führt; in den Klassen und gegenüber den gesamten Eltern einer Klasse wird über einzelne Kinder nur dann gesprochen, wenn beispielsweise ein bestimmter Umgang gelernt werden soll(etwa bei einem hörgeschädigten Schüler).
Was die Schule nicht durchsetzen konnte, war die Möglichkeit, Kinder mit geistiger Behinderung aufzunehmen. Hier war die damalige Schulsenatorin Laurien grundsätzlich der Auffassung, daß dies pädagogisch nicht wünschenswert sei— trotz erster positiver Erfahrungen in der Fläming-Schule. Über ‚Grenzfälle‘ sollte allerdings flexibel entschieden werden. Auf diese Weise wurde in 7 Jahren Schulversuch ein Kind aus dem Wohnumfeld nicht aufgenommen.(Dieses Verbot
wurde 1989 von der neuen grünen Schulsenatorin Volkholz in allen Berliner Integrationsklassen grundsätzlich aufgehoben und 1990 ein spezieller landesweiter Schulversuch zur Integration geistig und schwermehrfachbehinderter Schüler begonnen.)
2. Die wissenschaftliche Begleitung und Forschung
Die Uckermark-Schule machte den Vorschlag, die für einen Schulversuch rechtlich vorgeschriebene wissenschaftliche Begleitung kooperativ durch einen Sonderpädagogen, einen Grundschulexperten und einen Sozialwissenschaftler durchführen zu lassen. Die später durch die Schulverwaltung berufenen Personen— der Sonderpädagoge Hans Eberwein(ab 2. Jahr Gitta Zielke), der Grundschulexperte Peter Heyer und der Erziehungs- und Sozialwissenschaftler Ulf Preuss-Lausitz erfüllten diese Anforderung. Auch institutionell war die Kombination komplex: Gitta Zielke war als für die Begleitung freigestellte Lehrerin der Bezirksaufsicht unterstellt,Peter Heyer war hauptamtlich Wissenschaftlicher Direktor am Pädagogischen Zentrum und die Hochschullehrer Eberwein und Preuss-Lausitz wurden per Werkvertrag eingebunden. In allen sechs Jahren der Wissenschaftlichen Begleitung erfolgte kein administrativer Eingriff.
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Eberwein, Heyer und Preuss-Lausitz waren an der Ausarbeitung des Konzepts vor und während der Antragstellung der Schule beratend beteiligt und außerdem öffentlich als Vertreter der Integration bekannt. Um so notwendiger war es, die Forschungsfragen und das Design der Forschung abzusichern gegen mögliche Interpretationen der Gefälligkeitsbegleitung. Neben der qualitativen Prozeßdokumentation mußte es also auch um die Gewinnung von ‚harten‘ Daten gehen, die prinzipiell überprüfbar sind. Andererseits sollten die herkömmlichen und auch bei den Uckermark-Lehrkräften durchaus vorhandenen Bedenken gegen „Fliegenbeinzählerei‘‘, die der alltäglichen Praxis wenig nutzt, ernst genommen werden. Forschung war im übrigen nur ein kleiner Teil der Aufgaben der Wissenschaftlichen Begleitung; Gutachtenerstellung, alltägliche Innovationshilfen, Beratungsgespräche, Außendarstellungen, Fallbesprechungen, Fortbildungstätigkeiten und Konfliktmanagement nahmen einen wesentlich größeren Teil der Zeit in Anspruch.
Das Team der Wissenschaftlichen Begleitung entschied sich deshalb, wöchentlich mindestens einen Vormittag innerhalb der Schule präsent zu sein, also die wöchentliche Teambesprechung dort durchzuführen, Beratungsgespräche mit Außenstehenden möglichst in der Schule abzuhalten, in der großen Pause im Lehrerzimmer wie alle anderen zu frühstükken, häufig mit dem Schulleiter zu sprechen usw.; auf diese Weise war die Wissenschaftliche Begleitung für jene ‚kleinen‘ und ‚großen‘ Alltagsfragen der praktischen Pädagogik ansprechbar. Dieses Konzept wurde über alle Jahre durchgehalten und führte dazu, daß gelegentliche Meinungsunterschiede mit einzelnen Lehrern kollegial besprochen und ausgeräumt werden konnten. Viele gegenseitige Informationen und Lernprozesse fanden an diesen Vormittagen statt. (Und selbstverständlich wurden die Begleiter zu den Schulfesten eingeladen und nahmen daran teil.)
Vielleicht aufgrund dieser Präsenz und Ansprechbarkeit auch für ‚Alltäglichkeiten‘ konnte die Wissenschaftliche Begleitung erfolgreich darauf bestehen, ihre
über Innovationshilfe und Beratung hinausgehende Rolle als Forscher auch tatsächlich durchzuführen, ohne auf Ablehnung zu stoßen. In mehreren Konferenzen wurde das Konzept der Wissenschaflichen Begleitung dargestellt, wurden Anregungen aufgenommen, darüber hinaus mit den Elternvertretern besprochen. Auf diese Weise entstand der für deutsche Schulforschung relativ einmalige Fall, daß über sechs Jahre hinweg die selben Personen ein zuvor festgelegtes Konzept und Design realisieren konnten, daß es praktisch keinen Ausfall an Daten gab und damit optimale Bedingungen für ein echtes Panel— einer Langzeituntersuchung an und mit den selben Personen— erfüllt waren.
Die wichtigsten mit der Schule und der Schulverwaltung abgesprochenen Fragestellungen der Wissenschaftlichen Begleitforschung waren:
— Welche unterschiedlichen Formen der Unterrichtung, insbesondere der Binnendifferenzierung, sind bei gemeinsamer Unterrichtung besonders erfolgreich?
— Welche Formen der praxisnahen Weiterbildung sind besonders günstig, um die Bereitstellung zur Übernahme binnendifferenzierender Unterrichtsformen bei allen Lehrern zu fördern?
— Wie entwickeln sich die sozialen Beziehungen zwischen den behinderten Kindern und den übrigen Schülern?
— Welche Bedeutung hat der Wohnumfeldbezug für die soziale Integration der Schüler?
— Wie entwickelt sich der Leistungsstand der behinderten Kinder und welche Lernprozesse ergeben sich für behinderte wie nichtbehinderte Kinder aus der gemeinsamen Lernsituation?
— Welche Einstellungen haben die Erziehungsberechtigten zur gemeinsamen Unterrichtung von behinderten und nichtbehinderten Schülern?
— Sind die festgelegten Schulversuchsbedingungen— Gutachtenerstellung, Frequenzen, Anzahl der ‚Gutachtenkinder‘, Einsatz der Sonderpädagogen, materielle Ausstattung u.a.— ausreichend, zu modifizieren und übertragbar für andere Regelfälle?
Diesen komplexen und unterschiedlichen Fragestellungen ist nur der Einsatz eines
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991