Hans Grissemann+
pädagoge, Schulpsychologe) in der Heilpädagogischen Schülerhilfe wurden gesehen:
— Absprachen über den Förderunterricht und über die Zusammenarbeit im Klassenzimmer und
— Fallbesprechungen in förderdiagnostischer Hinsicht, d.h. zur Maßnahmenplanung und zur periodischen Erfolgskontrolle,
Diese Angaben der Freiburger Forscher entstammen Publikationen, insbesondere ersten Erfahrungsberichten, die schon vor den Freiburger Untersuchungen entstanden sind(Wyrsch 1987). Heilpädagogische Schülerhilfe war also nicht zu Untersuchungszwecken entwickelt und organisiert worden, sondern wurde im Forschungsprojekt in verschiedenen weit voneinander abweichenden Realisierungsvarianten übernommen. Die Auswirkung von einzelnen Funktionsvariabeln, von Bedingungskonstellationen wurde nicht untersucht. Die Untersuchung war nur ausgerichtet auf die durchschnittliche Effizienz des Organisationsmusters. Die Aussagen, welche die Forscher über Gespräche außerhalb der empirischen Untersuchung mit den beteiligten Sonderpädagogen machten, vermitteln den Eindruck, daß ein restringierteres Konzept von Heilpädagogischer Schülerhilfe mit Nachhilfeunterricht und Funktionstrainings und ein Konsens von zwei wöchentlichen Förderstunden recht verbreitet war.
Wer also nach wissenschaftlich begründeten Vorschlägen zur Optimierung von Integration sucht, wird über den Freiburger Forschungsbericht enttäuscht sein. Dessen Vorzüge müssen in anderen Bereichen gesucht werden. Dazu gehört vor allem die Vergleichsuntersuchung zur Effizienz der Integration schulschwacher Schüler in Regelklassen mit zusätzlicher Förderung in der Heilpädagogischen Schülerhilfe im Vergleich zur stillen Integration mitgenommener und mitgetragener schulschwacher Schüler ohne zusätzliche Hilfe.
Das schulische Organisationsmuster zur Integration, das Gegenstand des Berichtes der Zürcher Forschergruppe ist, muß auch von der Grundvorstellung der Heil
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Die schulische Integration in der Schweiz
pädagogischen Schülerhilfe her gesehen werden. Nach Versuchen in zürcherischen Gemeinden, analog zu den Bemühungen der Innerschweizer Gruppe und eher vorwissenschaftlichen ad hoc-Auswertungen, initiierte die Pädagogische Abteilung der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sonderpädagogik der Universität Zürich in einigen Gemeinden Integrationsprojekte, die in ihrer Entwicklung wissenschaftlich untersucht wurden. Dabei wurde zuerst vom Modell der Heilpädagogischen Schülerhilfe abgewichen. Man verfolgte ein Integrationsmodell, in welchem die Sonderklasse als Stammgruppe beibehalten blieb, wobei aber die Schüler in einer Streuung von 10—-90% des Unterrichts in Regelklassen(Integrationsklassen) integriert wurden. Wie im ursprünglichen Konzept der Heilpädagogischen Schülerhilfe wurde dabei die Kooperation als zentral erachtet. Im Verlaufe des Versuchs wurde ein wesentlicher Integrationsschritt vollzogen, indem die schulschwachen Schüler in den Regelklassen im Sinne der Stammgruppenzugehörigkeit integriert und zur zusätzlichen individualisierenden Förderung in sogenannten Fördergruppen betreut wurden. Damit kommt das Organisationsmuster der Zürcher Erhebungen in die Nähe der Heilpädagogischen Schülerhilfe der Freiburger Untersuchungen. Aufgrund der knappen Hinweise im Zürcher Forschungsbericht (Bächtold, Coradi, Hildbrand& Strasser 1990) muß angenommen werden, daß sich die Tätigkeit des Förderungsgruppenleiters mehr auf vertiefenden Unterricht bezog und weniger auf förderdiagnostisch begründete pädagogischtherapeutische Maßnahmen.
Ein Vergleich der Fragestellungen und Wissenschaftsmethoden der beiden Untersuchungen
Die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Forschungsbeiträgen liegen nicht in den organisatorischen Integrationsmustern sondern in den Fragestellungen.
HEILPÄDAGOGISCHE
Die Freiburger Untersuchung(Abb. 1) bezieht sich vor allem auf den Vergleich der Effizienz von Organisationsmustern als Rahmenbedingungen von Integration. Dies sind: Integration schulschwacher Schüler mit Integration in Regelklassen unter Ausnützung von zusätzlichen Fördermöglichkeiten der Heilpädagogischen Schülerhilfe und„stille Integration“ ohne besondere und zusätzliche Maßnahmen. Dazu kam der Vergleich der beiden entsprechenden Schülergruppen mit der Entwicklung von solchen Schülern in Sonderklassen.
Die erfaßten schulschwachen Schüler sind mit psychometrischen Limitewerten definiert(IQ< 100, Schulleistungen< Prozentrang 16). Bei dieser Definition wurden auch„nicht schulleistungsschwache Schüler‘ in Sonderklassen(Hilfsschulen) identifiziert und als besondere Gruppe noch in die Untersuchung einbezogen. Weitere Aussagen über diese Gruppe fehlen. Wenn es sich nicht einfach um Fehleinweisungen evtl. ohne schulpsychologische Abklärung handelt, müßten es Problemschüler mit IQ> 100 sein, also relativ intelligente Schulversager, die in Sonderklassen für Lernbehinderte unterrichtet werden.
Die Zürcher Untersuchung(Abb. 2) verzichtet auf solche Vergleiche. Sie befaßt sich mit dem Prozeß der Integration, mit den Vorgängen der Beteiligten, mit dem Scheitern und Gelingen der Kooperation und deren Bezug zum Integrationserfolg, mit der Erfassung der optimalen Bedingungskonstellationen. Sie bezieht sich auf systemische Bedingungen, auf schulorganisatorische Systeme und auf Systeme von Beziehungsstrukturen. Dabei werden die Auswirkungen systemischer Bedingungen, aber auch die Bedingungen zur Veränderung solcher Bedingungsstrukturen untersucht. In Abhebung von einer vergleichenden Effizienzuntersuchung, die auf unkontrollierte schulische Organisationsmuster eingeschränkt bleibt, werden empirische Vergleichsuntersuchungen durchgeführt, welche in Klassen mit besserer und in solchen mit schlechterer Integration auf die Bedingungsvariablen ausgerichtet sind.
FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991