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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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schwachen Schülern in integrativen Re­gelklassen ein negatives Begabungskon­zept eine fast zwingende Folge. Weil die Schüler in der Bezugsgruppe der Regel­klasse die Schwachen bleiben, ändern ihre objektiv besseren Leistungsfort­schritte im Vergleich zu Hilfsschülern daran nichts. Denn in einem solchen schulischen Wertklima bringen unter­durchschnittliche Leistungen wenig posi­tive Verstärkung und soziale Zuwen­dung durch Lehrer und Eltern ein, wo­mit neben dem tiefen Begabungskon­zept auch ein Sinken des Wohlbefindens in der Schule zu erwarten ist. Solange in unseren Schulen die lehrplanbezogene Leistungsfähigkeit eine zentrale Bewer­tungskategorie auch für die Zuweisung der soziometrischen Positionen in Schul­klassen bleibt, können organisatorische Integrationsmaßnahmen die klassenin­terne Ablehnung und soziale Aussonde­rung von leistungsschwachen Schülern schwerlich verhindern. Immerhin deutet sich eine gewisse integrationspädagogisch wichtige Veränderung darin an, daß bei den integrierten Lernbehinderten bes­sere Lernfortschritte trotz tieferem Be­gabungskonzept möglich werden.

Interpretation mittels Bezug auf die Soll-Vorstellung

Als überzeugter Anwalt der Vision ei­ner integrationsfähigen Schule habe ich am meisten Angst vor jenen Schulpoliti­kern, welche vorwiegend den nachgewie­senenErfolg im Leistungsbereich als Entscheidungshilfe für die Schulplanung verwenden werden. Ich befürchte dann nämlich folgendes: Zweck der von der Schulbürokratie geschaffenen neuen (Schein-)Integrationsformen könnte in erster Linie die Angleichung der Schul­leistungen von bisherigen Sonderschü­lern an das untere Leistungsniveau von Regelschülern werden. Damit wäre aber die mit der Trennung zwischen Regel­und Sonderschulwesen verbundene Vor­stellung vonintegrationsfähigen und integrationsunfähigen Kindern nicht überwunden. Selektions- und Separa­tionsideologien würden unter dem Deck­

mantel der Integration zu neuen Höhen­flügen gelangen; undIntegrationsunfä­higkeit als Urteil über Menschen würde, in Verkehrung des Integrationsgedan­kens, öffentlich und mit bürokratischer undwissenschaftlicher Genauigkeit dokumentiert und legitimiert. Wir befin­den uns schon dadurch auf dem Weg zu diesem Zustand, daß die öffentlichen Integrationsversuche in der Schweiz nur die Lernbehinderten erfassen und damit automatisch von derIntegrationsun­fähigkeit Behinderter schwererer Art

ausgehen. Integrationspädagogisch gesehen soll es denintegrationsunfähigen Schüler

nicht geben, sondern es gibt nur eine zur Zeit integrationsunfähige Schule. Die ethisch-pädagogisch motivierte Wunsch­vorstellung einer integrationsfähigen Schule steht im Widerspruch zur beste­henden Gesellschaft, die auf der positiven Bewertung von hohen Leistungspoten­tialen aufgebaut ist. Von dieser Wunsch­vorstellung sind unsere empirischen Er­gebnisse weit entfernt.

Entscheidungen über praktisches und politisches Handeln

Wir haben uns entschieden, auf zwei

Ebenen politisch und praxisorientiert

wirksam zu werden. Erstens verbreiten

wir über die Fach- und Tagespresse die folgenden Empfehlungen für die weitere

Planung und Realisierung von Integra­

tionsklassen in der Schweiz:

1. Der Heil(Sonder)pädagoge soll höch­stens sechs Regelklassen betreuen müssen. Anzustreben ist das Zwei­Lehrer-System.

2. Es soll sichergestellt sein, daß koope­rationsfähige Heil(Sonder)pädagogen und vom Ideal einer integrationsfähi­gen Schule überzeugte Regelschul­lehrer zur Verfügung stehen.

3. Die Eltern aller Schüler einer Inte­grationsklasse sollen auf die Beja­hung des Integrationsgedankens vor­bereitet und regelmäßig zu Ausspra­chen eingeladen werden.

4. Für die in Integrationsklassen tätigen Regelklassenlehrer und Heil(Sonder)­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991

pädagogen sind regelmäßige Möglich­keiten zu Beratungstreffen und zum gemeinsamen Besuch von Fortbil­dungsveranstaltungen zu schaffen.

5. Den in Integrationsklassen tätigen Re­gelklassenlehrern und Heil(Sonder)­pädagogen muß ein großer Freiheits­spielraum bezüglich Stundenplänen und Arbeitsweise eingeräumt werden.

6. Der Heil(Sonder)pädagoge soll wäh­rend mehr als der Hälfte seiner Be­treuungsarbeit gemeinsam mit dem Regelklassenlehrer im Klassenzimmer arbeiten dürfen. Äußere Differenzie­rungsformen sollen inhaltlich mit dem Klassenunterricht koordiniert werden.

7. Die Idee eines für alle Schüler einer Klassenstufe verbindlichen Lehrplans, Lerntempos und Lernzielkatalogs muß aufgegeben werden.

8. Jede schulform- oder behindertenspe­zifisch typologisierende Diagnostik ist zu verbieten. Diagnostische Begriffe wiegeistig behindert,autistisch, lernbehindert,verhaltensgestört usw. müssen aus dem diagnostischen Wortschatz gestrichen werden. An­stelle dieser inhuman typologisieren­den Abklärungen sollen konkrete Fördervorschläge für ein bestimmtes Kind in einer bestimmten Klasse ge­macht werden.

9. Alle Lehrer und Schüler eines Schul­hauses und einer Region sollen regel­mäßig über die Tätigkeit in den Inte­grationsklassen informiert werden.

10. Es sollen großzügige finanzielle Rah­menbedingungen für integrationsfä­hige Schulklassen und Schulhäuser angestrebt werden.

11. Die Integrationsfähigkeit der Schule muß durch eine integrationsfähige Frühförderung und einen integra­tionsfähigen Kindergarten vorberei­tet werden.

Zweitens versuchen wir in einem hand­

lungsorientierten Pilotprojekt zusam­

men mit Lehrern zu erfahren, wie in der

Praxis diese Empfehlungen umgesetzt

werden könnten. Bei dieser Arbeit ist

uns die Wirkung des Beispiels auf die

Lehrer und Eltern zunächst einer Klas­

se, dann eines Schulhauses und schließ­

lich einer ganzen Region ein zentrales

Anliegen. Wir sind der Überzeugung,

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