Alfred Fries*
Einstellungen gegenüber körperbehinderten Menschen
and spontaneity and intelligence“. Cloerkes(1979, S. 347) hat darauf hingewiesen, daß Ich-Schwäche sich unmittelbar auf die Fähigkeit des Individuums zur Aufrechterhaltung sozialer Interaktion auswirkt. Weiter weist er darauf hin, daß Ich-Schwache Menschen in offenen und unzureichend strukturierten Situationen (wie es die Begegnung mit behinderten Menschen darstellt) mit objektiver Verhaltensunsicherheit reagieren und zur Aktivierung von Abwehrmechanismen neigen. Allerdings muß eine solche Interpretation— bezogen auf die vorliegende Untersuchung— mit Vorbehalt gesehen werden, da die Ergebnisse der vorliegenden Studie aus dem Antwortverhalten in Fragebögen abgeleitet worden sind, die Frage nach der tatsächli
chen„konativen‘“ Komponente des Verhaltens in der Realität— wie bei allen Fragebogenstudien— somit offen bleibt. Weiter ist zu erwähnen, daß faktisches Wissen über Behinderungsarten, die dem Komplex„Körperbehinderung‘ zuzuordnen sind, sich nicht zwangsläufig auch auf das Einstellungsverhalten auswirkt. Cloerkes(1979) hat ausgeführt und belegt, daß Wissen über Behinderte allein nur einen höchst bescheidenen Einfluß auf die Qualität der Einstellungen zu Behinderten hat(vgl. Cloerkes 1979, S. 191 ff.). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie belegen auch nur einen— noch dazu schwach signifikanten— Zusammenhang zwischen Wissen einerseits und dessen Auswirkung auf die drei Dimensionen im Einstellungs
test: Höheres faktisches Wissen korrespondierte nur mit geringerem Kontaktunbehagen, nicht aber mit der Beurteilung der„Emotionalen Unausgewogenheit Körperbehinderter‘“ und der Stellungnahme zur„Sozialen Integration behinderter Menschen“.
Eine Neueichung der Einstellungsskala von Seifert& Bergmann(1983) erbrachte drei gut interpretierbare Faktoren, wobei die schließlich verwendeten Items insgesamt gesehen alle über gut bis sehr gute Trennschärfindizes verfügten. Ob diese revidierte Einstellungsskala in die
ser Form weiter verwendet werden kann,
bleibt weiteren Erprobungen vorbehalten, zumal der Umfang der Stichprobe in der vorliegenden Untersuchung weitgehendere Aussagen nicht erlaubt.
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