Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
152
Einzelbild herunterladen

| | | |

Alfred Fries*

Einstellungen gegenüber körperbehinderten Menschen

EBK-Dimensionen(unabhängig von Al­ter, Geschlecht und Persönlichkeitsdi­mensionen der befragten Personen) er­brachte folgende Ergebnisse: Bei Fragen, die den Kontakt mit behinderten Men­schen sehr allgemein thematisieren, ist eine eher positive Meinung der Respon­denten zu verzeichnen. Bei Fragen, die sich auf einen direkteren(im Alltag eher möglichen) Kontakt beziehen, ist die Tendenz der Beantwortung eher als un­entschieden zu bewerten. D.h.: Der Kon­takt mit behinderten Menschen wird umso problematischer erachtet, je kon­kreter die Situation sich im Alltag bietet. (Dimension I des EBK: Kontaktunbeha­gen). Diese Tatsache ist nach u.M. mög­licherweise auf das Alter der Respon­denten der Untersuchung zurückzufüh­ren, kann aber auch eine Konsequenz der Tatsache sein, daß nur ein geringer Teil der befragten Personen Erfahrung im Umgang mit behinderten Menschen hatte. Wie schon erwähnt, gaben unter 10% der Personen an, Kontakt bzw. freundschaftliche Beziehungen mit be­hinderten Menschen zu haben. Aller­dings muß eine solche Interpretation spekulativ sein, da zum Einfluß der VariableKontakt auf das Einstellungs­verhalten sehr konträre Ergebnisse vor­liegen(vgl. auch Cloerkes, 1979; Fries 1991).

Bezüglich der Beurteilung der Antwor­ten zu den Einzelitems der Dimension Emotionale Unausgewogenheit Körper­behinderter können die Antworten da­hingehend interpretiert werden, daß ins­gesamt gesehen von einer überwiegend positiven Beurteilung der emotionalen Befindlichkeit körperbehinderter Men­schen ausgegangen werden kann, wobei aber einschränkend angeführt wer­den soll, daß die Zahl der Personen, die die Antwortkategorieteilweise ange­kreuzt haben, fast durchweg über 30% liegt.

Die Ergebnisse der Einzelanalysen der Items, die der DimensionSoziale In­tegration angehören, müssen doch in Richtung eines Bestehens größerer Vor­behalte gegenüber der sozialen Integra­tion behinderter Menschen gedeutet werden, denn fast die Hälfte der Respon­denten der Untersuchung spricht sich

152

dafür aus, daß es für Behinderte am besten ist, wenn sie mit anderen Behin­derten zusammenleben.

Die Tatsache, daß die Häufigkeit un­entschiedener Beantwortung(Antwort­kategorie:teilweise) bei vielen Items über 30% lag, verweist auch in dieser Studie auf die generelle Problematik des Antwortverhaltens von Respondenten in Fragebogenuntersuchungen.

Der in der Literatur berichtete Zusam­menhang zwischen Geschlecht und Ein­stellungsverhalten gegenüber behinder­ten Menschen konnte in der vorliegen­den Studie dadurch bestätigt werden, daß weibliche Personen signifikant mehr als die männlichen Versuchsper­sonen im Kontakt mit behinderten Menschen weniger Unbehagen angeben und sich zumindest trendmäßig mehr für die soziale Integration behinderter Menschen aussprechen. Auf eine Inter­pretation dieser Tatsache soll verzichtet werden, da wie schon erwähnt eine solche Interpretation überSpekulatio­nen nicht hinausgehen kann.

Bezüglich des Einflusses des Faktors Al­ter auf die Beantwortung der Fragen zum EBK-Test konnten kein linearer Effekt zwischen den ausgewählten Al­tersklassen festgestellt werden, wobei die befragten Personen aus der Alters­klasse der 2140jährigen Personen ins­gesamt gesehen ein positiveres Einstel­lungsverhalten zeigten als die Personen aus den Altersklassen der 920 und 4175jährigen Personen. Dieses Ergeb­nis kann zumindest bezogen auf die Al­tersklasse der 920jährigen dadurch er­klärt werden, daß die Begegnung mit behinderten Menschen und das Wissen über den Komplex Behinderung von ei­ner höheren Unsicherheit geprägt ist. Allerdings erklärt eine solche Interpre­tation nicht das Antwortverhalten der Versuchspersonen in der Altersklasse der 4175jährigen, so daß man Jansen (1972) zustimmen muß, der hervorgeho­ben hat, daß es schwerfällt, die Unter­schiede, die sich im Hinblick auf die Altersgruppen seiner Untersuchung er­geben haben, schlüssig und zusammen­fassend zu interpretieren.

Zur Bedeutung des Einflusses von Per­sönlichkeitsdimensionen auf das Einstel­

lungsverhalten der befragten Personen wurde festgestellt, daß es zwar auf un­terschiedlich hohem Signifikanzniveau gesicherte Beziehungen zwischen be­stimmten Persönlichkeitsdimensionen und bestimmten Dimensionen im EKB­Test gibt, festzuhalten ist aber auch, daß die gefundenen Beziehungen statistisch gesehen von einem niedrigen Zusam­menhang sind. Deutlich wurde auch, daß dann, wenn Beziehungen vorhan­den waren, diese größtenteils in Inter­aktion zu sehen sind, vor allem mit dem Faktor Geschlecht(vgl. dazu die Ergeb­nisse der gerechneten Multiplen Regres­sionsanalyse mit den Prediktoren Alter, Geschlecht und Persönlichkeitsdimensio­nen). Die Ergebnisse der Korrelations­studie zwischen bestimmten Persönlich­keitsdimensionen(vgl. Tabelle 5) einer­seits und den Beziehungen zum Einstel­lungsverhalten andererseits legen den Schluß nahe, daß ein klarer zu interpre­tierender Effekt dann eher möglich ist, wenn der Einfluß bestimmter Persön­lichkeitsdimensionen in der Zusammen­schau interpretiert wird. Auf die Not­wendigkeit einer zusammenfassenden Analyse von Persönlichkeitsdimension wurde in Anlehnung an Cloerkes(1979) eingangs schon verwiesen.

Nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung kann derTypus der Person, die zu einer positiveren Einstel­lung gegenüber behinderten Menschen neigt, mit den Eigenschaften beschrie­ben werden:Schildert Kontaktbedürf­nis und Kontaktstreben, ist kontaktfreu­dig, schließt schnell Freundschaften, ist aktiv und mitteilsam, ist selbstsicher und selbstbewußt, ist belastbar, hat eine aus­geglichene Stimmungslage, hat wenig psychosomatische Allgemeinbeschwer­den(vgl. Handbuch des FPI, S. 46 ff.). Menschen, die sich im FPI-Fragebogen diese Persönlichkeitseigenschaften zu­schreiben, tragen Merkmale derIch­Starken Person, wenn man sich an Bar­ron(1953, zit. in Cloerkes 1979, S. 346) orientiert, derIch-Stärke wie folgt gekennzeichnet hat:Physical stability and a good health, a strong sense of reality, feelings of personal adequacy and vitality, permissive morality, lack of ethnic prejudice, emotional outgoingness

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 3, 1991