(4) Erfassung von Moderatorvariablen. Zur Kontrolle der internen Validität wurden folgende Daten erhoben:
— Mit dem„Lehrerfragebogen zur Schülerbeurteilung‘“(in Anlehnung an Zinn, Kuhnert& Dehmelt, 1976) wurden neben Angaben zur Person Informationen über Schullaufbahn, Schulbesuchsverhalten, häusliche und familiäre Verhältnisse, kognitive und schulische Leistungen sowie eine Prognose zum Schulabschluß erfaßt.
— Ein kurzer informeller„Schülerfragebogen“ mit ähnlichen Items sollte die Lehrerinformationen ergänzen bzw. absichern.
— Mit einem selbstentwickelten„Schulleiterfragebogen‘‘ wurden schulische Rahmenbedingungen, z.B. Größe und personelle Ausstattung der Schule, Klassengrößen, Zahl der Unterrichtsstunden in einzelnen Fächer etc. erhoben.
— Als aktuelles Intelligenzmaß wurden die beiden Subtests ‚,Series“ und „Matrices‘“ des sprachfreien„Grundintelligenztest CFT 20‘(Weiss, 1978; 1980) vorgegeben. Der Test ist ausreichend reliabel und weniger schichtund geschlechtsabhängig als andere Intelligenztests.
Durchführung
Voruntersuchung. In einer Voruntersuchung wurden die für die Kinder vorgesehenen Untersuchungsinstrumente einer Stichprobe Marburger Sonderschüler vorgelegt, um die Brauchbarkeit der Verfahren festzustellen, den Zeitbedarf zu schätzen und mögliche Probleme bei der Durchführung zu erkennen. Für die Hauptuntersuchung wurde danach folgender Ablauf gewählt: AST3-LV— AST3-ZR— CFT2O0 Untertests— große Pause— AST3-TA— MRT— kurze Pause— AFS— FSK— Schülerfragebogen. In der großen Pause bekamen Schulleiter und Klassenlehrer die für sie vorgesehenen Fragebogen ausgehändigt.
Hauptuntersuchung. Nach Abschluß der Genehmigungsverfahren fand die Hauptuntersuchung in der Zeit vom 1.10. bis
Lothar Tent et al.+
16.12.1986 statt. Die Schüler wurden vormittags in Gruppen von zwei bis sieben Kindern untersucht, die Dauer betrug etwa zwei Unterrichtsstunden. Bei Gruppen von mehr als fünf Schülern war ein weiterer Untersucher anwesend. Es zeigte sich, daß die Schüler der SfL unruhiger arbeiteten als die Regelschüler und häufiger durch Hilfsangebote und gutes Zureden motiviert werden mußten.
Auswertung
Die statistische Prüfung von Gruppenunterschieden in den Moderatorvariablen erfolgte bei Stichprobe I mit den üblichen Verfahren für unabhängige, bei den Stichproben II und III für abhänigge Stichproben. Um eine Inflationierung des alpha-Fehlers zu vermeiden, wurden bei den abhängigen Variablen multivariate Mittelwertsvergleiche nach dem „Allgemeinen Linearen Modell‘ vorgenommen. Sie gestatten, Stichproben unterschiedlicher Größe zu vergleichen, wobei die Haupteffekte regressionsanalytisch um die Varianz aller anderen Haupt- und Wechselwirkungseffekte bereinigt werden. Bei Stichprobe I wurde eine zweifaktorielle multivariate Varianzanalyse mit den Faktoren ‚„Schulart‘ und„SBQ“(dem Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen den Untersuchungsgebieten) durchgeführt, für die Vergleiche der parallelisierten Stichprobe II fanden einfaktorielle multivariate und univariate Varianzanalysen mit der unabhängigen Variable ‚Stadt‘ Anwendung, bei Stichprobe III solche mit dem Faktor„SfL— RS“, da hier Schüler der SfL aus Kassel mit Darmstädter Regelschülern verglichen werden. Im Falle eines signifikanten Unterschiedes bei einer der Moderatorvariablen wurde dieses Merkmal als Kovariate eingesetzt und geprüft, ob die rechnerische Kontrolle zu einer Reduzierung der Fehlervarianz führte. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe der Statistiksoftware„SPSS*“ (SPSS, 1983).
Die Voraussetzungen zur Berechnung multivariater Auswertungsverfahren waren in einigen Fällen nicht erfüllt. Nach Bortz(1985, S.347 u. S.718) gelten die
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991
Ist die Schule für Lernbehinderte überholt?
Verfahren gegenüber solchen Verletzungen als robust; um eher konservative Entscheidungen zu treffen, schlägt er als Teststatistik„,Pillais Spurkriterium D“ vor.
Die Zufallswahrscheinlichkeiten(p) werden in der Regel für zweiseitige Prüfung angegeben. Wo aufgrund der Literaturbefunde einseitig geprüft wird, sind die angegebenen Werte für„p‘ zu halbieren. Maße der praktischen Bedeutsamkeit statistisch signifikanter Ergebnisse werden jeweils im Text angegeben(eta* x 100; vgl. Bortz, 1985, S. 362). Das Risiko erster Art wurde mit a&= 0.05 angesetzt. In den Tabellen sind die Untersuchungsgruppen mit„DA“ oder„KS$‘* für Darmstadt bzw. Kassel sowie mit„SfL‘* und „RS“ für„Schule für Lernbehinderte“‘ und„Regelschule“ gekennzeichnet.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Im Schulleistungsbereich findet sich lediglich für die Rechtschreibfähigkeit (MRT) ein Vorteil für die Kinder aus Kassel, dem Gebiet mit deutlich höherem Anteil an Sonderschülern, Dieser Befund bleibt bestehen, wenn die Intelligenz(CFT-GES) rechnerisch kontrolliert wird. Allerdings zeigt der Vergleich der Stichproben I und III, daß der Vorteil auf die bessere Leistung der schwachen Regelschüler zurückgeht; Vorteile durch die Förderung in der SfL sind also nicht zu verzeichnen. Auch die anderen Vergleiche ergeben keine Effekte zugunsten der SfL; im Gegenteil zeichnen sich sogar Vorteile der Regelschule bzw. für Schüler aus dem Gebiet mit niedrigerer SBQ ab. Dies gilt insbesondere für die objektive Rechenleistung(vgl. Tabellen 1 bis 3).
Im emotionalen Bereich liegen dagegen Befunde vor, die für die SfL sprechen. Eindeutig fallen sie aber nur bei der Prüfungsangst(AFS-PA) aus: Die Darmstädter Stichproben bzw. die Regelschüler erzielen in allen Gruppenvergleichen ungünstigere Werte, Dieser Effekt bleibt auch bei Kontrolle der Moderatorvariablen Intelligenz und Schulleistung(CFT
7