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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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von Rolf selbst gezeigtes Verhalten(z.B. Brillen zeichnen) als Verstärker ein. Mit zunehmender Hinwendung zu Personen führen sie soziale Verstärker ein und be­tonen damit indirekt die Bedeutung so­zialer Beziehungen.

Einen wesentlichen Schritt in Rolfs Ent­wicklung stellt die weitgehende Auflö­sung stereotyper Handlungen dar, Damit wird Verhalten in größerem Umfang für ihn willentlich steuerbar, was auch der Erweiterung der praktischen Kompetenz zugute kommt. Dieser Prozeß, der nur aus dem subjektiven Gefühl der Sicher­heit bei Rolf möglich ist, wird durch die dosierten Anforderungen der Lehrer und die Modellwirkung der Schüler positiv unterstützt.

Kontakt zu anders und nichtbehinderten Kindern Rolfs positive Entwicklung läßt sich

wesentlich aus der Normalität des alltäg­lichen Kontaktes zu anders und nicht­

Literatur

behinderten Kindern erklären. Im inte­grativen Unterricht wird es möglich, die Beziehungen zwischen Rolf und seinen Mitschülern vorsichtig aufzubauen, ohne eine der beiden Seiten zu überfordern. Wie die soziometrischen Erhebungen zei­gen, ist Rolf bei seinen Mitschülern von Anfang an beliebt. Neben seinem anspre­chenden Äußeren gibt es auch in seinem Verhalten Merkmale, die ihn für seine Klassenkameraden interessant erschei­nen lassen: Rolf wirkt autonom und strapaziert seine Mitschüler nicht durch übermäßige Anhänglichkeit. Auch drän­gen die Lehrerinnen keinesfalls zur Kon­taktaufnahme. Mit seinen manchmal un­gewöhnlichen Äußerungen und Handlun­gen sorgt er für eine gewisse Lebendig­keit. Die Schüler äußern ihre Zuneigung zu Rolf durch Hilfsangebote und gele­gentliche Zärtlichkeiten.

Für Rolf bedeuten seine Mitschüler Mo­delle für akzeptiertes Sozial- und Arbeits­verhalten, ohne daß solche Lernsituatio­nen künstlich herbeigeführt werden müß­ten. Gerade bei der Zunahme der Kon­

zentration und seiner Bereitschaft, sich mit vorgegebenem Material zu beschäfti­gen, spielt die Vorbildfunktion der Mit­schüler eine wesentliche Rolle. Im all­täglichen Miteinander lernt Rolf sich selbst kennen. Er kann sein eigenes Ver­halten und Erleben immer wieder in der Auseinandersetzung mit seinen Klassen­kameraden überprüfen. So lernt Rolf auch, Kontakt zu anderen nicht über Schlagen und Schreien, sondern über Sprache aufzunehmen. Er paßt sich den Regeln der Gemeinschaft an und erwirbt ein Repertoire an Verhaltensmöglichkei­ten für verschiedene Situationen. Dabei entwickelt Rolf durchaus differenzierte Beziehungen zu seinen Mitschülern: Es gibt welche, die er mag, und solche, die er ablehnt.

Die Ausgangsfrage, inwieweit es möglich ist, ein autistisches geistigbehindertes Kind in einer Integrationsklasse zu för­dern, kann für den beschriebenen Fall damit eindeutig positiv beantwortet werden.

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Anschrift des Verfassers:

Dipl.-Päd. Magdalene Kellner Dipl.-Psych. Elisabeth Wirtz Prof. Dr. Dieter Dumke Seminar für Psychologie Universität Bonn Römerstraße 164

D-5300 Bonn 1

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20 HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991