schiede bei einzelnen Kategorien anzudeuten. Beim Faktor 5 geht es vor allem um das Helfen der Schüler untereinander (s. Tabelle 5, untere Hälfte). Hier unterscheiden sich die Integrationsklassen sehr signifikant von den Parallelklassen.
Das Bitten um Lehrerhilfe ist üblicherweise von untergeordneter Bedeutung (Pkl 1,3%). Dagegen bitten behinderte und nichtbehinderte Schüler in Integrationsklassen in je etwa 3% der Zeit um Hilfe des Lehrers. Auch zeigen vor allem behinderte Schüler eher einmal etwas dem Lehrer(0,9%) als andere Schüler, In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß Schüler in Integrationsklassen auch wesentlich mehr Lehrerhilfe erhalten(s. Faktor 1).
Im Vergleich zu den Integrationsklassen ist die gegenseitige Unterstützung der Schüler(Faktor 5: Hilfe erbitten, Hilfe erhalten, selbst helfen) in den Parallelklassen kaum entwickelt(je Kategorie unter 1%). Behinderte und nichtbehinderte Schüler unterscheiden sich nicht hinsichtlich des Erbittens(1,3% u. 1,6%) und des Erhalts von Hilfe(2,3% u. 3,0%), wohl aber erwartungsgemäß hinsichtlich des Helfens(0,9% u. 3,1%). In der Freien Arbeit und bei Anwesenheit von nur einem Lehrer nimmt die gegenseitige Unterstützung deutlich zu,
Die behinderten Schüler erbitten und erhalten Hilfe fast ausschließlich von nichtbehinderten Schülern. Außerdem helfen sie selbst ebenfalls überwiegend nichtbehinderten Schülern,
Auf Faktor 5 laden auch zwei Kategorien, die mit der Situation des gegenseitigen Helfens korrelieren. So kommen negative Gefühlsäußerungen bei den Behinderten mit 5% Zeitanteilen am häufigsten vor(s. auch Faktor 2, positive Gefühlsäußerungen). Außerdem treten Konflikte zwischen Schülern, die nicht Nachbarn sind, in Integrationsklassen häufiger auf(s. jedoch Faktor 3, Konflikte mit Nachbarn).
Zuschauen und zuhören Für die integrative Erziehung wird häu
fig die Bedeutung des Modellernens herausgestellt. Eine wesentliche Vorausset
zung hierfür ist, daß Schüler Gelegenheit haben, dem Lehrer oder anderen Schülern zuzuschauen bzw. zuzuhören oder ihnen etwas zu zeigen. Von diesen in Faktor 7 zusammengefaßten Kategorien weist vor allem die Kategorie„Schüler schaut/hört Schüler zu“ auf Unterschiede hin(Beh 11%, NBeh 13%, Pkl 5%). Behinderte Schüler schauen oder hören in weniger als 2% der Zeit ebenfalls behinderten Schülern zu. Die übrigen Fälle des Zuschauens bzw. Zuhörens betreffen nichtbehinderte Partner(6%) oder gemischte Gruppen(3%).
Mit der vermehrten Gelegenheit zum Zuschauen und Zuhören geht allerdings auch einher, daß in Integrationsklassen etwas häufiger Lehrer-Ermahnungen vorkommen(Beh 1,8%, NBeh 2,5%, Pkl 1,4%).
Diskussion
In Integrationsklassen gibt es deutlich mehr soziale Kontakte als in Regelklassen, und zwar sowohl zwischen Schülern und Lehrern als auch unter den Schülern. Die höhere Kontaktdichte resultiert vor allem aus einer anderen Art Unterrichtsorganisation, die durch eine stärkere Differenzierung und Individualisierung gekennzeichnet ist. Die Schüler erhalten vermehrt Einzelbetreuung durch den Lehrer und befinden sich selbst häufiger in Partnersituationen. Damit einher geht die Zunahme der Lehrerhilfe sowie an gegenseitiger Hilfe; auch emotionale Zuwendung erfolgt öfter. Die größere Zahl von sozialen Kontakten schließt mehr deutlich erkennbare positive, in wesentlich geringerem Maße auch negative emotionale Reaktionen sowie mehr Konfliktsituationen ein, Dennoch ist das Arbeitsverhalten ausgesprochen gut entwickelt. Das Funktionieren dieser anderen Art der Unterrichtsorganisation wird besonders sichtbar, wenn nur ein Lehrer anwesend ist.
In die vermehrten sozialen Kontakte und Aktivitäten innerhalb der Klasse sind die behinderten Schüler voll einbezogen. Für sie kann ein hohes Maß an Betreuung, Hilfe und emotionaler Zuwendung reali
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991
siert werden. Auch wenn bei den nicht unterrichtsbezogenen Tätigkeiten das Rückzugsverhalten häufiger vorkommt, weichen die Behinderten hinsichtlich der Beständigkeit des Arbeitens nicht von der Norm der Regelschule ab. Ihr Wohlbefinden läßt sich an den deutlich erhöhten positiven emotionalen Reaktionen ablesen.
Als ein charakteristisches Merkmal des integrativen Unterrichts erwies sich die Einzelbetreuung. Der Lehrer hält sich für eine bestimmte Zeit bei einem Schüler auf. Diesem Prinzip des Verweilens, das eine wesentliche Voraussetzung für die eigentliche Hilfeleistung und Zuwendung durch den Lehrer darstellt, kommt in der Regelklasse eine ganz untergeordnete Bedeutung zu, selbst bei der Freien Arbeit. Offensichtlich nutzen dort die Lehrer ihre Zeit stärker für die Beobachtung der ganzen Klasse; entsprechend kurz sind die Kontakte zu einzelnen Schülern. Demgegenüber kann im Sinne der Kontakthypothese(Cloerkes 1985; Homans 1972) festgestellt werden, daß sich die sozialen Kontakte in Integrationsklassen, insbesondere mit behinderten Schülern, nicht nur durch ihre Zahl, sondern auch durch ihre Qualität auszeichnen.
Neben der intensiveren Unterstützung durch den Lehrer stellt das selbständige Arbeiten der Schüler— ob allein, mit Partner oder in der Gruppe— ein wichtiges Kennzeichen des integrativen Unterrichts dar. Neben den äußeren Bedingungen— geringere Anzahl von Schülern, meistens Anwesenheit von zwei Lehrern— ist die bewußt realisierte andere Unterrichtsmethode entscheidend, die dem Schüler ein hohes Maß an Eigenaktivität und Selbständigkeit zugesteht.
Damit ist ein günstiger Rahmen für die gemeinsame Erziehung von Behinderten und Nichtbehinderten geschaffen. Eine stärker schülerzentrierte und auf soziale Kontakte angelegte Unterrichtsorganisation erfordert aber auch eine größere Bewegungsfreiheit in der Klasse, die gleichzeitig mehr Möglichkeiten für Konflikte und nicht unterrichtsbezogenes Verhalten mit sich bringt. Der integrative Unterricht kann dies durchaus
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