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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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sprache beim Erlernen zum Gegenstand lernender Betrachtungen zu machen. Verwiesen sei hier u.a. auf Andresen& Januschek(1984), nach deren Ansicht die Versprachlichung schriftsprachlichen Handelns zu einem anderen, qualitativ höheren Grad vonSprachbewußtheit, nämlich eineranalytischen Haltung führt. Auch Spitta(1991) sieht die sprachanalytische Tätigkeit als wichti­gen Bestandteil der qualitativen Um­strukturierung des Denkens. Arbeiten zur(gestörten) Sprachentwicklung, wie sie von der Gruppe um Schöler vorlie­gen, gehen davon aus, daß für erfolg­reiches Sprachhandeln metasprachliches Wissen(hier verstanden als explizites sprachliches Wissen) zum impliziten, primärsprachlichen Wissen hinzutreten muß(Schöler, 1989). Die Veränderung und Kontrolle der(gestörten) Sprach­handlungen kann so Schöler und Mit­arbeiter nur über die metasprachliche Ebene erfolgen. Unter Berücksichtigung dieser Forschungsergebnisse wurde me­tasprachlichem Wissen eine Auskunfts­funktion(subjektive Sicht der Schreiber über Schriftsprache) und eine Verände­rungsfunktion(Notwendigkeit der Ver­sprachlichung, wenn es um das Begreifen schriftsprachlicher Strukturprinzipien und damit um die Verbesserung der Schriftsprachkompetenz geht) zuge­schrieben.

Methoden

Überblick über die Gesamtunter­suchung

In einer ersten Forschungsphase(Mai Oktober 1989) wurden unter Auswer­tung neu gewonnener Falldaten Vorver­suche durchgeführt. Ziele waren, die Fragestellung zu präzisieren, zu einer ersten, vorläufigen theoretischen Kon­zeptualisierung zu kommen sowie einen geeigneten methodischen Weg für die längsschnittartigen Fallstudien zu erar­beiten. In einer nächsten Phase wurden zwei Fallstudienserien durchgeführt. Ziel der Fallstudien war es, zu einem präzi­seren theoretischen Vorschlag zum Über­gang von der Lautorientierung zur Ortho­

Anne Börner* Wege funktionaler Analphabeten zur Normschrift

Tab. 1: Schulformen und Schulabschlüsse der Schreiber

Anita Paul

Sprachheilschule Lernbehinderten-Sch.

Integrative Schule/ Gesamtschule

Berufsschule(BVJ)

*= Hauptschulabschluß erworben

graphie zu kommen. Von daher wurde im Rahmen des qualitativen Forschungs­paradigmas auf ein Modell aus der empirischen Sozialforschung zur Ge­winnung empirisch begründeter Theo­rien zurückgegriffen(Glaser& Strauss, 101979). Die Forschungssubjekte werden als hypothesengenerierend und-prüfend angesehen, ihr Handeln als planvoll und zielgerichtet(Groeben& Scheele, 1977). Es gilt, ihre spezifische Sichtweise über den Gegenstand sowie ihr Vorgehen herauszufinden und zu verstehen. Die gewählte Herangehensweise ist als itera­tiver Prozeß zu charakterisieren, in dem sukzessive und theoriegeleitet(Fall)Daten erhoben, verarbeitet und mit schon vor­handenen Daten verglichen werden. So wurden die in der ersten Fallstudien­reihe gewonnenen Erkenntnisse mit ei­ner zweiten Fallstudienserie überprüft, um sie zu vertiefen und ggfs. zu modi­fizieren. Glaser& Strauss bezeichnen dies als constant comparative method (*° 1979). Insgesamt und damit auch in Absetzung von Glaser& Strauss, die ein rein induktives Vorgehen fordern wur­de eine Kombination aus Deduktion und Induktion mit dem Ziel der konti­nuierlichen Modifikation bzw. Überwin­dung der bisherigen theoretischen Vor­formen durch bessere(Lamnek, 1989) gewählt. Im Anschluß an die Fallstu­dienserien soll unter Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse und Erfahrun­gen eine Förderkonzeption erstellt wer­den. Geplant ist in einem letzten Schritt, diese theoretisch abgeleitete und empi­risch begründete Förderkonzeption mit­hilfe einer Evaluationsstudie in ihren Effekten zu überprüfen.

Berichtet wird nun im weiteren über die weitgehend abgeschlossenen Fallstudien­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1991

Peter Albert Jens_ Martin Horst

serien sowie über die bisher vorliegen­den Ergebnisse dieser Forschungsphase.

Fallstudien

Spezifische Fragestellung. Für die Fall­studien stand zum einen die Frage im Mittelpunkt, welche Wissensvorausset­zungen die Jugendlichen des zu unter­suchenden Schreiblernstandes in Bezug auf Struktur und Gebrauch der Schrift­sprache mitbringen, welche aktuellen Rechtschreibkompetenzen sie aufwei­sen und welche Strategien sie anwenden, um zu korrekten(Recht)Schreibergeb­nissen zu kommen. Zum zweiten ging es darum, wie sich auf der Basis dieser Wis­sensvoraussetzungen die individuellen Lernwege der Jugendlichen gestalten.

Auswahl und Beschreibung der Zielgrup­pe der Fallstudienserien. In Anlehnung an das von Glaser& Strauss(!°1979) vorgeschlagene Vorgehen des theoretical sampling wurden 7 Teilnehmer ausge­wählt, die nach der ersten Grobein­schätzung alle mindestens den lautorien­tierten Schreiblernstand erreicht hatten. Bei der Auswahl der Einzelfälle wurde zusätzlich darauf geachtet, zum einen das Prinzip der maximalen Ähnlichkeit (minimizing differences) zu realisieren, um eine gewisseTiefe* der Datensamm­lung zu erreichen, damit Typisches her­auskristallisierbar ist. Andererseits wur­den die Fälle nach dem Prinzip der minimalen Ähnlichkeit(maximizing differences) gewählt, damit eine aus­reichende Daten,,breite vorliegt, um die Grenzen der Theorie(vorformen) auszuloten. Von November 1989 bis November 1990 wurden vier Jugend­

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