögliche Selektionseffekte, auf die zu achten wäre.

Stichprobenauswahl

Für die Auswahl vergleichbarer Schüler wurden folgende Kriterien aufgestellt: Alle Schüler sollten zum Zeitpunkt der Untersuchung die 5. bis 8. Klassenstufe besuchen und im 6. bis 9. Schulbesuchs­jahr sein. Ausländische Kinder wurden wegen möglicher sprachlicher Probleme und ethnischer Unterschiede von der Untersuchung ausgeschlossen. Sonder­schüler sollten die SfL seit mindestens zwei Jahren besuchen und vor ihrer Überweisung mindestens zwei Jahre in

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991