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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Ulf Preuss-Lausitz+ Erforschte Integration

Das belegt auch eine jüngste bundesdeut­sche repräsentative Umfrage(vgl. Rolff u.a. 1990): Eltern wie Nicht-Eltern plä­dieren zu 75% dafür, daß Eltern eines behinderten Kindes selbst entscheiden sollten, ob ihr Kind integrativ oder sepa­rat unterrichtet wird. Nur 8% lehnen dies ab.(Diese Einstellung ist unabhän­gig von Schulbildung, Geschlecht und Alter.)

Wenn Eltern durchweg gemeinsame Er­ziehung derart positiv einschätzen, muß das Leistungsergebnis stimmen. Was sa­gen dazu unsere Untersuchungen?

4. Schulleistung bei integrativer Erziehung

Da in der Uckermark-Grundschule alle Klassen integrativ geführt werden, war ein Leistungsvergleich zwischen integra­tiven und nichtintegrativen Klassen wie er etwa in der Fläming-Schule zeitweise erfolgte nicht möglich. Darüber hinaus war das Team der Wissenschaftlichen Be­gleitung der Auffassung, daß ‚Leistung über die Aneignung klassischer Kultur­techniken hinaus vielfältiges Umweltwis­sen, den Erwerb bzw. die Aufrechterhal­tung der Lernfreude, der Schulfreude, sozialer Tugenden, von Selbständigkeit usw. einschließt. Ein derart komplexes Leistungsergebnis zu prüfen, erforderte personelle Ressourcen, die nicht zur Ver­fügung standen.

Wir entschlossen uns daher, für zentrale Lernbereiche des Grundschulrahmen­plans bei allen Schülerinnen und Schü­lern über alle Jahre der Begleitung eine Einschätzung a) des individuellen Lern­fortschritts und b) des rahmenplanbe­zogenen Lernstandes vorzunehmen. In den ersten beiden Jahren erfolgte dies durch individuelle Überprüfungen, in den folgenden Jahren durch eine Exper­teneinschätzung aller jeweils mit dem Schüler arbeitenden Lehrerinnen und Lehrer(einschließlich der Sonderpäd­agogen). Auf diese Weise entstand für jedes Kind eine Art Matrix. Für die rahmenplanorientierte Lernentwicklung sah dies in den Jahresberichten jeweils vercodet pro Schüler dargestellt so aus,

wie in der Tabelle S. 54 dargestellt.

Als Gesamtergebnis wurde nach sechs Jahren Schulversuch festgestellt(vgl. im einzelnen Heyer u.a. S. 133 ff.):

Die individuelle Lernentwicklung aller Schüler wurde bei über 70% als positiv eingeschätzt, bei 6% als negativ. Bei den Gutachtenkindern waren die Werte: 60% positiv, 7% negativ.

Die rahmenplanbezogene Einschätzung war weniger günstig: Bei 58% aller Schü­lerinnen und Schüler wurden die Lern­ziele erreicht, bei weiteren 25% gab es kleinere Rückstände; bei 17% größere Rückstände in einzelnen oder gar(bei 4%) in allen Lernbereichen. Die Werte der Gutachtenkinder: 11% erreichten die Rahmenplanziele, 25% mit kleine­ren Rückständen. 39% hatten größere Rückstände in einzelnen Lernfeldern, 25% in allen.(Vom ersten Übergangs­jahrgang in die Oberschule konnten alle Gutachtenkinder teilweise mit zusätzli­cher Förderung nach den Rahmenplä­nen der Oberschulen, insbesondere der Gesamtschule, unterrichtet werden.) Aufschlußreich war, daß die Mädchen generell besser als die Jungen, die aus­ländischen Kinder generell schlechter als die deutschen Schülerinnen und Schü­ler waren. Auch darin spiegelt sich die (schlechte bundesdeutsche) ‚Normalität dieser Schule wider.

Die Forschungsergebnisse können man­gels eines Vergleichs nur schwierig be­wertet werden. Die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Leistung und der Ein­schätzung der individuellen Lernent­wicklung belegt u.E., daß die hohe Schulmotivation der Kinder, die allent­halben beobachtet werden konnte, auf­rechterhalten, ja gestärkt wurde, und zwar auch bei solchen(Gutachten)Kin­dern, die sich zu Schulbeginn eher ver­weigerten. Die oben berichtete Zufrie­denheit der Eltern weist darauf hin, daß familiäre Leistungserwartungen erfüllt

wurden. Die ungünstigen Werte der aus­ländischen Schüler wurden zum Anlaß genommen, die Schule verstärkt auf die­ses Problem hinzuweisen. Es ist ein allge­meines(West) Berliner Problem: 1987 er­reichten 35% aller ausländischen Schul­abgänger nicht einmal den Hauptschul­abschluß.

5. Soziale Beziehungen in Schule und Stadtteil

Die bekannte Skepsis gegenüber den so­zialen Wirkungen der gemeinsamen Er­ziehung bei Sonderschulvertretern und Politikern führte dazu, daß die empiri­schen Untersuchungen zur sozialen In­tegration systematisch und umfangreich angelegt wurden. Dabei wurden ver­schiedene Ansätze realisiert: zum einen halbjährliche bzw. jährliche soziometri­sche Untersuchungen von der ersten bis zur sechsten Klasse in allen Integrations­klassen(insgesamt 57 Untersuchungen); daneben ebensoviele Untersuchungen der tatsächlichen Freizeitkontakte. Darüber hinaus eine fünfmal wiederholte intensive individuelle Befragung der Schülerinnen und Schüler des ältesten Schulversuchs­jahrganges über ihre sozialen Beziehun­gen und ihre Freizeitaktivitäten und -wünsche. Nicht zuletzt eine Vergleichs­studie zu diesem Bereich in einer benach­barten Lernbehindertenschule. Die Teil­studien wurden jeweils relativ rasch aus­gewertet und den interessierten Lehrern und Eltern zurückgegeben. Sie liegen als ‚graue Literatur einschließlich der Roh­daten vor.

Für diesen Bericht fassen wir die wich­tigsten Ergebnisse zusammen(im einzel­nen vgl. Heyer u.a. 1990, S. 95 ff.):

Das allgemeine Sympathieniveau entwickelte sich in fast allen Klassen trotz sehr unterschiedlich unterrichten­der Lehrerinnen und Lehrer positiv.

Entwicklung der allgemeinen Sympathiewerte von den ersten bis zu den sechsten Klassen(1982-1988)

HR (13 Kl.)

2: Kl

+0.28+0.45

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 1, 1991

(14 Kl.)

3.KL (12 Kl.)

4. Kl. (9 Kl.)

5:Kl (6 Kl.)

6. Kl.

(3 Kl.) +0.78+0.84

+1.04+1.46

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