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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Entgegnung auf die Stellungnahme von Schurad(HeiFo Heft 4, 1990):

Das Versagen der deutschen Heilpädagogik Der Personstatus der Schwerstbehinderten.

Zwei Argumente gegen Anstötz...

Von Christoph Anstötz

Schurads Stellungnahme ist insofern wichtig, als sie die Möglichkeit bietet, Mißverständnisse aufzugrei­fen, die auch sonst in der derzeitigen Ethikdiskus­sion der Sonderpädagogik erhebliche Verbreitung gefunden haben. Seine Ausführungen machen darüber hinaus deutlich, wie weit wir noch von einer Diskussion entfernt sind, die den Regeln einer rationalen Auseinandersetzung folgt.

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Schurads reply gives a good opportunity to abolish severe misunderstandings in the current ethic debate in the field of special education, It shows too, that there is still a long way in our discipline to apply the rules of critical and rational discussion in a successful way.

Schurad stellt zunächst zwei Ansichten vor, die er mir zuschreibt und als ‚1. Ar­gument(Das Versagen der deutschen Heilpädagogik) bzw. als ‚2. Argument (Der Personstatus der Schwerstbehin­derten) bezeichnet. Im allgemeinen setzt der AusdruckArgument einen Begründungszusammenhang voraus, Ich werde mich nach diesem Sprachgebrauch richten und nicht Schurads Vorstellung von diesem Begriff übernehmen, der mir nicht klar geworden ist. Nach der Darstellung der mir zugeschriebenen Auffassungen folgt dann seine Kritik, die er mit ‚1. Gegenargument bzw. mit ‚2. Gegenargument überschreibt. Ich will mich bei meiner Erwiderung an die vorgegebene Reihenfolge halten.

Zu 1) Das Versagen der deutschen Heilpädagogik

Schurad(1990, 191) stellt meine Auf­fassung, gegen die er in einer Stellung­

nahme vorgeht, folgendermaßen dar: Die deutschsprachige Heil- und Son­derpädagogik hat es bislang sträflich ver­säumt, sich über ethische Grundfragen Gedanken zu machen, zumal die Päd­agogik der Geistigbehinderten, die ja in Fragen der Förderung schwerstbehinder­ter Menschen besonders herausgefordert ist;

Diese These enthält nichts weiter als die meines Erachtens ohne weiteres zutref­fende Feststellung, daß die Sonderpäd­agogik unseres Landes sich bis zum Jahre 1989(vgl. Anstötz 1990b) für die internationale und interdisziplinäre Ethikdiskussion zu wenig interessiert hat. Autoren wie Singer, Kuhse, Tooley und andere, die plötzlich in aller Munde sind, wenn es um ethische Grundfragen der Behindertenpädagogik geht, haben auch schon vor der sogenannten Singer­Affäre publiziert. Nur hatte man davon bei uns keine Notiz genommen, Schurad (1990, 190) behauptet, daß ich es gewe­sen sei, der in der Heilpädagogikeine furiose Diskussion... entfacht habe,

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 2, 1991

Mit dieser Behauptung läßt er wenig­stens zwei Drittel weiterer wesentlicher Bedingungen weg, ohne die die Ereig­nisse des vorletzten Jahres nicht stattge­funden hätten. Zum einen war die Unin­formiertheit der deutschsprachigen Son­derpädagogik, wie sie von Schurad als meine These 1 vorgestellt wurde, in der Tat eine weitere entscheidende Bedin­gung in diesem Zusammenhang. Aber auch sie hätte nicht ausgereicht, um den Eklat vom Sommer 1989 herbeizufüh­ren. Notwendig hinzukommen mußten die Aktivitäten jener Leute, die aus dem Zusammenhang gerissene spektakuläre Zitate von Singer wie Brandfackeln unter das unvorbereitete Publikum geschleu­dert haben(vgl. Anstötz 1990b, 1991). Schurad(1990, 190) findet, daß ich die­sefuriose Diskussion mit meinenAr­tikeln zur ethischen Rechtfertigung des Tötens z.B. Schwerstbehinderter aus­gelöst habe. Um die Wirkung solcher Formulierungen abschätzen zu können, braucht man sich nur einmal in die Lage betroffener Eltern oder engagierter Päd­

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